Ein Fuß im Blues
Der impresario bill graham ist auf dem posten, den er immer vor einem Konzert bezieht: Er läuft vor dem Fillmore East herum. Er bellt dem Personal Befehle zu, stößt Drohungen gegen Bettler aus und sorgt dafür, dass die Leute, die schon ein Ticket haben, auch brav in der Schlange stehen bleiben. Aber dies ist kein gewöhnlicher Abend für Grahams „Church of Rock’n’Roll“. Es ist Freitag, der 23. Oktober 1970, der Tag des New-York-Debüts von Derek and the Dominos.
Bis oben hin mit Hormonen und Hasch zugedröhnt warten die haarigen Wombats angespannt und mit einer nervösen Vorfreude, die genauso zum Greifen scheint wie der dichte Qualm auf dem Männerklo. Das Publikum im Fillmore ist ein abgebrühter Haufen und als sehr anspruchsvoll bekannt. Wir wissen, dass der Keyboarder und Sänger der Band, Bobby Whitlock, Bassist Carl Radle und Schlagzeuger Jim Gordon alte Hasen sind, die ihre Meriten in den Studios und Wirtshäusern von Memphis, Tulsa und Los Angeles erworben haben. Und Derek ist -natürlich –Eric Clapton, der Gitarrist, den manche „Gott“ nennen und dessen Lebenslauf Bands enthält wie The Yardbirds, John Mayall and the Bluesbreakers, Cream, Blind Faith und Delaney &Bonnie. Endlich hatte „Gott“ seine eigene Band.
Die Vorgruppen Ballin‘ Jack und Humble Pie werden vom Publikum freundlich aufgenommen, doch warten die Leute auch immer gespannter auf die Headliner. Als Clapton &Co. die Bühne betreten, grölt die Menge, und die Band setzt zu einem überraschend funkigen Groove an. Clapton tritt ans Mikro und singt:“Wisst Ihr nicht, was mit mir nicht stimmt?/ Ich sehe Dinge, die ich nicht sehen will/Schnupfe Sachen, die nicht gut für mich sind/ Ich bewege mich schnell auf den Abgrund zu/Wollt Ihr nicht für mich beten?“
Seine Stimme hat sich weiterentwickelt, selbst in dem kurzen Zeitraum, seit Delaney Bramlett einige Monate zuvor sein Solo-Album „Eric Clapton“ mit ihm produziert hatte. Sie klingt, als hätte er mit Schweinegekröse gegurgelt, so dass er nun eine kraftvolle und dennoch kontrollierte Soul-Stimme besitzt. Das Publikum bekommt „Blues Power“ und „Let It Rain“ zu hören sowie „Presence Of The Lord“ von Blind Faith, „Little Wing“ von Jimi Hendrix und „Crossroads“(das schon Cream von Robert Johnson übernommen hatten). Andere Songs klingen noch nicht vertraut, da das Album „Layla And Other Assorted Love Songs“ erst in einem Monat erscheinen wird, aber die Dominos spielen natürlich wie aus einem Guss, und dann diese Gitarre … Als Clapton das Freddie-King-Cover „Have You Ever Loved A Woman“ anstimmt, drückt das den Autor dieser Zeilen in seinen Sitz. Das hat schon lange nicht mehr nur mit Virtuosität zu tun, das geht viel tiefer, ist viel schmerzhafter -als ob ein Mann auf der Streckbank darum bettelt, aus seiner Agonie erlöst zu werden.
Außenstehende können zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, wie es in Clapton aussehen muss: das Heroin, die verzweifelten Annäherungen an Pattie, die Frau seines Freundes George Harrison. Aber die Geschichten über Drogen und Alkohol würden schon bald veröffentlicht werden; Beispiele groben Unfugs in der Öffentlichkeit kommen hinzu, wie seine rassistischen Ausfälle im Jahr 1976. Ein Rockstar, der mit seinem Ruhm nicht klarkommt -wie es seine Abschiede von den Yardbirds und von Cream, jeweils auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, zeigen -und sich stattdessen einem Imagewandel unterzieht: berüchtigt statt berühmt.
Es war ein steiniger Weg, den Clapton zurückgelegt hat, von ganz unten zurück zur Selbstachtung. Aber alles an diesem gut gekleideten, wortgewandten Engländer, den wir hier in der mahagonigetäfelten Lounge des schicken Hotels Four Seasons in Beverly Hills vor uns haben -43 Jahre nach der Dominos-Epiphanie -lässt einen annehmen, dass er die Strecke erfolgreich bewältigt hat. Trotz Gerüchten über einen asozialen Rockstar treffen wir einen sehr offenen, witzigen und für seine 68 Jahre jugendlich wirkenden Musiker, der sich gern die Zeit nimmt, um mit uns über seine Jugend zu sprechen, seine Einflüsse, seine Karriere, seine bemerkenswerte Wandlung vom Trunkenbold zum Tugendbold. Nachdem er sich noch Ziegenmilch zu seinem Tee bestellt hat, zeigt sich der Mann, der einst den Kult des Lead-Gitarristen in der Rockmusik begründet hat, nur um diesen später wieder zu verleugnen, offen für Fragen.
