Eine Band wie neugeboren
Der Ire Conor O’Brien erinnert mit seiner Band Villagers an den Amerikaner Conor Oberst – er begeistert aber nicht deshalb über die Maßen
Conor o’brien SCHAUT etwas verlegen aus der Wäsche. Oder ist es nur Müdigkeit? Am Abend zuvor hat er mit seiner Band Villagers das Konzert von Grizzly Bear im Berliner Astra eröffnet. Und das Kompliment, dass er den New Yorker Indie-Rockern die Schau gestohlen habe, erwidert er mit einem scheuen Kopfschütteln. Er genieße es sehr, mit anderen Künstlern, die er bewundere, auf einer Bühne zu stehen. Nur in einen Folk-Topf mit Mumford & Sons will er nicht geworfen werden. „Ich denke nicht, dass wir im selben Club spielen“, sagt er.
Man glaubt O’Brien diese Zurückhaltung, obwohl er bei aller Bescheidenheit musikalisch sehr ambitioniert ist. Er macht halt nur nicht gern viele Worte darum. Zwar wurde „Becoming A Jackal“, das großartige Debüt der Iren, von der Musikpresse einhellig gelobt, dann aber zu schnell vergessen. Zu einiger Bekanntheit gelangten die Villagers schließlich durch die mehr äußerlichen als musikalischen Ähnlichkeiten zwischen ihrem Sänger und Conor Oberst. „Hätte ich einen anderen Vornamen und würde anders aussehen, würde man uns wahrscheinlich gar nicht miteinander vergleichen“, meint O’Brien achselzuckend.
Auf „Awayland“ erinnern die Villagers mitunter eher an Mercury Rev. Oder eben doch – und darin liegt die wirkliche Emanzipation vom Indie-Epigonentum – an einen neuen, unverwechselbaren Villagers-Sound. O’Brien hat viel elektronische Musik gehört, frühen Techno, IDM, Caribou, Portishead. Und Filmmusik des argentinischen Komponisten Lalo Schifrin, aus dessen Feder unter anderem der Score für die „Dirty Harry“-Reihe sowie die legendäre „Mission Impossible“-Melodie stammen. „Soundtracks haben mich überhaupt erst dazu gebracht, Musik zu machen“, sagt er. Besonders die aus Disney- und Spielberg-Filmen, weil die so herrlich „schmaltzy“ sei. Nun, von Schmalz konnte auf „Becoming A Jackal“ keine Rede sein, eher von Pathos, das auf „Awayland“ einem epischeren Grundton gewichen ist. Und wo einst ein liebeskranker Schakal heulte, staunt diesmal ein neugeborenes Kind.
Als „childish sense of wonder“ beschreibt O’Brien seine neue Perspektive. Zu einem früheren Zeitpunkt habe er das Album sogar „Birth“ nennen wollen: „Es geht ja darum, sich diese kindliche Neugier zu erhalten, wenn man älter wird.“
O’Brien ist aber zu smart, um sich leichtfertig irgendein beliebiges Image überstülpen zu lassen. Für Niedlichkeitspossen à la Adam Green schreibt er zu verstörende Lieder, die theatralischen Pop-Gesten der Selbstinszenierung hat er nicht geprobt. Innerhalb seiner Band besteht jedoch kein Zweifel, wer die künstlerische Richtung vorgibt. Nach der letzten Tour zog sich O’Brien für ein paar Wochen in seine Heimatstadt Dublin zurück, um sich auf neue Songs zu konzentrieren, was ihm zuerst nicht gelang. „Ich stellte mir ständig vor, was die Leute darüber sagen würden.“ Schließlich fand er einen Weg, sich nicht mehr um die Erwartungen anderer zu scheren: Er stürzte sich in Arbeit, nahm erste Demos auf, überließ die Streicher-Arrangements Keyboarder Cormac Curran und öffnete sich den Ideen seiner Band-Kollegen – etwas, was ihm vorher schwergefallen war. „Wenn man das eine Weile so durchzieht, fühlt man sich unbesiegbar“, erklärt O’Brien und gestattet sich ausnahmsweise einen Anflug von Stolz.
Wichtig für einen guten Song sei vor allem „die Verbindung zwischen innerer und äußerer Landschaft – oder die Kluft zwischen beiden“. Klingt etwas esoterisch, doch im Grunde verbirgt sich dahinter das schlichte Bedürfnis, die eigenen Erfahrungen auf null zu setzen, um die Welt wieder durch die Augen eines Säuglings zu sehen. Und da O’Brien diese Sehnsucht nach Naivität bewusst steuert, droht er auch nicht zum infantilen Berufsjugendlichen zu werden. Max Gösche
40% Bright Eyes
20% Peter Gabriel
20% Mercury Rev
10% Bill Callahan
10% The Chills