Echo-Preisträger Campino: „Bei Antisemitismus ist die Grenze überschritten“

Auf der „Echo“-Bühne nutzte Toten-Hosen-Sänger Campino die Gelegenheit, sich gegen die umstrittenen Nominierten Kollegah und Farid Bang auszusprechen. Kollegah konterte kurz darauf.

Bei der „Echo“-Verleihung hat sich Campino gegen die nominierten Rapper Kollegah und Farid Bang ausgesprochen. Seine Dankesrede (Die Toten Hosen gewannen in der Kategorie „Rock National“) nutzte der Sänger dafür, seine Bedenken kundzutun. „Man muss unterscheiden“, sagte er, „zwischen Provokation als Stilmittel und Provokation um andere auszugrenzen. Und die Grenze ist überschritten, wenn es sexistisch ist, homophob, rechtsextrem, antisemitisch“.

Update: Kollegah und Farid Bang haben einen „Echo“ erhalten und schießen auf der Bühne zurück: Campino sei „stillos“ und spiele sich als „moralische Instanz“ auf. Beide Rapper werden ausgebuht

Damit kritisierte Campino die zwei Rapper, die in ihren Liedern Gewalt verherrlichen und in ihrem nominierten Song „0815“ mit der Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsasssen“ empörten.

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Seine vierminütige Rede las Campino vor erstaunlich stillem Publikum vom Blatt ab, namentlich erwähnte er Kollegah und Farid Bang nicht. Zumindest erntete der Sänger im Anschluss Applaus.

„Ich möchte ein paar Sachen loswerden“, mit diesen Worten fing er an. „Wer boykottiert, kann nicht mehr diskutieren. Dann überlässt man das Feld denen, die sich als Opfer darstellen, obwohl es ihnen nicht zusteht.“

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Auch die Toten Hosen, so Campino, hätten mit Tabubrüchen gearbeitet. Doch Grenzen können auch überschritten werden. „Es geht um einen Geist, der überall präsent ist. In den sozialen Medien, in der Politik. Und die Grenze ist überschritten, wenn es sexistisch ist, homophob, rechtsextrem, antisemitisch“.

Verbote und Zensur können nicht die Lösung sein – die Debatte müsse weitergehen.

Kollegah schießt zurück

Kollegah

Kollegah und Farid Bang verfolgten Campinos Rede vom Gala-Tisch aus. Ihnen wurde das Mikro gereicht, Kollegah gestikulierte zuvor bereits wild. Dann sagte der Rapper: „Ich will einen schönen Abend hier haben. Wer etwas besprechen will, der kann das bei der Aftershow tun.“

Campino, der längst wieder an seinem eigenen Tisch Platz genommen hatte, hörte sich das mit unbewegter Miene an.

https://youtu.be/nguQ-YH-lJQ

Die Reden Campinos und Kollegahs im Wortlaut (Abschrift von „Musikexpress“):

Campino

„Ich habe mir viele Gedanken gemacht angesichts des Streits um ein Lied. Ob es sinnvoll ist, überhaupt hier hinzukommen. Der einfachste Weg wäre: Man entzieht sich der Situation, bleibt Zuhause. Ich persönlich glaube aber: Wer boykottiert, kann nicht mehr diskutieren. Wer nicht mehr diskutiert, überlässt das Feld den anderen. (…) Ich mache mit den Toten Hosen seit über 30 Jahren Musik. Ich bin ein bisschen vom Fach. Das Stück über das sich alle streiten, kommt aus dem Battle Rap, wo es darum geht, sich gegenseitig zu toppen. Wenn man das bedenkt, relativiert sich alles. Wir sollten keinen tieferen Sinn suchen, wo es keinen Sinn gibt. (…) Im Prinzip halte ich Provokation für gut und richtig. Aus ihr heraus können verdammt gute Sachen entstehen. (…) Wenn Provokation aber eine frauenfeindliche, homophobe, rechtsextreme oder antisemitische Form annimmt, wird eine Grenze überschritten. (…) Ich bin nicht die Bundesprüfstelle und auch nicht die Ethikkommission. Aber ich spreche für alle, die so denken wie ich: Verbote und Zensur sind nicht die Lösung. Ich hoffe, dass wir durch solche Auseinandersetzungen zu einem anderen Bewusstsein finden, was noch erträglich ist und was nicht.“

Kollegah:

„Ich habe ein kleines Schulreferat vorbereitet und wollte was zur Debatte sagen. Nachdem der Ethikausschuss darüber entschieden hat, sich dann noch als Künstler, der aus derselben Stadt kommt wie wir, als moralische Instanz aufzuspielen und uns an den Pranger zu stellen ist stillos, und gebührt so einem großen Musiker wie Campino nicht. Aber: Als Zeichen des Friedens habe ich als Künstler die Zeit genutzt und ein schönes Portrait gezeichnet, das ich zu einem guten Zweck versteigern werde.“

Marc Pfitzenreuter Redferns via Getty Images
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