Gibt es so etwas wie zeitlose Musik?
Ja, davon bin ich überzeugt. Ich erinnere mich, dass ich, als ich in meinen Fünfzigern war und merkte, dass da so ein Generationenwechsel anstand, zu Tower Records ging, als es die noch gab (auf dem Sunset Boulevard). Ich kaufte mir „Natty Dread“ (von Bob Marley) und das erste Album von Traffic; ich kaufte mir alles, was mir einmal viel bedeutet hatte, und als ich die Musik hörte, merkte ich, dass sie zeitlos klang. Und ich dachte: Wow, das ist fantastisch. Es war wie eine Bestätigung für mich, dass meine Maßstäbe richtig sind. Vor allem bei J. J.-Cale-Aufnahmen. Bei denen kann man gar nicht wissen, von wann sie sind. Die könnten aus den Zwanzigern stammen, aus den Dreißigern oder von morgen.
Haben Sie etwas über sich selbst gelernt, als Sie Ihre Autobiografie schrieben („Clapton – Mein Leben“, 2012 bei Fischer)?
Oh ja. Zunächst mal war da meine Angst, dass ich mich falsch erinnere und der nächste, den ich treffe, mir sagt: „Hey, das hast du aber nicht gesagt, und 1975 warst du auch ganz woanders!“ Ich hab das ja mit jemandem zusammen gemacht, der auch die Idee dazu hatte. Unsere Methode sollte darin bestehen, dass er mich interviewt und die Aufnahmen dann transkribiert. Es funktionierte nicht. Wir diskutierten das miteinander, und ich wollte, dass er lieber eine andere Rolle übernimmt, nämlich die eines Moderators, und die Chronologie sollte er auch überprüfen. Am Anfang war es leicht, ihm für alles die Schuld zu geben und zu sagen: „Hey, das hast du aber falsch wiedergegeben.“ Oder: „Nein, da gibst du dem Ganzen einen völlig falschen Anstrich.“ Aber ich bin nun mal auch echt ein Nörgler. In den ersten Entwürfen für das Buch standen Sätze wie „Es war nicht meine Schuld, dass “ oder „als mildernde Umstände muss man anführen, dass “ Ich musste über alles aus moralischer Sicht nachdenken und fragte mich, ob ich das wirklich als mein Vermächtnis hinterlassen und mich wirklich so der Nachwelt präsentieren wollte. Deshalb hab ich es dann noch mal neu geschrieben und alle Verantwortung selbst übernommen. Man kann also sagen, dass es mir geholfen hat, erwachsen zu werden. Und das im Alter von 60 Jahren oder wie alt ich da gerade war.
Lassen Sie uns zu den Anfängen zurückkehren. Als Sie das Lied „Whoopin‘ And Squallin'“ von Sonny Terry und Brownie McGhee in der Sendung „Children’s Favourites“(auf BBC Radio) hörten: Warum machte es damals so einen Eindruck auf Sie?
Mir war sofort klar, dass es dabei nicht um Showbiz ging. Es war kein Pop. Es war etwas, was mit dem Alltag der Menschen zu tun hatte, was in ihren Wohnzimmern spielt, auf den Veranden, im kleinen Kreis mit anderen Menschen. Das wurde dann auch ein Thema, das meine gesamte Jugend bestimmte: die Frage, ob etwas kommerziell ist oder nicht. Ich konnte heraushören, ob Musik aus Liebe zu ihr gemacht wurde oder nur für Geld. Etwas so Extremes zu hören wie das hat wahrscheinlich dabei geholfen, diese Fähigkeit zu entwickeln. Denn das war wirklich extrem. Wenn man mit Sonny Terry und Brownie McGhee ins Büro einer größeren Plattenfirma gegangen wäre und gesagt hätte: „Na, was halten Sie von denen?“, wäre man wahrscheinlich hochkant rausgeflogen. Ein blinder Kerl mit einer Mundharmonika – bist du noch ganz bei Trost? Als ich es im Radio hörte, hatte ich keine Ahnung, was es war. Ich wusste nicht, ob es aus Amerika kam, aus England, Südamerika, Afrika oder aus dem Weltall. Dann hab ich angefangen, es zu studieren, und meine Haltung ab diesem Zeitpunkt war: Wenn du nicht weißt, was das ist, bist du für mich uninteressant. Alles, wofür ich mich interessierte, war: Wo ist es, wo kommt es her, und wie kann ich es finden?
Warum war das so wichtig für Sie? Was war das mit Ihnen und Sonny und Brownie und dem Blues?
Blues ist die einfachste, am leichtesten zugängliche Form, Freude durch das Leiden mitzuteilen, Freude im Unglück zu finden. Das gibt es in der indischen Musik und in der afrikanischen genauso. Ich kann zu Bismillah Khan in gleicher Weise einen Zugang finden wie zu Sonny Terry und Brownie McGhee oder zu Robert Johnson, und das ohne irgendwelche Vorkenntnisse über die Struktur oder das Bezugssystem ihrer Musik oder ihrer Geschichte und Kultur zu haben. Ich habe über die Gründe damals schon genauso nachgedacht, wie ich es heute tue, und denke, dass es wohl etwas mit den Lebensumständen in meiner Kindheit zu tun haben muss.
