Ein neuer Trickser ist in der Stadt
Wie der kauzige Berliner Songschreiber Hans Unstern poetisch präzise Bilder findet.
Das Gesicht auf dem Cover ist das Erste, was auffällt: Ein junger Helmut Qualtinger, ein Trapper des Pop, Haare überall, wie Eis verkrustet die Brauen und der Bart. Hans Unstern heißt der Mann, aus seinen Augen blitzt das jugendliche Alter. Der Name des Berliner Songschreibers transportiert ein Bündel tragischer Synonyme: Unheil, Verderben, Heimsuchung; aber auch den Titel eines Liebesgedichts von Heine.
Nun ist „Kratz dich raus“ auf dem Label der befreundeten Band Ja, Panik erschienen. Es ist ein wuchtiges Debüt, dessen Sprache immer wieder poe-tische präzise Bilder findet: „Mein Leben hangelt sich an Autobahnen entlang/ Automobile hasse ich mehr als alles/ Werd mir einen Zebrastreifen malen“, lauten die ersten Worte des ersten Stücks „Anglet“. Unterwegssein, Veränderungen, Transformationen sind das Thema des Albums. Die von Warren Suicide (unter dem Namen Nackt) produzierten Songs haben nichts Liedermacher-artiges, sie erinnern eher an Jazz-infizierten Hardcore. Unstern deklamiert und deklariert, seine Stimmlagen wechseln wie die Stimmungen. Nur vor Schorsch-Kamerun-Imitatio-nen muss er sich hüten! „Kratz dich raus“ hält dennoch problemlos eine eigenwillige, leise Spannung. Die befreiende Explosion bleibt aus. „Es klingt wie jubelnde Sieger/ Du hast nichts mehr zu melden“, lauten die letzten Worte.
Ein neuer Trickser ist in der Stadt – die Zeit nach Distelmeyer hat begonnen. jürgen ziemer