Ed-Sheeran-Doku „Songwriter“ auf der Berlinale: Genie unter Hipstern
Murray Cummings, ein Cousin von Weltstar Ed Sheeran, präsentiert den Sänger in seinem Dokumentarfilm als den „Songwriter“ schlechthin und lässt die Zuschauer an der Entstehung seines letzten Albums „Divide“ teilhaben.
Man hört die Fans noch singen, während Ed Sheeran schon durch die Katakomben des Stadions geht, in dem er gerade noch ein Konzert gegeben hat. Nur wenige Stunden später sitzt Sheeran im Tourbus neben seinem Freund, dem amerikanischen Produzenten Benny Blanco, und grübelt über den ersten Song für sein neues Album. Mit der Gitarre in der Hand spielt er erste melodische Bruchstücke, die sich über das Brummen des fahrenden Tourbusses legen. Aus dem genuschelten Buchstabensalat, den er darüberlegt, entstehen nach und nach erste Textzeilen. Am Ende steht mit „Love Yourself“ ein Song, den er selbst gar nicht performen, sondern an Justin Bieber abtreten wird.
Bieber ist beileibe nicht der einzige, für den Sheeran Songs geschrieben hat. Für das US-Elektroprojekt Major Lazer schrieb er „Cold Water“, der Londoner Band Rudimental „Lay it all on me“ und der britischen Singer-Songwriterin Jessie Ware „Say You Love me“. Der britisch-irischen Boyband One Direction überließ er den Song „Little Thing“« und für die britische R&B-Band Rixton hat er „Hotel Ceiling“ getextet.
Murray Cummings präsentiert seinen berühmten Cousin gleich in den ersten Szenen als den Songwriter, als den er ihn in Szene setzen will. Der Sänger Ed Sheeran tritt erst später in Erscheinung. Als mehrfacher Grammy-Gewinner und meistgestreamter Sänger auf Spotify im vergangenen Jahr kann er den aber natürlich nicht ignorieren. Die Aufnahmen beginnen mit der Tournee zu Sheerans zweitem Album „X“, von dem Sheeran weltweit über zehn Millionen Exemplare verkauft hat, und begleiten infolge die Entstehung des aktuellen Albums „Divide“.
Hier wirkt der Film wie ein Indie-Movie, wenn er in warmen Farben dem britischen Rotschopf und den um ihn herum versammelten Hipstern in Kalifornien, New York, auf dem Transatlantik-Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2, in Großbritannien und Irland beim Songschreiben zusieht. Neben Benny Blanco, der u.a. mit Lana Del Ray, Katy Perry und Rihanna zusammengearbeitet hat, sind das der irische Produzent und Songwriter Johnny McDaid (Autor von „Shape of You“), die britische Songwriterin Amy Wadge (Autorin von „Thinking out Loud“), der nordirische Sänger Foy Vance und die Amerikanerin Julia Michaels. Selbst Ed Sheerans Bruder Matthew, der als Komponist aktiv ist, wird bei Aufnahmen in den legendären Abbey Road Studios aktiv.
Für Sheerans Erfolg ist die Zusammenarbeit mit wechselnden Künstlern zentral, wie der Film deutlich macht. Er saugt den Input seiner Partner auf, fügt eigene Impulse hinzu und nähert sich so step by step dem perfekten Song an. Als er die intensiven Arbeiten mit einem guten Dutzend Künstlern an „Galway Girl“ abschließt, jubelt er passend „Teamwork makes the dream work“.
Songwriter macht vor allem deutlich, mit wie viel Freude Sheeran bei der Arbeit ist. Verzweiflung scheint er nicht zu kennen. Geht es bei einem Song mal nicht vorwärts, legt er ihn einfach zur Seite und stürzt sich auf den nächsten. Oder er konsultiert einen seiner Freunde und fragt nach Ideen. Faszinierend, wie man diesem Genie dabei zusehen kann, wie er aus dem Nichts binnen Stunden einen neuen Song zaubert. Eine der eindrucksvollsten Sequenzen im Film zeigt die Aufnahmen in einem Haus abseits von Los Angeles, wo sich Sheeran mit den oben genannten Freunden für einige Wochen zurückgezogen und parallel an mehreren Songs geschrieben hat. Wie bei einer Gameshow sieht man ihn da von einem Partner zum nächsten wechseln, um in Etappen die Songs für sein neues Album zu schreiben. Man muss zugeben, dass das verdammt gut funktioniert.