Eben unersetzlich – Auf „Romantik“, dem neuen Album von Element of Crime, hat Sven Regener die hohe Kunst des Liebesliedes perfektioniert
Sven Regener hat es geschafft. Hat seine erste Lesung im Hamburger „Schlachthof abgehalten, die Leute haben gelacht, manche haben sogar seinen Roman „Herr Lehmann“ gekauft. Die meisten kannten ihn schon. Herrn Lehmann, und Herrn Regener sowieso. Die Grenzen sind fließend, auch wenn der Autor behauptet, es gäbe „wenig Parallelen“ zwischen ihm und Lehmann, abgesehen vom Alter und dem Wohnort Berlin.
Vor allem kennt man Regener als Sänger, Texter und Sprecher von Element Of Crime. In der Funktion fühlt er sich wohler, als Literat ist er noch unsicher. „Ich war nie bei Lesungen, und Musik ist schon die bessere Show. Aber ich war überrascht, wie lustig es war.“ Erstaunt haben ihn auch all die positiven Kritiken zu „Herr Lehmann“. Eine „ziemlich fette Sache“ nennt Regener das, aber aufregen wird er sich deshalb nicht. Er wird einfach weitermachen, und zwar erst mal mit Element Of Crime. „Romantik“ heißt deren neues Album. Über den plakativen Titel muss Regener selbst lachen. „Unser Tourmanager sagt immer, wenn es um die Aufteilung von Doppelzimmern geht, die wir auf Tournee ja auch manchmal haben: Wer macht denn heute mit wem Romantik? Man darf Plattentitel nicht zu ernst nehmen.“ Im Grunde hätten Element Of Crime jedes ihrer Alben ,Romantik“ nennen können, aber dieses ist vielleicht noch ein bisschen mehr von dem bestimmt, was für Regener das „Alpha und Omega von Musik“ ist: „Man kann auch andere Sachen machen, aber Liebeslieder sind das Wesentliche. Wenn nicht ein paar gescheite Liebeslieder abfallen, hat es eigentlich keinen Sinn. So sehe ich das, da bin ich recht konservativ.“
Von der Liebe abgesehen, hat es auch der Herbst dem gebürtigen Bremer angetan. Wer die Jugend in Gummistiefeln verbrachte und Pfützen als seinen natürlichen Lebensraum betrachtete, der hat nun mal eine Affinität zu Wetter- und Wassermetaphern. Es sind allerdings eher die heißen Sommertage, die Regener melancholisch machen, nicht der Herbst Grundsätzlich haben jedoch weder Wetter noch die Stadt, in der er gerade lebt, noch andere Lebensumstände viel mit seinen Songs zu tun. Verbindungen zwischen Texten und seinem echten Leben lehnt er strikt ab: „Wenn ich unglücklich verliebt bin, habe ich nun wirklich keinen Bock, Songs zu schreiben.“ So mag man vergeblich nach autobiografischen Stoffen suchen, findet dafür aber ausgesprochen originelle Charaktere – wie den Schwätzer, der sich in »Alle vier Minuten“ über falsche Begrifflichkeiten beim Berliner Nahverkehr echauffiert. Den Song hat Regener noch im Studio geschrieben: ‚Ich mag Quatsch, ich finde das wichtig. Quatsch, Zeit vertrödeln und Unsinn reden sind mit die wichtigsten Dinge im Leben.“
Dann lacht er über die eigenen Zeilen und gibt etwas überraschend zu: „Ich halte das Text-Thema bei Element Of Crime für überschätzt. Das, was einem das Lied sagt, ist immer sehr viel mehr als der Text. Ich finde gar nicht, dass man Texte abdrucken sollte, gelesen sind sie nur halb so viel wert. Die Verzahnung von Text und Musik ist entscheidend.“ Seinetwegen kann man die Lieder auch nur beim Bügeln hören, ohne überhaupt auf die Warte zu achten. „Ich glaube an den alten Spruch von Billy Wilder: Wenn du eine Botschaft hast, schick ein Telegramm!“
