Ein Schritt vor, einer zurück
Man hat in den letzten fünf Jahren fast dabei zusehen können, wie aus Bob Mould wieder Bob Mould wurde. Um die Jahrtausendwende hatte der einstige Hüsker Du-Mann sich in elektronische Musik verliebt und wollte diesen Teil seiner Kreativität nicht mehr unterdrücken; heraus kam eine umstrittene, jedenfalls Aufsehen erregende Platte namens „Modidate „, auf der von den trademark guitars des Indie-Vorhutlers nur noch tief im Playback etwas zu hören war. Schon das folgende Album, „Body O/Song“, war dann wieder traditionsbewusster, die Welten kamen zueinander.
Dass nun mit „District Line“ ein Album erscheint, auf dem die Elektronik höchstens ein Werkzeug ist, hat auch mit Moulds mittlerweile voll entwickelten Identität als DJ zu tun – daheim in Washington und neuerdings auch in New York lädt Mould alle paar Wochen um die 1000 Leute zum Rave ein. ,Je besser die Partys liefen, desto mehr schrieb ich wieder Gitarren-Songs“, sagt Mould, „aber auch die waren nur möglich, weil mich meine Rolle als DJ zwang, immer neue Musik zu hören. Das war die Inspiration, die mir gefehlt hatte.“
So ist das bei Mould, der bekanntermaßen von der Vergangenheit nicht viel wissen will und sich als nach vorn gerichteter Künstler versteht, ungeachtet der jahrelangen Kritik, dass nach dem Ende von Hüsker Du nichts richtig Gutes mehr gekommen sei. „Die Leute fragen nach einer Reunion von Hüsker Du, natürlich. Aber das ist undenkbar — ich kann der Vergangenheit nicht entkommen, aber wiederholen muss ich sie nicht.“ In diese Kategorie der Horizonterweiterung fallt wohl auch die zwischenzeitliche Betätigung Moulds als Scriptwriter für eine der US-amerikanischen Wrestling Leagues. Sicher, das ist schon ein bisschen her, aber verstehen würden wir es trotzdem gern. „Ein Kindheitstraum, mehr nicht“, wehrt Mould ab, „die Wrestling-Szene ist eine sehr geheime Welt, mit eigenen Regeln und einem strikten Verschwiegenheitskodex. Ich war als Kind ein großer Fan und wollte einfach wissen, wie das alles funktioniert. Ich sage dir: Es war das Anstrengendste, das ich je gemacht habe. Die Geschichten zu schreiben ist schwer – und dann Leute dazu zu bringen, mitzuspielen, ist noch viel schwerer. Ich hatte bald genug davon.“
Zurück zum neuen Album. Neben Mould spielen nur zwei Leute darauf, nämlich der hier schon lange involvierte Ex-Fugazi-Trommler Brendan Canty und gelegentlich eine Ccllistin namens Amy Domingues. Mould selbst hat fast alles zu Hause produziert und spielt handfesten, durchaus popmodernen Indie-Rock seiner eigenen alten Schule. Das Songwriting ist passabel, der Grundton aufrecht positiv. „Früher habe ich in meinen Liedern gefragt .Warum passiert mir das?, heute frage ich: ,Warum passiert das?. Es geht einfach nicht mehr so sehr um mich, sondern um das, was um mich herum los ist.“ Mould malt ein Bild von jetzt fünf Jahren in Washington, D.C., in denen sein Leben zusammenkam und neu gefundene Freundschaften wichtiger wurden als die Arbeit. „Viele der Songs sind eine Art Zusammenfassung der menschlichen Zustände — und davon, dass unsere Krisen meistens doch ein gutes Ende haben. Sicher, wenn man mittendrin steckt, ist alles finster, aber, hey, je öfter du wieder herausgekommen bist, desto entspannter wirst du auch! Ich schätze, ich habe jetzt einfach eine ziemlich zuversichtliche Phase in meinem Leben.“