Hat Ihnen der Blues einen Weg in eine andere Welt gezeigt als die, aus der Sie kamen?
Zuerst ging es nur um den Sound. Danach ging es darum, es zu verarbeiten und herauszufinden, um was es sich, abgesehen davon, was zu hören war, eigentlich handelte. Wer machte es? Wo kam es her? Klar war, dass es von Erwachsenen gemacht wurde. Das war sehr wichtig für mich, denn die Musik, die uns ansonsten vorgesetzt wurde, war die Musik von jungen Männern, zum Teil von Kindern. Heute ist das im Übrigen auch nicht anders, das war immer so in der Popkultur. Deshalb musste ich diese Musik einfach hören, vielleicht weil ich keinen richtigen Vater hatte. Ich suchte überall nach Weisheit und Reife. Was mich zum Blues hinzog, war, dass es immer um einzelne Stimmen ging oder um die kleiner Gruppen von Menschen, die von einem Standpunkt tiefer Weisheit und Reife aus sangen, und das häufig auch noch augenzwinkernd und mit Ironie, etwas, was wir von zu Hause nicht kannten. Da hieß es meistens nur: „Darüber sprechen wir nicht.“ All das hörte ich im Blues. Das war eine Schule, in der ich meinen eigenen Lehrplan schreiben konnte.
Was Sie dann ja auch bekanntermaßen getan haben …
Ja, allerdings. Ich finde es lustig, wenn Leute mich fragen:“Wen hörst du am liebsten?“ Ich sage dann immer, dass die, die ich am liebsten mag, schon tot sind. Mit Robert Johnson konnte ich mich identifizieren, weil er so jung war und dabei gleichzeitig so fortgeschritten in seinem musikalischen Verständnis und seiner Methodik. Muddy Waters war mein eigentlicher Vater. Doch als ich ihn traf und Zeit mit ihm verbrachte -und sogar eine ziemlich lange Zeit -, war ich praktizierender Alkoholiker und konnte gar nicht richtig schätzen, was mir das eigentlich hätte bedeuten müssen. Und dennoch fühlte ich mich geehrt, dass er in mir so etwas wie einen Sohn sah. Er klopfte mir auf den Rücken und gab mir Ratschläge und verhielt sich überhaupt sehr väterlich mir gegenüber. Mehr brauchte es gar nicht. Ich fühlte mich zu Hause angekommen.
Da er offensichtlich auch die Gedanken des Autors lesen kann, hält Clapton inne und überlegt laut, ob die Hintergrundmusik in der Lounge nicht ein Problem für die Aufnahme unseres Gesprächs sein könnte. Er gibt dem Kellner ein Zeichen und fragt ihn höflich, ob es möglich sei, die Musik etwas leiser zu machen. „Aber natürlich, Mr. Clapton“, antwortet der Angesprochene und verschwindet. „Höflich“ ist wahrscheinlich ein Attribut, mit dem Clapton über die Jahre nicht sehr häufig bedacht wurde, aber es gab auch einen Grund für seine augenscheinliche Zurückhaltung.
Der Clapton der 60er-Jahre war ein Star, der direkt aus der Jugend in den Ruhm katapultiert worden war, jedes neue Projekt von ihm wurde begeistert aufgenommen. Dennoch gab es immer auch einen Unterton der Unzufriedenheit. Als ob er in einem dunklen Schrank nach etwas suchen würde, was er wirklich wollte, aber nicht zu finden imstande war. Schließlich währte keines seiner Projekte besonders lange -weder Blind Faith noch Derek and the Dominos brachten es in ihren superkurzen Supernova-Phasen auf mehr als ein
Album. In jenen Tagen vor dem Internet war es den Fans ziemlich egal, was ihre Favoriten antrieb. Abgesehen vielleicht von seltenen längeren Interviews im ROLLING STONE teilten Musiker nicht jedem ihre geheimsten Gedanken mit. Claptons Ruhelosigkeit hatte aber keinen negativen Einfluss auf seine Hingabe. Im Gegenteil, es kam sogar seiner Innovationslust zugute -solange die Innovation mit dem zu tun hatte, was ihn ursprünglich inspiriert hatte.