Hört man heute noch einmal „Damals hinterm Mond“ oder „Weißes Papier“ – und das sollte man auf jeden Fall immer wieder tun -, dann fällt im direkten Vergleich doch auf, wie sehr sich der Gesang verändert hat. Das Theatralische ist fast ganz verschwunden, die Verse klingen ungekünstelter, ohne an Ausdruck zu verlieren. Das scheinbar Einfache ist das Ergebnis eines langen Prozesses: „Über die Jahre und die Gigs habe ich angefangen zu erkennen, dass man, wenn ein Lied wirklich gut ist, es einfach singen sollte, ohne großen Kokolores zu machen.“
Mit den Jahren kam auch die Erkenntnis, dass kein Vergleich, der auf die Musik der Elements angewendet wird, je richtig greifen wird. Chansons? Eben nicht mehr theatralisch genug, trotz Orchester und all dem. Zu deutsch doch. Rockmusik? Zu eng. Rockmusik kennt keine Trompeten, und Titel wie „Narzissen und Kakteen“ auch nicht. Sven Regener hat sich damit abgefunden, dass seine Band alleine steht:
„Die Leute können sowas, wenn sie es wollen, nur bei uns kriegen. Eine Element Of Crime-Platte lässt sich nicht ersetzen durch irgendeine andere.“
Im Radio hat die einzigartige Musik dafür leider kaum Platz, und mit dem Thema Videos hat Regener längst abgeschlossen:,,Kunstform – so’n Quatsch. Ich habe keinen Bock, mich in einem Werbefilmchen zu sehen oder irgendwelche doofen Comicfiguren rumlaufen zu lassen oder so’n Scheiß.“ Jetzt redet er sich in Rage und wird immer lauter, aber da klingelt sein Handy dazwischen, die Schwester ist dran. Wenig später ruft auch noch die Mutter an. Natürlich besucht er sie, bevor er in Bremen die nächste Lesung hält. Aber zurück zu Element Of Crime. „Wir sind eigentlich eine sehr populäre Band, die trotzdem kaum ein Schwein kennt. Wenn man sich das mal überlegt! Wir sind die bekannteste unbekannte Band der Welt. Oder die unbekannteste bekannte.“
Ohne den Erfolg, das konstatiert Regener ohne falschen Idealismus, gäbe es die Gruppe gar nicht mehr. „Man macht das nicht 16 Jahre lang, um sich dauernd einem zugedrehte Rücken anzuschauen.“ Und Geld braucht man schließlich auch gerade, wenn man schon um die 40 ist und Familie hat. Klare Worte: „Die bessere Welt ist Musik, aber die Welt, in der wir leben, ist keine Insel der Glückseligkeit. Rock’n’Roll ist nun mal kapitalistische Musik. Wenn man nichts verkauft, fliegt man raus. Wir sind schon auf die Verkäufe angewiesen. Auch psychisch.“
Für das Cover und die Fotos zu Romantik“ haben sich Element Of Crime eines Tricks bedient: Die Musiker wurden einzeln vor weißem Hintergrund fotografiert und dann in die Kulisse hineinmontiert. Praktisch, denn die Band hasst Fotosessions, und wenn es darum geht, wie man sich am besten darstellt, sind sowieso immer alle anderer Meinung. Überhaupt sind sich die vier selten einig. „Sehr unterschiedliche Typen“ eben, und darum halten sie gerne Distanz, sehen sich manchmal monatelang nicht. Das ist gut so, findet der Sänger, denn mit dieser Strategie hat man immerhin schon 16 Jahre überlebt. Das größte Problem der Elements, stellt Regener abschließend fest, ist gleichzeitig ihr größter Vorteil. „Die Band hat einen sehr, sehr ausgeprägten Stil. Das hat eine gute Seite und eine schlechte. Die schlechte: Der Stil setzt sich immer durch, egal, was man macht. Und die gute Seite ist, dass er sich immer durchsetzt, egal, was man macht Solange man ihn mag, ist man bei uns immer gut aufgehoben. Wir könnten alles Mögliche machen, selbst Speed MetaL, und es würde doch wieder wie Element Of Crime klingen. Man muss keine Angst haben, dass ein Song wie ‚Fallende Blätter‘ plötzlich nach Bata Illic klingt. Das passiert einfach nicht“