Ein Schmerz und eine Seele
Wer Virginia Jetzt! versteht, hat sie wohl nicht ganz verstanden
Man muss ja bekanntlich dahin, wo’s weh tut. Und darum sprechen Virginia Jetzt!, obwohl es um ihr neues Album „Land unter“ gehen soll, bereitwillig erst noch einmal über die Aufregung um den Vorgänger „Anfänger“, namentlich die Nationalismusdebatte, in die die Band aufgrund einiger Textzeilen geriet (auch in dieser Zeitschrift). „Ein Armutszeugnis, bösartig, beleidigend“, nennt Bassist Mathias Hielscher einige Dinge, die geschrieben wurden. Und das neue Lied „Singen und singen“ klingt sogar so, als habe die Erfahrung Spuren hinterlassen. „Und wenn wir singen und singen, dann geht es gar nicht darum, dass irgendwer uns versteh’n muss“, heißt es da. Ist nun Schluss mit der Verständniskuschelei zwischen Band und Publikum? „Kunst ist dann am stärksten, wenn sie es schafft, ein Gefühl ganz deutlich zu beschreiben, so dass es der Hörer möglichst genau nachfühlen kann. Dazu muss er jedoch nicht den Text exakt verstehen“, sagt Dörschel.
„Kunst ist gut, wenn der Künstler seinem Publikum verständlich machen kann, wie groß seine Liebe, sein Schmerz oder seine Hoffnung ist.“ Moment – Schmerz? Tatsächlich steckt in den Texten von „Land unter“ viel weniger Kitzelei, viel mehr Leiden. An der Liebe, an den coolen Ärschen um einen herum, an der Welt als solcher. „Schmerz spielt bei uns schon immer eine Rolle“, sagt Hielscher, „aber es ist mehr so ein Depeche Mode-Schmerz, ein euphorischer Schmerz. Die einen verkriechen sich leidend im Bett, wir gehören eher zu denen, die dann raus müssen, durch die Straßen laufen.“ Ein Aktiv-Schmerz also, den man nicht gleich hört, weil Musik und Text einander nicht unmittelbar bedienen. „Auf unserer Tour durch Russland haben die Menschen unsere Texte auch nicht verstanden“, sagt Mathias Hielscher, „und doch haben sie immer alle beim selben Lied geknutscht: immer bei ‚Dreifach schön‘.“