Es gibt diesen alten Satz: „Jeder bekommt den Blues.“
Ja, aber darüber hinaus gibt es auch die Methodik. Die bekam ich mit, als Sonny Boy Williamson mit den Yardbirds auf Tour ging. Damals dachte ich: Beim Blues geht es um diese 12 Takte, und darüber improvisiert man eben eine Jam-Session. Also das jedenfalls hat mir Sonny Boy Williamson ein für alle Mal ausgetrieben. Er sagte:“Wir spielen jetzt ‚Nine Below Zero'“, und ich dachte: Okay, ich brauche echt nicht zu wissen, worum es dabei geht, es ist ein Blues, fertig. Ich ging davon aus, dass es reicht, mir die Tonart zu merken und das Tempo, und den Rest würde ich mir dann schon zurechtbasteln. Das hab ich dann auch versucht, woraufhin er mir buchstäblich eins überbriet und meinte: „Nein, es fängt so an.“ Dann sang er das Thema, und dann kam noch eine Schlagzeug-Passage. Meine Reaktion war nur: „Ach so, okay, das ist ja ziemlich formal.“
Sie haben mal gesagt, bei den Yardbirds damals hätten Sie einen Drei-Minuten-Song genommen und ihn auf fünf Minuten gestreckt. Bei Cream haben Sie dann „I’m So Glad“ von Skip James genommen und zu einer neunminütigen Improvisation verarbeitet. Die Leute haben Cream damals gehört, wie man eigentlich nur Jazz gehört hat, für Rockmusik war das etwas gänzlich Neues.
Ich bin das nicht mit dem Verstand angegangen, aber ich hatte den Eindruck, wir könnten Material von Skip James oder Robert Johnson oder „Spoonful“ von Howlin‘ Wolf nehmen und als Grundlage benutzen. Davon wollten wir ein paar nehmen und dann extrapolieren. Jack Bruce und Ginger Baker waren Jazzmusiker, da musste ich mir Mühe geben, um mithalten zu können, und hörte mir erst mal Mingus an, Coltrane und Miles Davis und brachte dann den Blues ein. Klar, zunächst arbeitete ich nur mit einer Sammlung von Klischees, mit Blues-Versatzstücken, die einfach auf verschiedene Arten hin-und hergeschoben wurden.
In Ihren besten Momenten gab es bei Cream diese Spannung zwischen Tradition und Innovation.
Die Stärke kam aber immer aus dem Material aus der Vergangenheit, das wir nutzten. Das gab uns diese Authentizität, mit der die Menschen etwas anfangen konnten. Dann haben wir versucht, selbst etwas zu schreiben. Ich liebe Pete Brown, der mit Jack Bruce an den Texten gearbeitet hat, aber ich hatte das Gefühl, dass wir unterwandert wurden, intellektuell unterwandert. Das war okay, aber ich war eben nicht dabei, als die Sachen entstanden, und so hab ich von außen draufgeschaut. Das hat mir auch geholfen, die nötige Distanz zu finden, als es an der Zeit war, aus der Band auszusteigen.
Das „Aussteigen“ hat bei Ihnen immer eine große Rolle gespielt.
Es ist so wahnsinnig schwierig, diese ersten Erfahrungen, die man in einer Band macht, am Leben zu erhalten. Ich weiß wirklich nicht, wie andere das machen, irgendwie ist es nicht mein Ding. Okay, ich stelle mir Bands zusammen und verändere sie über die Jahre, aber das ist ja nicht das Gleiche wie in einer Band zu sein. Aber wenn man sich Gruppen wie The Band anschaut -meine Lieblingsband übrigens, neben Los Lobos -, dann muss es wohl ein Teil des Deals sein, dass man immer wieder über seine Mission diskutiert und sich sagt: Okay, können wir etwas Neues machen? Was gefällt euch jetzt gerade? Da muss man sich wahrscheinlich immer wieder neu kennenlernen, weil man sonst nur auf Vermutungen und Kompromisse angewiesen wäre.
Nach Cream und Blind Faith haben Sie sich mit Delaney &Bonnie um 180 Grad gedreht.
Musikalisch war es eine Rückkehr nach Hause. Was ich durch meine Erfahrung mit Cream gelernt habe, war, dass ich nie wieder lange in einer Band bleiben würde. Bei Cream sah es zunächst anders aus, aber als wir irgendwann alle nicht mehr so gut drauf waren, wusste ich aus vielerlei Gründen, dass ich wahrscheinlich nie wieder lange bei ein und derselben Band bleiben würde. Alle meine Projekte würden nur noch eine begrenzte Mindesthaltbarkeit haben. So viel Spaß wir auch hatten -Blind Faith war für mich deshalb von Anfang an nur als vorübergehende Episode gedacht. Bei Delaney &Bonnie war mir das ebenso klar. Die waren wie eine Familie, und ich war nur ein Untermieter, der wusste, dass es irgendwann Zeit werden würde, wieder auszuziehen. Und so kam es ja schließlich auch. Ich glaube, was ich damit einfach immer vor mir hergeschoben habe, war irgendwann einmal ganz allein da oben zu stehen, auf mich allein gestellt.
Wie hat Delaney Bramlett es geschafft, Sie zum Frontmann zu machen?
