Eine neue Form der Hexenverbrennung?
Die amerikanische Band Salem lässt sich schwer einordnen und setzt auf Provokation.
Die puritanischen Einwohner des neuenglischen Städtchens Salem haben Ende des 17. Jahrhunderts Frauen, die sie für Hexen hielten, verbrannt. Auch das Holzkreuz auf dem Debütalbum der Band Salem sieht nicht aus, als sei es einem heiligen Zweck geweiht. Seit etwa zwei Jahren gibt sich das Trio aus Traverse City, Michigan alle Mühe, möglichst krank und kaputt zu erscheinen: „Yes, I Smoke Crack“ lautete der Titel der ersten EP. In einem Interview mit dem Butt Magazine berichtete Bandmitglied John Holland damals freimütig von seiner Jugend als drogenabhängiger Stricher. Später bot er seinem Gegenüber sogar etwas Amphetamin an Ω „It makes you feel good“. Der NME war hell begeistert von so viel kontroversem Potential.
Die Musik des Debütalbums „King Night“ klingt ungewöhnlich – aber auch so hoffungslos, als würde man unter einem feuchten Tuch ersticken. Die pathetisch depressiven Synthie-Flächen wirken wie die Ruinen runtergepitchter Eurodance-Tracks. In den wenigen Texten geht es um Vergewaltigung, Mord und Totschlag. Salem sind Dubstep für weiße Indie-Kids, Throbbing Gristle ohne intellektuellen Überbau. Ob man das jetzt „Drag“, „Cave Crunk“ oder gar „Rape Gaze“ nennt, ist egal − solange die Fans keine Hexen verbrennen. jürgen ziemer