Ein realer Film
Seit eineinhalb Jahren lebt David Gedge in West Hollywood, eine seltsame Vorstellung. Schließlich sind The Wedding Present zunächst mal eine britische Band mit britischen Rekorden (zwölf Top-30-Hits in einem Jahr) und britischer Historie. Doch Gedge, der seine Band nach Belieben formt und umformt, ging in die USA. Nach Seattle zunächst, wo 2004 das Comeback-Album „Take Fountain“ entstand. Gedge hatte damals das Ende einer langjährigen Liebesbeziehung zu verdauen und fühlte sich plötzlich vogelfrei. „Mir ist aufgefallen, dass ich meinen Job überall in der Welt machen kann“, sagt Gedge, „ich brauche nur eine Gitarre, einen Stift und ein Blatt Papier. Es hatte etwas Aufregendes, das zu begreifen.“
Der Sänger und Gitarrist von TWP sitzt in einer Ferienwohnung in Bristol und packt seine Sachen, weil es morgen zurück nach Los Angeles geht. Das eigene Haus, gleich um die Ecke, ist vermietet. Zwar pendele er, doch nicht genug für zwei dauerhafte Wohnsitze. „L.A. hat mich schon immer fasziniert. Diese Stadt ist ja die Heimat der Popkultur, ein realer Film. Jede Straßenecke ist eine Kinoszene. Am Anfang war das seltsam, ich kam mir selbst wie ein Schauspieler vor, der seinen Text aufsagt. Aber dann begannen mich diese Menschen zu interessieren. Weil sie so von sich selbst besessen sind und in dieser me-culture gefangen sind. Für mich ist das ja gut— ich laufe mit einem kleinen Buch herum und schreibe all die großartigen Sachen auf, die Menschen so sagen.
Meine Themen sind ihren ganz ähnlich — Lust, Enttäuschung, Besessenheit, darüber schreibe ich.“
Obschon auf dem neuen Werk von The Wedding Present, „El Rey“, manches auf den Ort seiner Entstehung verweist, hatte Gedge kein Konzeptalbum im Kopf, keine Hommage auf die City of Angels. „Am Ende geht es auf meinen Platten ja doch immer um mich selbst, jedenfalls zu einem großen Teil. Ich habe hier und da versucht, über andere Themen zu schreiben — Politik und soziale Dinge —, aber es gelingt mir nicht wirklich. Zumindest die teenage angst der ersten Jahre scheine ich überwunden zu haben.“ Aufgenommen haben The Wedding Present allerdings in Chicago – bei Gedges altem Freund Steve Albini, der zuletzt vor 17 Jahren ein Album von TWP produzierte. Später dann folgten einige Sessions für Cinerama, Gedges Interimsprojekt. „Für uns war Steve immer ein Vorbild. Als Band hatten wir ja von Anfang an einen Fuß auf der anderen Seite des Atlantik. Wir gehörten zwar zu dieser C86-Clique, aber die Pixies und Sonic Youth und andere voice guitar bands waren immer ein riesiger Einfluss. Mit Steve zu arbeiten, zollt dieser Herkunft Tribut.“
Man hört „El Rey“ die alte Freundschaft genauso an wie die Kniffe der Akteure. Gedge klingt präsenter als zuvor, obwohl diese Prä-Grunge-Riffs und traurigen Mienen natürlich Relikte sind und einen an früher erinnern, als Alternative noch Independent hieß. Und David Gedge ist ja zu Hause in dieser Musik.
Unnötig zu erwähnen, dass sich das Lineup seit dem letzten Album geändert hat. Gedge ist seit vielen Jahren der Einzige aus der originalen Besetzung, und seither wurde immer wieder gewechselt. Pech oder Prinzip? „Das ist ein schwieriges Thema – es waren tatsächlich einige gute Freunde dabei, die gegangen sind, manchmal freiwillig, manchmal, weil ich es wollte. Und bei diesen guten Freunden hat es mir das Herz gebrochen. Denn als touring musiciuri hat man seine guten Freunde eben nur innerhalb der Band. Es wäre also schön gewesen, immer an diesen Menschen festhalten zu können. Aber, ehrlich gesagt: Der Musik hat es immer gutgetan, wenn jemand gegangen ist. Es stellt sich eben doch schnell eine Routine ein. Nach der ersten Welttour ist der Kick weg, dann werden Kinder geboren, ein Soloprojekt wird wichtig. Da braucht es dann einen neuen Enthusiasmus, eine neue Inspiration.“ Zuletzt ging Langzeitkollaborateur Simon Cleave, der auch schon bei Cinerama Gitarre spielte. „In meinem Hinterkopf hatte ich diesen Gedanken, dass ich mit ihm zusammen aufhören würde, aber es kam anders. Ich vermisse ihn. Aber die neue Platte wäre mit ihm nicht so gut geworden.“ Während der Studiozeit mit Steve Albini entstand übrigens eine Aufnahme, die Fans der ersten Stunde glücklich machen müsste: eine neue Version des Debütalbums „George Best“, gespielt von der aktuellen Besetzung. TWP hatten das beinahe legendäre Werk anlässlich des 20. Jubiläums im Rahmen von einigen Konzerten aufgeführt und nutzten den Elan für eine Live-im-Studio-Session. „Eigentlich nicht meine Sache, so eine Rückschau“, gibt Gedge zu, „aber es war doch interessant, diese Lieder neu kennenzulernen. Im Nachhinein wird einem erst klar, wie grundsätzlich man sich verändert hat.“ Veröffentlichung: mit Glück demnächst.