Er sagte mir, dass es genau das sei, was ich tun müsse. Delaney war wie ein Medium für irgendetwas. Die Musik strömte einfach durch ihn hindurch -als ob er sie verkündigte. Da gab es diese Sessions, die einfach nie aufhörten, da wurde immer weitergespielt. Es war eine unglaubliche Erfahrung, dort dabei zu sein. Und dann und wann sagte er zu mir Sätze wie: „Und du glaubst wirklich, du könntest auf dem Rücken eines anderen reiten? Den nächsten Schritt musst du selbst machen, und wenn nicht “ Dann würde es Feuer und Schwefel geben?“Wenn nicht, wird’s dir eben weggenommen!“(lacht) Ich fragte ihn, ob er mir dabei helfen wolle, und er produzierte ein Album für mich und -wow, war das großartig! Ich hatte die Crickets dabei, Leon Russell, das war die Band aller Bands, die ich da bekam.
Das führte dann zu Derek and the Dominos, wo einige derselben Musiker spielten. Und wieder mischten Sie Blues, Rock, Soul und sogar Country -und machten daraus etwas komplett Neues.
Es war immer noch so, dass ich da nicht der Bandleader sein wollte -ich wollte immer noch Teil von Delaney & Bonnie sein. Und da hatte ich nun diese Band, und was sollte ich damit machen? Okay, ich benenne sie erst einmal um. Mir gefiel ja immer die Vorstellung, dass die Musik für sich selbst sprechen soll, vergiss die blöden Persönlichkeiten und die blöde Präsentation.
Deshalb mochten Sie auch Sonny und Brownie so sehr.
Genau. Du hörst es einfach, und es bewegt dich. Ganz egal, wer es ist oder wo sie herkommen oder wie sie aussehen. Na ja, genau das hab ich dann auch versucht, und das Album („Layla And Other Assorted Love Songs“) starb einen schnellen Tod. (lacht) Ich steckte in der Klemme. Aber ich hatte nun zumindest eine Idee davon, in welche Richtung ich mich bewegen konnte, und das gab mir Zuversicht. Als wir mit Derek and the Dominos arbeiteten, sind wir auf unserer Tour durch England mit Autos unterwegs gewesen, echt oldschool, und traten in kleinen Clubs auf, vor 200 oder 300 Zuschauern. Die Leute kamen rein und hatten keine Ahnung, wer wir waren. Wenn die Band anfing zu spielen, konnte ich sehen, dass die Leute da direkt voll mit einstiegen. Das gefiel mir, so hätte es immer weitergehen können, dachte ich damals: Auftritte in kleinem Rahmen, großartige Musik und dabei unbekannt bleiben. Für kurze Zeit funktionierte das auch.
Aber irgendwer muss doch gerufen habe: „Mein Gott, das ist ja Eric Clapton!“
Genau, und der Typ neben ihm hätte dann gesagt: „Ach ja? Wer ist das?“(lacht)
Bei den Yardbirds hatten Sie Probleme, weil Sie eigentlich reinen Blues spielen wollten. Nach der Aufnahme von „For Your Love“ verließen Sie die Band. Dennoch haben Sie selbst später auch andere Genres in Ihren Stil integriert. Haben Sie sich verändert?
Um erst auf die Ausgangsfrage zu antworten: Wir haben nie den reinen Blues gespielt. Mit dem größten Respekt für die Jungs muss ich sagen, dass das den Rahmen ihrer Möglichkeiten gesprengt hätte. Wir spielten Abwandlungen des Blues. Ja, wir spielten Stücke wie „Smokestack Lightning“ oder „I Wish You Would“, aber das war doch alles zu Pop gemacht. Diese Songs hatten auch so ausgedehnte Soli, die vor allem eingebaut wurden, um dem Publikum was zu bieten. Das war Theater. Deshalb war ja auch meine Zeit bei den Yardbirds eine, in der ich recht schnell dachte: Okay, hier bin ich auch nur auf der Durchreise. Aber solange die Typen wenigstens der Grundlage der Songs treu bleiben und ich das Riff in „Smokestack Lightning“ spielen kann, soll es mir recht sein. Solange ich in die Stücke was einbringen kann, was mit den Wurzeln des Ganzen zu tun hat, bin ich zufrieden. Erst als sie sich daranmachten, die Wurzel zu nehmen und komplett herauszureißen und wurden wie Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick &Tich -da hatte sich die Sache für mich erledigt.
Dann hörte ich die Yardbirds wieder, als Jeff Beck bei ihnen war, und ich dachte: Das Interessanteste daran ist, was Jeff macht. Die Gitarristen waren immer das Pfund, mit dem die Yardbirds wuchern konnten. Ich wusste nicht, dass ich dieses Gewicht innerhalb der Band hatte, als ich noch bei ihnen war. Als Jeff dazustieß, brachte er seinen Stil ein, und das fand ich sehr spannend. „Heart Full Of Soul“ und „Shapes Of Things“, seine Soli in diesen Songs -wow, dachte ich, wenn er sich dort so wohlfühlt, dann ist er da definitiv besser aufgehoben als ich. Er mochte indische Musik. Und wie Sie es schon sagten, ich ließ irgendwann zu, dass auch andere Musik mich beeinflusste.
Ich hörte das Bulgarian Folk Orchestra und indische Musik und Jazz, und mit den Jahren übte das alles eine große Wirkung auf meine Musik aus. Ich hätte es gar nicht aus ihr heraushalten können, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich hatte irgendwann weniger Vorurteile.
