Eine Award-Show und eine Konferenz bestätigen die Bedeutung von urwüchsiger „Americana“-Musik
Dies ist die Stunde der Tochter und des Sohnes. Exakt 30 Jahre, nachdem sein Lebensstern in der kalifornischen Wüste mysteriös verglühte, nimmt Polly Parsons den „President’s Award“ der Americana Music Association(AMA) für ihren Vater Gram entgegen, den „Paten der Americana Music“, so Moderator Jim Lauderdale. „Mein Vater wollte nichts mehr, als von Nashville akzeptiert zu werden“, meint Polly zu wissen. „Nun ist er es.“ Nur drei Tage nach der Beerdigung seines Vaters Johnny sammelt John Carter Cash die Trophäen für das letzte kreative Aufbäumen seines Erzeugers ein, der mit dem Song („Hurt“), dem Album („American IV“) und als Künstler des Jahres alle Hauptpreise gewinnt. Dazu flimmern über die Leinwand im großen Ballsaal des Renaissance-Hotel Ausschnitte vom Vorjahr, als Johnny und June Carter Cash bei den ersten Americana-Awards ihren letzten Duo-Auftritt hatten. Kollektives Schlucken, auch ein paar Tränen.
Nimmt man den Lebenswerk-Preis für den ebenfalls verstorbenen Elvis-Entdecker Sam Phillips hinzu, kann man die ketzerische Bemerkung der Radiofrau aus Kalifornien schon verstehen: Es wäre doch schön, sagt sie nach der zweistündigen Awards-Show, wenn im nächsten Jahr noch ein paar mehr Lebende unter den Preisträgern wären.
Wie lebendig Americana-Musik schon ist – oder noch werden kann – darüber wurde eifrig debattiert im Laufe der dreitägigen Konferenz der AMA. Dass die Rückkehr zur wahren Musik so wird Americana von vielen Protagonisten betrachtet – ausgerechnet in einer Stadt zelebriert wird, die derzeit nicht mal einen Radiosender für diese Musik aufbieten kann, ist von feiner Ironie. Zu schweigen von der großen, bösen Country-Industrie in Nashville.
Man könne die Veranstaltung „als einen Schlag ins Gesicht der Music Row interpretieren“, sagt Mark Keefe. Doch passe, ergänzt der Radiomann aus North Carolina, Americana „durchaus in die Strukturen der Musikindustrie hier“. Auch Peter Blackstock verweist bei aller Ironie auf „die Realität, dass viele Leute, die Americana zu einer Alternative machen wollen, eben aus Nashville kommen“. Es gehe, so der Co-Herausgeber von „No Depression“, auch darum zu zeigen, „dass Nashville noch eine ganz andere Seite hat“.
Luke Lewis repräsentiert die zwei Seiten der Stadt sogar in einer Person. Als Universal-Chef steuert er die Karriere von Shania Twain – als Lost Highway-Initiator veröffentlicht er parallel Lucinda Williams und Ryan Adams. Für Lewis ist die Konferenz eine willkommene Maßnahme zur Image-Korrektur und einfach „gut für Nashville. Denn die meisten Leute verstehen die Stadt nicht. Wer nicht länger hier ist, sieht nicht, was sich alles hinter dem Schleier abspielt“.
überhaupt nicht schleierhaft blieb, warum die Konferenz rund 750 Besucher und damit viermal so viele wie bei der Premiere vor vier Jahren angelockt hatte. Denn Americana ist nach wie vor ein Wachstumsmarkt. Was in Zeiten der existenziellsten Krise der Plattenindustrie schon mal eine gute Nachricht ist.