Ein U-Boot voller Pop-Einfälle
Würzburgs Miles lassen sich auf der neuen Platte zwischen Phil Spector und den Pet Shop Boys treiben - und loten die hiesigen Maßstäbe neu aus
Wenn es in der Vergangenheit um die Arbeiten des vielbeschäftigten Produzenten O.l.a.f. Opal ging, konnte schon mal das böse Wort vom „Formatrock“ fallen. Miles haben sich nicht nur erfolgreich dagegen verwehrt, sondern mit ihrer zweiten Platte „The Day I Vanished“ 1998 den Gitarrenpop in Deutschland eindrucksvoll aus seinem Schlaf gerissen und auch dessen Kritiker überzeugt. Froh war man über so ein offensives Album, auf dem das Quartett ganz selbstverständlich Sixties- und Seventies-Anleihen in ihr Miles-Gewand kleidete. Und es wäre keine große Überraschung gewesen, hätte man uns offenbart, dass die Band sich nur einen Scherz erlaubt habe und aus Schweden oder England statt aus Würzburg stamme.
Nun melden sich Miles mit ihrem dritten, schlicht und einfach selbstbetitelten Album zurück – und schicken sich an, den schwierigeren, doch zweifellos interessanteren Weg zu beschreiten, indem sie das sichere Indie-RockRevier weitestgehend verlassen. „Wir wollten einfach nicht noch einmal dasselbe machen, sondern mehr versteckt als offensiv agieren“, erklärt ihr Sänger und Gitarrist Tobias Kuhn. „Die Lieder habe ich diesmal hauptsächlich am Klavier geschrieben. So ergab sich zwangsläufig eine ganz andere Rhythmik und Harmoniefolge.“ Auf JMiles“ werden Grenzen überschritten und Stile in einer Art zusammengeführt, die nicht selten an das letzte Fläming Lips-Meisterwerk „The Soft Bulletin“ erinnert. Es stand sogar zur Diskussion, die poppige und die rockige Seite des Albums getrennt anzuordnen.
Vielfältiger, ideenreicher, in jedem Fall aber gewagter und nicht minder melodienverliebt werden zwar wieder die Beatles zitiert („Barracuda“ ist beispielsweise, so Kuhn, „eine Hommage an einen Sonntagnachmittag als Kind, wenn ,Yellow Submarine‘ im Fernsehen lief, aber eben auch Phil Spector oder die Pet Shop Boys, wie im leichtfußigen „Perfect World“. „Es kommt oft vor, dass Leute fröhliche Musik mit Oberflächlichkeit verbinden oder einfach sagen, man hätte eine ,Sommerplatte‘ gemacht“, sagt Gitarrist Mike Silver. Dabei geht es vielmehr darum, einfach Sachen zu wagen, die man vielleicht immer schon mal machen wollte. In diesem Falle: Hörgewohnheiten zu brechen und die Gitarre einfach mal außen vor zu lassen.
Auch auf dem Video-Sektor kündigen sich Veränderungen an: Der Qip zu „Perfect World“ wird glamouröser ausfallen als ihre früheren Versuche, mit „weißem Flügel, Wasserfontänen und Tänzerinnen“, erzählt Kuhn begeistert Und resümiert: „Wir denken nicht, dass wir eine Kehrtwendung gemacht haben, sondern eher eine Entwicklung, bei der man schon auf dem letzen Album ahnen konnte, dass es eventuell in die jetzige Richtung gehen könnte. Und gerade das finden wir interessant“.