Ihre Soloarbeit nach Derek and the Dominos in den 70er-Jahren war geradezu prädestiniert für das Rock-Radio. „461 Ocean Boulevard“ und „Slowhand“ waren kommerziell und besaßen dennoch Integrität und Musikalität. Sie haben einen Weg gefunden, das alles miteinander zu verbinden.
Ich denke schon, dass es möglich ist, die kommerzielle Schiene zu fahren, also für mich jedenfalls ist das möglich, zumindest solange ich noch eine Verbindung zu den Wurzeln spüre. So war das zum Beispiel bei „Change The World“ (Hitsingle aus dem Jahr 1996 -Red.). Als ich das Demo von Tommy Sims das erste Mal hörte, stellte ich mir direkt vor, wie McCartney es machen würde, und – bei allem Respekt für Paul -ich dachte sofort, ich müsste es irgendwie „schwarz machen“. Deshalb hab ich Babyface gefragt, der -auch wenn ihm das wahrscheinlich gar nicht so bewusst war – daraus einen Blues gemacht hat. Die ersten beiden Melodielinien, die ich am Anfang des Songs auf der akustischen Gitarre spiele, zitiere ich überall, wo ich kann. Sie stammen aus „Mannish Boy“ von Muddy Waters. Bei jedem Album, bei dem ich denke: Hm, das könnte sich ganz gut verkaufen, kann ich eigentlich direkt meine Beiträge an ihn abführen. Also ja, ich denke, ich habe einen Weg gefunden, alles zu verbinden -aber ein Fuß muss im Blues bleiben, auch wenn er manchmal subtil versteckt ist.
Mitte der Achtziger waren Ihre Solo-Alben aufwendiger produziert, zum Beispiel die Arbeit mit Phil Collins. Was halten Sie heute davon, wenn Sie zurückblicken?
Das war damals ja ein ganz bewusster Schritt. Niemand hatte mir eine Pistole an die Schläfe gehalten und mich dazu gezwungen. Unsere erste Aufnahme machten wir, also Phil und ich, auf Montserrat, das war „Behind The Sun“ (1985). Ich wusste, dass Phil eine große Affinität zum Soul hatte. Ich wusste, dass wir die gleiche Sprache sprechen würden. Wir schickten es an Warner Brothers, und die Antwort lautete: „Nee, davon können wir nichts gebrauchen, wir brauchen eine Single.“ Ich sagte: „Okay, was schlagt ihr vor?“ Und dann gaben sie uns Sachen von diesem Songwriter, Jerry Lynn Williams. Und so sehr ich Phil schätze und seinen Zugang zum Blues und zum R&B, muss ich doch sagen, dass das mit den Songs von Jerry noch viel besser passte, und da dachte ich: Okay, wenn das jetzt die Alternative ist, dann bin ich dabei. Und ich liebe die Sachen von damals bis heute.
Für das nächste Album brauchte ich dann eine andere Form der Sicherheit, also holten wir Tom Dowd (den Produzenten von „Layla“) mit ins Boot, um mit Phil zu produzieren. Was ich damals nicht wusste, war, dass Tom in den Achtzigern tatsächlich zum Wonderboy geworden war, der zum Beispiel mit Rod Stewart alles abgeräumt hatte und nun Dauerwellen, lilafarbene Hosen und große Sonnenbrillen trug. Überflüssig zu erwähnen, dass er auch noch nach Synthesizern verrückt war. Deshalb ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass die Alben mit ihm fast wie eine Karikatur dieser Zeit klingen. Mag sein, dass es ein Schritt in die falsche Richtung war, aber ich mag sie trotzdem noch sehr.
Der kellner erscheint und fragt „Mr. Clapton“, ob er noch eine zweite Tasse Tee möchte. Er lehnt ab, als ob selbst diese Minimal-Sünden sich zu einem Verstoß gegen die Enthaltsamkeitsregeln addieren würden, die er sich in den Jahrzehnten seines Spätwerks auferlegt hat.
So war es natürlich nicht immer. Verglichen mit ihren Zeitgenossen um die Wende von den 60erzu den 70er-Jahren waren etwa die Dominos bekannt für ihren gewaltigen Appetit auf alles, was sich schlucken, rauchen und spritzen lässt. Bobby Whitlock überlebte es, Carl Radle nicht. Jim Gordon war schizophren und benutzte sein verrücktes Gehirn als Experimentierstube für Medikamenten-Selbstversuche. 1983 tötete er seine Mutter mit einem Hammer und sitzt seitdem im Gefängnis.
