Eine Frage des Vertrauens
Das Doppelfestival Rock am Ring/Rock im Park setzt dieses Jahr auf ein leicht verändertes Konzept: Es geht mehr in die Breite
Wer sind die Headliner beim diesjährigen Rock am Ring/ Rock im Park-Festival? Das ist schwerer zu sagen als in den vergangenen Jahren. Bei der letzten Ausgabe von Deutschlands größtem Open-Air-Event standen Metallica weit im Vorfeld fest, die Sache war geritzt. „Anstelle von ein bis zwei Stadion-Acts haben wir in diesem Jahr ein deutlich stärkeres, breit gefächertes Programm“, erklärt Festival-Macher Andre Lieberberg. „Auf dem Line-up stehen sieben, acht Bands, die jeweils schon zehn- bis 15 000 Tickets verkaufen. Monetär macht das kaum einen Unterschied – drei Stadion-Acts kosten so viel wie sechs Arena-Acts. Aber das Festival ist dadurch vielseitiger. Das macht es attraktiver.“
Tatsächlich: Lieberberg hat eine ganze Reihe von hochkarätigen Zugpferden zusammen bekommen. Besonders spannend ist die Paarung von Placebo und den Killers. „Ich glaube, dass The Killers in Kürze eine der wichtigsten Bands sein werden“, mutmaßt Lieberberg. „Es gibt da diese Qualität im Songwriting, die nur ganz große Künstler aufweisen. Ich bin sehr gespannt auf ihren Auftritt.“
Ebenso gespannt wird Lieberberg auf die reformierten Limp Bizkit sein. Die hatten in der Vergangenheit wegen des bandinternen Gezeters Termine zu- und wieder abgesagt und sich damit nicht unbedingt Freunde gemacht. „Wir haben gute Zeiten mit Limp Bizkit erlebt, aber auch weniger gute“, gibt sich Lieberberg diplomatisch. „Jetzt haben sie die Chance, ihre unerledigte Arbeit zu beenden. Ich freue mich darauf – wenn die Band live spielt, ist sie eine echte Macht.“
Auch ein paar andere Formationen feiern ihr Comeback am Ring. Zum Beispiel Selig, denen angesichts der gut entwickelten deutschen Rockmusik 2009 fast eine Art Patenrolle zukommt. Ebenso sind die Guano Apes wieder da, falls Sie das wissen möchten. Und dann sind da noch die Feuerteufel von The Prodigy. Die haben wohl nicht mehr die Überraschung auf ihrer Seite, aber dafür ein Hit-Repertoire, mit dem man den für 80000 Spaßwillige nötigen Hebel ansetzen kann. Sie spielen aller Voraussicht nach bac to bac mit den Seelenfressern von Slipknot, was ein furchterregender Abend zu werden verspricht.
„Als Festival-Macher interessiert mich bei einem Headliner nicht unbedingt, ob es eine neue Platte gibt“, sagt Lieberberg. „Ich erwarte, dass sie ihren Kanon aus Hits spielen und den Zuschauern eine tolle Show bieten.“ Eine solche erwartet Lieberberg auch vom gruseligen Marilyn Manson, der erstmals im Dunkeln auftreten darf. Im Doppelpack mit Korn, die am Ring und im Park auch schon alte Bekannte sind. Es wird also wieder viel gedroschen, aber freilich nicht nur. Mando Diao haben DER WEG DURCHS DICKICHT Über 70 Bands waren bei Redaktionsschluss bereits für die beiden Festivals bestätigt. Wer Sie unter anderen erwartet, erfahren Sie hier:
Billy Talent Bloc Party The Killers GallOWS Jan Delay & Disko No. 1 Juliette Lewis Kettcar Kilians Trail Of Dead LimP Bizkit Madness Mando Piao Marilyn Manson Razorlight Chris Cornell Peter, Björn & John Peter Fox Phoenix Placebo Polarkreis 18 Kitty f Daisy & Lewis Selig Slipknot The Gaslight Anthem 2RaumWOhnung V r hit:e Lies The Kooks Tne Prodigy Dredg The Subways Tomte Volbeax
sich dank der Single „Dance With Somebody“ mit ihrem neuen Album ganz nach vorn gespielt und treten entsprechend an prominenter Stelle auf. Lieberberg freut das, weil es hier seit einigen Jahren eine Beziehung gibt, die über das Geschäftliche hinausgeht. „Mich beeindruckt ihre Entwicklung sehr“, redet Lieberberg lieber über Musik als über Kumpelei, „die haben als Retro-Band angefangen und verkaufen jetzt im Alleingang Arenen aus.“
Dasselbe gilt für Überflieger Peter Fox, der vermutlich ein ähnlich launiges Set hinbekommen wird wie der ebenfalls auftretende Jan Delay. Auch schön: Madness feiern am Ring und im Park ihren 30. Band-Geburtstag. „Wir haben gern Bands dabei, auf die sich alle einigen können. Da sind Madness doch genau die richtigen“, sagt Lieberberg, der sich persönlich natürlich auf die Killers und Mando Diao freut, ebenso aber auf einige kleinere Gigs, zum Beispiel die von Dredg, The Gaslight Anthem und Phoenix.
„Insgesamt“, sagt Lieberberg, „sind in diesem Sommer deutlich mehr Künstler auf Festivals oder Tournee als im Vorjahr“. Womöglich nicht zuletzt eine Folge von Finanzkrise und schwankenden Banken. „Kann schon sein, dass einige Künstler in den letzten Monaten auch Verluste hinnehmen mussten“, denkt Lieberberg laut. „Da schätzt man dann eben doch den klaren, sofort verfügbaren Cashflow. Zumal Deutschland momentan noch eine Insel der Glückseligkeit ist, was die Kartenverkäufe angeht. Kann sein, dass sich das ändert, und ich sehe, dass manche in der Branche etwas nervös werden. Aber was soll ich mir darüber den Kopfzerbrechen? Ich muss weiterarbeiten und dran bleiben.“
Übrigens werden in diesem Jahr ein paar tausend Karten weniger in den Verkauf gehen, weil es 2008 offenbar ein bisschen arg voll war. Mehr will Lieberberg allerdings nicht ändern. „Ganz im Gegenteil – ich glaube, dass es wichtig ist, die Dinge so zu lassen, wie sie sind. Das Konzept hat sich bewährt, die Leute fühlen sich wohl. Wer zum Ring oder in den Park kommt, will wissen, wo er zeltet und wo er findet, was er sucht. Vielleicht erkennt er sogar den Ordner aus demletzten Jahr wieder. Die Entscheidung, zu welchem Festival man geht, hat eine ganze Menge mit Vertrauen zu tun.“