Ein großes Line-Up und überzeugende Shows auf dem Hurricane-Festival

Scheessel, Eichenring. Radiohead, Massive Attack, Coldplay, Björk: Würde man den Zustand des hiesigen Musik-Biz allein an der Auswahl der Headliner des diesjährigen Hurricane-Festivals messen, es wäre einem gar nicht mehr so mulmig.

Ein paar Wochen vorher hatten Manson, Maiden und Metallica am Ring und im Park jeden Zwischenton ausgelassen, und auch, wenn es nicht die reine Liebe zur Musik ist, die die Macher von Southside- und Hurricane-Festivals dieses Line-up hat aufstellen lassen: Dass die vier oben genannten Acts ein großes Publikum zumindest nicht vom Kommen abhalten, zeigt, dass im bös verdorbenen Musikgeschäft: nach wie vor einiges möglich ist und dass das Hurricane/Southside sich im nationalen Festival-Marketing gut platziert hat.

Nun hatte man bei all der Courage natürlich Angst, dass Chris Martin bloß winselt und Thom Yorke sich ganz versperrt, aber so war es nicht; die Headliner am Eichenring waren allesamt durchaus in der Lage, die ihnen übertragene Aufgabe zu erfüllen. Sogar Björk: Mit einer Performance, die weiter nicht von den Statuten des herkömmlichen Mainstream hätte entfernt sein können, verzauberte die Sonderfrau am Samstag auch die Popfans, die hier sonst weghören müssen. Auf der Bühne das bekannte Bild: Björk in albernem Vogelkostüm, links und rechts Harfenfrau, Streicherensemble und drei Elektriker. Das Fundament aus dem Rechner kommt wuchtig, futuristisch-surreal, und die Filme auf der riesigen Leinwand sind mal schön, mal unerträglich intensiv, immer aber kunstsinnig.

Danach wirken die live zum vielköpfigen Kollektiv erweiterten Massive Attack noch rückwärtsgewandter als ohnehin. Del Naja ließ etwa fünf Sänger und eine real existierende Band kommen und zelebrierte seinen TripHop ganz so wie schon auf dem aktuellen Album: als nachgereichte Vollendung.

Am Abend vorher hatten Coldplay all ihre schönen Lieder gesungen und nach einem grau-kalten Tag erstmals ein bisschen Wärme ins niedersächsische Scheeßel gebracht – wer hier allerdings Novize ist und wer der Meister, machten Radiohead am Sonntag klar: unfassbarer Sound, Lieder wie Monumente, eine Intensität, wie sie vor Vierzigtausend eigentlich nicht geht.

Freilich gab es auch anderes zu erleben, darunter viel Gutes: Sigor Rós‘ kleine Nachtmusik im alternativen Zelt; aufwändig inszenierte Flüsterepen von Beth Gibbons & Rustin Man; ein amerikanischer Mindestbeitrag von den Counting Crows, ein atemloses Set der immer kurzweiligen Supergrass, erstaunlich Souveränes von den Berliner Rocksteady-Könnern Seeed. Und nicht so Gutes von den Guano Apes, den Acid-Jazz-Dudlern Moloko, dem Kindergarten The Datsuns und der orientierungslosen Skin im post-orgasmic chill. Beim Zeltabbauen sagte dann ein Kollege, Kettcar und Nada Surf hätten triumphale Konzerte gegeben. Ich gebe das gern weiter.

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