Clapton rang seine musikalischen Erfolge seinen Abhängigkeiten ab. Als er bei George Harrisons „Concert for Bangladesh“ spielte, kippte er um, verlor das Bewusstsein, musste wiederbelebt werden und brachte den Gig zu Ende. 1974 trug das Werben um Pattie endlich Früchte, und 1979 heirateten sie, doch der Alkohol war immer der Dritte im Ehebunde. Irgendwann erreichte er die Talsohle -er erzählt, dass er endlich den Weckruf vernahm, als er betrunken im Wey, einem Nebenfluss der Themse, angeln gehen wollte, und bevor er überhaupt damit beginnen konnte, ausrutschte und eine der Angeln zu Bruch ging. 1987 suchte er sich dann Hilfe. Aber zur Nüchternheit gehört mehr als nur Abstinenz; Clapton beschreibt einen faszinierenden und noch immer andauernden Prozess, der tief in sein Leben und seine Arbeit hineinwirkt.
Seit 1987 rühren Sie nun keinen Alkohol mehr an. Wurde dieser Prozess durch die Musik eher erleichtert oder erschwert?
Kurt Vonnegut hat einmal gesagt, die Existenz Gottes werde dadurch bewiesen, dass es Musik gibt. Ich fand immer, dass das eine schöne Art ist, dies zu erklären. Mir ist klar geworden, dass es wichtiger für mich ist, Musik zu hören, als sie selbst zu machen. Ich könnte mich vom Spielen zurückziehen, aber ich könnte niemals ohne Musik leben. Musik hat mir in vielen Situationen das Leben gerettet. Sie hielt mich vom Untergang ab, hielt mich über Wasser, war meine Nahrung. Sie hat mir so viel gegeben. Aber als ich mit dem Trinken aufhörte, fand ich heraus, dass ich darüber zuvor einer gewaltigen Täuschung aufgesessen war. Ich hatte immer gedacht, dass ich Alkohol oder Drogen brauche, um überhaupt spielen zu können.
Erst später, als ich nicht mehr trank, geschah es, dass ich mich an die Zeit zurückerinnern konnte, als ich Gitarre spielen lernte, als ich mich damals so auf einer Wellenlänge mit dem Blues fühlte und versuchte, mehr Aufnahmen von Freddie King zu finden, weil ich wissen wollte, was für Soli er noch so gespielt hat. Das war alles bevor ich mit dem Trinken anfing.
Wie also sind Sie diese Idee losgeworden, Sie bräuchten Drogen, um spielen zu können?
Na ja, diese Entscheidung drängte sich mir ab einem bestimmten Punkt geradezu auf. Die Frage war dann einfach: Willst du weiterleben, oder willst du langsam daran sterben, Musik nur noch in dieser illusionslosen Art und Weise zu spielen? Und sobald ich mir diese Alternativen vor Augen führte, sagte ich mir: Ich spiele nicht mehr, ich habe genug von diesem Scheiß -da war ich frei. Und dann kam die Musik in einer Weise zu mir zurück, wie ich es nie zuvor erlebt hatte: Das war jetzt etwas, was ich tun, aber auch lassen konnte. Und ich konnte die Musik hören, wann immer ich wollte, und das gefiel mir. Ich hatte also zum ersten Mal eine echte Wahl, vorher war es immer nur ein Zwang gewesem. Groß war der Unterschied nicht zwischen diesem Zwang und der Abhängigkeit von einer Droge.
Nachdem Sie mit den Drogen aufgehört hatten, erschien das abgespeckte „Unplugged“, später dann die Alben „Riding With The King“, gemeinsam mit B. B. King, und „Me And Mr. Johnson“, Ihre Hommage auf Robert Johnson -alles eine Rückkehr zum Blues. Hatte das etwas mit Ihrem Entzug zu tun?
Nicht bewusst. Es ist schon möglich, dass darin so etwas wie eine späte Selbsterkenntnis lag, eine Akzeptanz, dass ich wahrscheinlich genau dabei bleiben sollte. Als ich noch trank, waren die Entscheidungen, die ich für meine Zukunft traf, über die Richtung, in die ich mich bewegen wollte, meist aus Angst geboren. Ich sagte dann oft zu mir: Wenn ich dies nicht tue, werden die Leute mich vergessen. Oder: Dieses Angebot werde ich vielleicht nie wieder bekommen. Soundtracks für Kinofilme oder einzelne Stücke für Filme sind zwar sehr attraktiv, aber erst als ich nicht mehr trank, war es mir möglich, einfach mal Nein zu sagen, und wenn auch nur um zu schauen, wie sich das anfühlt. Manchmal hab ich sogar Dinge ganz spontan abgelehnt und mich dann hinterher geärgert. Aber wenn man Ja sagt zu einem Projekt, das viel Aufsicht erfordert, braucht man eine Menge Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit, um das zu tun, was man für richtig hält. Bei solchen Projekten gibt es immer vier oder fünf Leute, die zu einem kommen und meinen: „Dies klingt zu sehr nach jenem.“ Oder: „Nein, das ist doch viel zu altmodisch.“
Ein Beispiel hierfür war der Film „Pollock“, den Ed Harris gedreht hat. Harris fragte mich, ob ich eine Version von einem meiner Songs machen könnte, den er über den Abspann legen wollte. Ich sah mir den Film an und fand ihn wunderbar. Über den Abspann hatte Harris „River Of Tears“ gelegt, von meinem Album „Pilgrim“. Er sagte: „Ich liebe diesen Song, und ich möchte, dass Sie diesen Song für den Film einspielen, aber er muss zu der Zeit im Film passen, also müsste er mit einem Kontrabass gemacht werden.“ Ich bin fest davon überzeugt, dass er recht hatte, dass es vom Konzept her falsch gewesen wäre, den Song so zu nehmen, wie er war, eingespielt mit den modernen Instrumenten. Ich sagte aber trotzdem Nein. Es gab zwar ein paar kleine Terminschwierigkeiten, aber vor allem ging es mir dabei darum, mich meiner künstlerischen Integrität zu versichern, Nein sagen zu können. Heute bedauere ich es irgendwie. Ich denke, ich hätte da durchaus was draus machen können. Damals sagte ich zu vielen Leuten Nein, nur um mich selbst Nein sagen zu hören. Vorher hatte ich meist zu allem Ja gesagt und es danach bereut.
