Ein Märchen wird wahr: Die ARD gewinnt die Fußball-Bundesliga-Rechte zurück, und Reinhold Beckmann darf die „Sportschau“ moderieren
anchmal muss man Kinder hüten, sie be-I schäftigen, sie unterhalten. Gerne wollen die Knirpse dann Märchen hören. Meist die immer gleichen, aber gelegentlich gelüstet es sie auch nach neuem fantastischem Material. Dann steht man da und ahnt schnell, welche Schwierigkeiten die Brüder Grimm hatten, sich ständig neue Unwahrscheinlichkeiten auszudenken. In solchen Momenten wäre man letztlich hilflos, gäbe es nicht die ARD, das gute alte Erste, das aufwartet mit einem Märchen, auf das man so nie gekommen wäre. Es begab sich nämlich im Jahre 2003, dass die TV-Rechte der Fußballbundesliga nach langen „Ran“-Jahren wieder auf den freien Markt kamen, weil der Sender Sat.1 nicht länger gewillt war, über 80 Millionen Euro pro Saison für eine Bayern-wird-sowieso-Meister-Show zu zahlen und dabei runde 50 Millionen Euro Verlust einzufahren.
Die Bundesliga sei derzeit nicht refinanzierbar, hieß es aus dem Sat.l-Lager, in dem allenfalls der halbe Preis für marktgerecht gehalten wurde. Es begann eine Pokerrunde, bei der dem Privatsender durchaus realistische Chancen auf einen stark verbilligten Abschluss eingeräumt wurden, wären da nicht die Märchenonkels von der ARD dazwischengekommen.
Die boten nämlich weit mehr, als wirtschaftlich vernünftig erschien, und landeten Branchenschätzungen zufolge bei rund 60 Millionen Euro. Das allein wäre nun aber noch kein Stoff für ein Märchen, mit dem man Kinder vom Hocker reißen könnte. Dazu muss es schon schärfer kommen. Kein Problem für die ARD-Oberen. Die behaupten nämlich kurzerhand, der Erwerb der Bundesligarechte werde den Gebührenzahler keinen Cent extra kosten. Alles werde finanziert durch zwei Werbeblöcke, ein bisschen wegfallendes Programm, einen Hauch Sponsoring und die Weitergabe einiger Rechte.
Spätestens nach dieser argumentativen Viererkette darf man im Kinderauge jene Spannung ablesen, die „mehr davon“ zu fordern scheint. Kein Problem fiir die ARD, die sofort das Zauberwort „Sportschau“ nachschiebt und gleich noch die Namen Reinhold Beckmann und Gerhard Delling mit eintütet. Eine gelungene Mischung aus nostalgischen Erinnerungen an schwarzweiße Triumphe und dem zeitgeistig hysterisierten „Ran“-Fieber soll die männliche Republik ab dem 2. August am späten Samstagnachmittag vor die Kiste locken. Alle sollen sie sehen, wie Beckmann in gallertartiger Lässigkeit den öffentlich-rechtlichen Kasper versucht, wie Delling danach trachtet, seine Steifheit wenigstens minutenweise abzustreifen. Damit ihm das gelingt, soll ihm möglicherweise gelegentlich sein gewohnter Partner für verbale Doppelpässe an die Seite rücken: Günter Netzer. Zumindest hat jener der „FAZ“ verraten, er werde sich entsprechenden Wünschen nicht verschließen.
Spätestens damit hat man die Kids auf den Stühlen und darf sie bei La Ola bewundern, wissen sie doch, dass Günter Netzer just der Mann ist, der mit seiner Sportagentur Infront der ARD die Rechte teuer verkauft hat. Und nun will er seine Ware auch noch kommentieren? „Geil“, nennen Märchenfans so etwas, u nd man kann die Bewunderung für den, dem so was einfiel, nicht ohne weiteres abschütteln.
Doch es kommt noch besser. Wer sich an die alte „Sportschau“
erinnert, spürt sofort auch eine Art Phantomschmerz, wenn er die Begrüßung „Gutnabndallerseits“ hört. Die Ist das Markenzeichen von Heribert Fassbender, jenem Mann, der dafür verantwortlich zeichnete, dass die „Sportschau“, als sie noch die Fußballrechte noch hatte, allenfalls „Neandertal-Niveau“ erreichte. Dieser Mann ist trotz seiner 62 Jahre immer noch Sportchef beim federführenden WDR und somit nun auch Oberverantwortlicher für die Neuauflage. In einem so genannten Nachrichtenmagazin aus München hat er jüngst trotzdem brav behauptet, er selbst wolle keinesfalls mehr vor die Kamera. Aber jedes fantasiebegabte Kind weiß, dass immer mal der Fall der Fälle eintritt.
Schließlich läuft die „Sportschau“ doch im Märchensender Nummer eins. HANS HOFF