Eels live in Berlin – Der Schrat lässt sich umarmen
Es geht ihm sichtlich besser nach all der Liebespein – Mark Oliver Everett erzählte gestern Abend (24.6.) im Berliner Tempodrom seine „Cautionary Tales“ und glänzte einmal mehr als fabelhafter Entertainer
Mit weit ausgebreiteten Armen und im edlen Zwirn empfängt Mark Oliver Everett sichtlich gut gelaunt sein Berliner Publikum. Es ist die Geste eines Mannes, der seine Fans umarmen und verwöhnen will. Zuletzt hatten die Eels vor etwas mehr als einem Jahr ein Gastspiel im Tempodrom gegeben und dabei in Adidas-Trainingsanzügen wüsten, süffigen Blues-Rock gespielt.
So kündigt der Sänger sicherheitshalber auch nach einer hinreißenden Einleitung mit dem Instrumental „Where I’m At“ vom neuen Album „The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett“ an, dass es nach dem Fun-Trip bei der letzten Tour in den nächsten Stunden ganz sanft werden würde. Spaß werde man aber trotzdem haben, droht der Sänger lachend an, und überrascht mit einer zärtlichen Cover-Version von „When You Wish Upon A Star“ von Leigh Harline. Später mimt er sogar Elvis und gibt ganz ohne Ironie und voller Herzblut „Can’t Help Falling In Love“ zum Besten.
Damit ist das Programm für dieses Gastspiel gesetzt: Ein Meer von Glühlampen (wo hat man die denn noch ausgekramt?) taucht die Bühne in flirrendes Licht; berückende, zurückgenommene Variationen von Balladen wie „Mansions Of Los Feliz“, „Parallels“ und „A Line In The Dirt“ dominieren. Die Songs der neuen empfindsamen LP fügen sich dazu nahtlos ein: „Where I’m From“ wird mit Trompete und Glockenspiel dahin gehaucht, „Mistakes Of My Youth“ dürfte mit seiner anschmiegsamen Melodie zu einem Konzertklassiker der Band werden. Überhaupt wagt man sich mit großem Enthusiasmus an herrliche Neuvariationen von Eels-Evergreens wie „I like Birds“, „My Beloved Monster“ (in der mindestens zehnten Spielart seit dem ersten Bühneneinsatz) und „It’s A Motherfucker“. Dabei gerät „Fresh Feeling“ in einer in der Tat aufgefrischten Soft-Rock-Variation zum ersten Höhepunkt des Abends. Die alten Band-Bekannten Knuckles, The Chet und Krazy Al – dem Anlass entsprechend ebenso in eleganter Robe – unterstützen nicht nur mit multiinstrumentellem Ganzkörpereinsatz, sondern veredeln das Repertoire mit kraftvollem Chorgesang.
Man will seinen Augen nicht trauen, aber der melancholische Eremit tritt nach der Hälfte des Sets tatsächlich ins Publikum, um sich einige Umarmungen abzuholen. Immer wieder wendet er sich an seine Zuhörer, spricht sie kautzig mit „mein Schatzi“ an, wie ja bei jedem Konzert im deutschsprachigen Raum. Hier steht eben auch ein Entertainer reinsten Wassers auf der Bühne. Und: Seine Songs sind optimistischer denn je, auch wenn es immer noch schwer fallen will, den bitteren Momenten in Everetts Lyrics auszuweichen. Aber um es leichter zu machen, gibt E mit lässigem Witz den Sinatra und feuert seine musikalischen Gefolgsleute ein ums andere Mal an, noch eine weitere Song-Preziose herauszuhauen. Und als wäre das alles nicht genug, schließt der Mann, der in nur wenigen Monaten auf tragische Weise seine ganze Familie verloren hat, mit dem Journey-Hit „Don’t Stop Believin'“. Ja, es geht ihm besser – und seine Auftritte werden mit keinem Mal schlechter.