Was halten Sie von einigen der jüngeren am Blues interessierten Musiker wie Jack White oder den Black Keys?
Ich bin da irgendwie nicht auf einer Wellenlänge mit denen, ich weiß auch nicht warum. Die sprechen meine Vorstellungskraft nicht an. Es gibt aber ein paar halbjunge Musiker, die mir Mut machen, wie Gary Clark, Jr., Robert Cray und Derek Trucks. Die machen einfache Sachen, die ich gut verstehen kann. In England gibt es einen Typen namens Sam Gray, der sehr gut ist -ein junger Soul-Sänger. Es erstaunt mich immer wieder, dass es heute 20-Jährige gibt, die wie Sam Cooke sein wollen. Bei Mark Ronson ist das jedenfalls so. Die Soul-Kultur war in England schon immer von großer Bedeutung, selbst David Gray geht bei mir als Soul-Sänger durch. Was mit den anderen ist, weiß ich nicht. Es muss etwas mit diesem Led-Zeppelin-Ding zu tun haben, an dem die sich noch immer orientieren. Für mich sind das nur irgendwelche leeren Konzepte und Modeerscheinungen.
Da wir gerade davon sprechen: Sie sind ja kein großer Fan von Led Zeppelin. Warum eigentlich nicht?
Ich konnte noch nie etwas mit diesem hohen Gesang anfangen. Aber davon abgesehen gefiel mir wenig an der Musik. Es war aber noch nie leicht, mich von dieser, nennen wir es: politischen Dimension zu befreien, die es hatte, dass Cream sich auflöste und dann Led Zeppelin auf der Bildfläche erschien. Ich verließ Cream, um genau diesen Aspekt der Musik auseinanderzunehmen. Ich dachte damals, dass ich so viel Macht hätte, dass ich diese Musik würde verschwinden lassen können, nur dadurch, dass ich Cream verließ. Aber natürlich bleibt solcher Größenwahn nicht unbestraft.
Ich wollte damals, dass sämtliche Musik nur noch klingt wie The Band.
Wenn Sie zurückblicken, gibt es da Blues-Songs, die Sie hörten und dachten: Die singen ja über mein Leben -über mich.
Was mir da als Erstes einfällt, ist „Goin‘ Down Slow“, und was ich auch oft singe, ist „Driftin‘ Blues“, der alte Charles-Brown-Song. Der fasst alles zusammen. „Come Back, Baby“ ist noch einer, der mir einfällt -Snooks Eaglin hat den gesungen und Ray Charles auch. Die ironische Seite daran ist, dass ich mich schon als ich 18 war mit Songtexten identifizieren konnte, nach dem Motto: Falls ich nie wieder auf die Beine kommen sollte -ich habe meinen Spaß gehabt. Also die ganze Aufgeblasenheit, die darin liegt, als unreifer, unerfahrener Junge Songs alter Männer zu singen. Und genau deshalb macht es mir ja auch überhaupt nichts aus, alt zu werden, weil ich jetzt in dem Alter bin, in dem ich diese Songs mit einiger Würde singen kann, sie repräsentieren mich.
Sie sind also nun endlich ein alter Blues-Mann.
Genau! (lacht)
Nachdem er mehr Zeit für das Interview aufgewendet hat, als er es eigentlich beabsichtigt hatte, ist es Zeit für Clapton, sich zu verabschieden. Er ist in Los Angeles, um für weitere Live-Auftritte zu proben, und seine Band wartet auf ihn. „Danke“, sagt er nur, springt auf und bewegt sich schnell in Richtung Tür, als er sich plötzlich umdreht. „Haben wir eigentlich die Rechnung schon bekommen?“, fragt er mich, offenkundig besorgt darüber, wer für seine eine Tasse Tee und meine Tasse Kaffee aufkommt. Ich versichere ihm, dass ich mich darum kümmern werde, und frage mich, ob der Mann, der in den Siebzigern „Slowhand“ genannt wurde, ähnlich aufmerksam gewesen wäre. Diese frühere Version seiner selbst hält Eric Clapton mit, wie er es ausdrückt:“ein paar Gebeten und täglicher Meditation“ unter Kontrolle. Wie der Blues: einfach, aber es funktioniert.