„Eine etwas bessere Welt“ von Lewis Trondheim: Der Hase ist zurück
Lewis Trondheim setzt seine „erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ fort. Aber bei seinem neuen Anlauf scheinen ihm einige Qualitäten abhanden gekommen zu sein.
Die Kunst des irrsinnig produktiven französischen Comiczeichners und -autors Lewis Trondheim ist das ganz große Gelaber. Egal ob es um die Fantasy-Gestalten aus seinem mittelalterlichen Donjon geht, den seherisch begabten Ralf Azham, die englische Amateurdetektivin Maggy Garrisson oder um Trondheims Sicht auf Spirou & Fantasio und Micky Maus – immer schälen sich die Geschichten aus einem kalauernden Grundgeplapper heraus. Und wenn der Leser Gefahr läuft, sich davon sedieren zu lassen, kommen überraschende Wendungen, erstaunliche Einsichten oder wunderbar beiläufige Weisheiten daher. Dass Trondheim seine bekannteste und eigentlich 2004 abgeschlossene Reihe „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ fortführen würde, hatte deshalb etwas Beglückendes.
Herr Hase ist eine irrlichternde Figur. Mal taucht er ein Album lang im Wilden Westen auf, mal ist er in eine komplexe Zeitmaschinen-Gruselstory verstrickt. Ganz zu sich kommt er jedoch, wenn Trondheim ihn in den Kreis seiner Rumhänger- und Kulturintellektuellen-Freunde im Paris der Gegenwart versetzt und seinen Realitätssinn und Pragmatismus durch die Konfrontation mit unwahrscheinlichen Zufällen, mysteriösen Vorfällen oder paranormalen Fähigkeiten auf die Probe stellt.Zu viele Probleme auf einmal
Genau so funktioniert das erste neue Abenteuer: Durch seinen draufgängerischen Freund Richard, einen Kater, gerät Hase nicht nur in Kontakt mit prügelfreudigen Kriminellen, sondern auch mit dem abgewrackten Oscar, der sich mit Medikamententests über Wasser hält und seit dem letzten Mal die „Auren“ von Menschen sehen kann. Seitdem kann er nicht mehr bei seiner Mutter wohnen und sucht einen Schlafplatz.
Leider sind Trondheim bei seinem neuen Anlauf einige Qualitäten abhandengekommen: die leise Melancholie, die feine Beiläufigkeit der Erzählung, vielleicht gar der Glaube an die Liebe und das gute Leben. Die Geschichte verstrickt sich in den komplexen Problemlagen der Welt von heute, von Terror bis zu prekären Lebensverhältnissen, wird immer unwahrscheinlicher und scheint ein Beispiel für die Schwierigkeit großer Autoren, die heutige Welt und ihre divergierenden Diskurse in ein stimmiges Ganzes einzubetten. Ein Grund mehr, sich alle vorhergehenden Bände noch einmal vorzuknöpfen.
Von Max Florian Kühlem