Ein bisschen Glück
Beim Blick auf seine bisherige Karriere ist Lloyd Cole zufriedener als erwartet.
Es begann, wie so viele Geschichten heutzutage, im Internet. Lloyd Cole stellte fest, dass auf seiner Website ständig nach Songs gefragt wird, die nicht mehr erhältlich sind. Da müsste sich doch etwas machen lassen! Aber die Zusammenarbeit zwischen dem Songschreiber und seinen stetig wechselnden Plattenfirmen war immer kompliziert, und so konnte ihm die, die er gerade verlassen hatte, nicht helfen. „Polygram wollte die Songs einfach auf iTunes schieben“, schnaubt Cole — das war nicht seine Vorstellung von „erhältlich“. Er wandte sich an das kleine deutsche Label Tapete, dann begann die Arbeit.
Seit 1990, nachdem er sich von den Commotions verabschiedet hatte, hat er acht Solo-Alben veröffentlicht. Viele Stücke fielen dabei durchs Raster und landeten – fertig aufgenommen und gemischt – in großen Kassetten-Kisten. Oder auf B-Seiten und Tribute-Alben. 59 solcher Songs befinden sich nun auf dem Box-Set „Cleaning Out The Ashtrays“. Und der notorisch unzufriedene Cole ist ausnahmsweise begeistert. „Ich bin froh, dass ich nur zwei der 59 Songs nicht mag! Vieles davon hatte ich lange nicht mehr gehört — und war überrascht, wie gut einiges ist. Das meiste landete ja nicht im Ausschuss-Papierkorb, weil es schlecht war, sondern weil es nicht auf eine bestimmte Platte passte. Ich versuche immer noch, Alben zu machen, nicht nur einen Haufen Songs, wie auf einer x-beliebigen Playlist. Es ist frustrierend, wenn ein bestimmtes Lied— wie .Claire Fontaine‘ bei ‚Music Im A Foreign Language‘ nicht zu den anderen Stücken passt und wegfallen muss, obwohl es vielleicht das beste von allen ist. Aber ich bin nicht allein mit diesem Problem — ich weiß, dass Bruce Springsteen ‚Point Blank‘ jahrelang rumliegen hatte, bis er es endlich auf ,The River‘ packen konnte.“
Ein Jahr lang hat Lloyd Cole alles zusammengesucht und bearbeitet, dann die Liner Notes dazu geschrieben — die mit ihrer Mischung aus Scharfblick und Spott das Bild einer durchwachsenen Karriere zeichnen. Er macht sich inzwischen schon Sorgen, dass er alles vielleicht ein bisschen zu finster dargestellt hat. Nur die Jahre 1994/95 bezeichnet er nun als „wirklich deprimierend“, weil er damals angesichts der dümpelnden Plattenverkäufe finanzielle Not litt und ein wenig in Panik geriet. Trotzdem will er heute mal nicht ins allgemeine Lamento über die böse Musikindustrie einstimmen: „Mit den Commotions hatte ich extrem viel Glück, bei meiner Solokarriere oft großes Pech. So gleicht sich das aus. Plattenfirmen wollen Geld machen, man selbst will Musik machen. Das smd keine Kunstmäzene, das muss man wissen. Dann kann man damit leben.“
Momentan lacht er lieber über die Unfähigkeit mancher Geschäftspartner. Die letzte Compilation, die ihm zu Ehren erschien, hieß ausgerechnet „The Singles“ – laut Cole ein komplett unsinniger Titel: „Sie haben immer noch nicht kapiert, dass ich kein Singles-Künstler bin. Dabei habe ich doch jahrelang konsequent versagt, was den Singles-Markt betrifft! Man sollte meinen, sie hätten etwas daraus gelernt. Irgendwann werde ich ein echtes Best-Of meiner Musik veröffentlichen.“
Aber zunächst hat er andere Pläne. Er hat schon einige Songs für ein neues Album geschrieben, weiß aber noch nicht genau, in welche Richtung es gehen soll. Einerseits möchte er gern wieder eine Band zusammenstellen und also etwas kraftvoller zu Werke gehen, andererseits hat er gerade eine „Roy-Orbison-Phase“.
Seit zwei Jahren bastelt er an einem Stück mit dem schönen Namen „The Flip Side To That Gentle Melancholy Feeling“ herum, kann sich aber nicht richtig auf die neuen Ideen konzentrieren, weil er jetzt auch noch zwei Live-Alben veröffentlichen möchte. „Wir nennen es ‚The Follpinger Series‘. Das sind eher Dokumente als richtige Alben – sie sollen zeigen, wie meine Show heutzutage aussieht. Damit bin ich gut beschäftigt, zu viel auf einmal kann ich nicht machen.“ Er seufzt tief. „Oft fällt es mir leichter, auf Tour Songs fertigzustellen als zu Hause. Da bin ich immer so abgelenkt. Wahrscheinlich bin ich schon zu einem dieser Klischee-Songschreiber geworden, die in einen abgelegenen Schuppen ziehen müssen, um kreativ zu sein.“