DVD von Oliver Hüttmann
Cooler Mumpitz
Rasant, überdreht und erfolgreich: der Meisterdetektiv als Actionheld
Sherlock Holmes HHH Regie: Guy Ritchie
Guy Ritchie galt mal als eines der aufregendsten Regietalente. 1998 führte er sich mit „Bube, Dame, König, GrAs“ als Quentin Tarantino von England ein. Der Humor der Ganovenfarce war makaber, der Schnitt wild, die Gewalt überbordend. So erreicht man Kultstatus. Für seinen fast noch furioser montierten Nachfolgefilm „Snatch“ bekam er schon Brad Pitt. Danach hätte er in Hollywood nach ganz oben kommen können. Aber er machte einen Fehler. Er heiratete Madonna.
Selbstverständlich war es Liebe … Aber Ritchie unterschätzte ihr Ego. Die Pop-Diva dominierte ihn nicht nur in der Ehe, sie domestizierte, ja kastrierte ihn geradezu als Künstler. Der müde Erotik-Spaß „Swept Away“, in dem Madonna sich ein letztes Mal als Schauspielerin zu positionieren versuchte, war 2002 ein Desaster. Im wirren Thriller „Revolver“ von 2005 wimmelt es vor Metaphern aus der Kabbala, Madonnas bevorzugter Religionslehre. Die Ehe war 2008 schon gescheitert, als er „RocknRolla“ drehte. Der Gangsterfilm, mit dem er stilistisch zu seinen Anfängen zurückkehrte, mutete an wie ein Befreiungsschlag. Ein Paukenschlag, der die Karriere noch mal stimuliert, wurde er nicht. In Amerika etwa spielte er keine sechs Millionen Dollar ein.
Dass ihm dennoch das opulente Budget zu „Sherlock Holmes“ anvertraut wurde, überrascht zwar, zahlte sich aber aus: Mehr als 200 Millionen Dollar holte die Neuverfilmung allein in den USA rein. Damit liegt der Blockbuster ganz im Trend, alte Kinohelden und Geschichten zu reanimieren und mit viel digitalem Blendwerk aufzupeppen. Die löchrige Story um Lord Blackwood, der mit schwarzer Magie die Weltherrschaft anstrebt, ist nur mäßig spannender Mumpitz. Der Showdown läuft auf ein monströses Attentat hinaus, wie es schon hundertmal in Actionfilmen gezeigt wurde. Ritchies bekannte Vorliebe für Jump Cuts, zeitliche Brüche und Rückkopplungen wirkt hier affektiert. Und der Boxkampf, in dem Holmes sich seinen Kater aus dem Leib prügeln lässt, ist nahezu identisch mit jenem in „Snatch“.
Ja, der Meisterdetektiv, früher ein eleganter, auch dünkelhafter Gentleman, kombiniert nicht nur, er schlägt sich mit bloßem gestählten Oberkörper wie ein Schweinezüchter und löst den Fall dabei mit CSI-Methoden. Zudem ist er meistens unrasiert und mindestens so missgelaunt wie Dr. House. So ist „Sherlock Holmes“ keine Neuinterpretation eines auf ewig zementiert geglaubten Charakters, sondern ein Flickwerk aus den prägnantesten Bildern heutiger Film- und Fernseherfolge. Dank Robert Downey Jr. erhält Holmes trotzdem und vor allem in den eher ruhigeren Szenen ein sehenswertes Profil. Wie er mit Jude Law als Dr. Watson parliert, ist oft sehr amüsant. Am Ende erwärmt auch der coole Holmes sich für eine Frau, womit das geschickt lancierte Gerücht, der Film enthalte einen schwulen Subtext, aus der Welt wäre. Fortsetzung folgt. (WARNER)
Gesetz der
Rache H1/2
Regie: F. Gary Gray
Zwei Einbrecher ermorden brutal eine Frau und ihre kleine Tochter, der ehrgeizige Staatsanwalt (Jamie Foxx) macht der Karriere wegen mit den Tätern einen fragwürdigen Deal. Dass der Vater und Ehemann (Gerard Butler) ausflippt, ist gerade noch verständlich. Was dann aber folgt, ist selbst für einen typischen Rache-Thriller unglaubwürdiger und übelster Horror. Extras: Audiokommentar, Making-of, Interviews, Features. (HIGHLIGHT/PARAMOUNT)
In The Electric Mist HHH
Regie: Bertrand Tavernier
Ein Cop (Tommy Lee Jones) jagt in den Sümpfen einen Serienkiller und kommt einem 40 Jahre zurückliegenden Verbrechen auf die Spur. Schwüle Atmosphäre, markige Sprüche und skurrile Figuren (John Goodman als Mafia-Boss) verknüpft der französische Regisseur Tavernier zu einem gespenstischen Thriller, der nach dem gleichnamigen Roman von James Lee Burke zugleich den rätselhaften amerikanischen Süden porträtiert. Ohne Extras. (KOCH MEDIA)
Wenn Liebe so einfach wäre HH¿
Regie: Nancy Meyers
Der geschiedene Gatte (Alec Baldwin) ist längst mit einer Jüngeren verheiratet, begehrt aber plötzlich wieder seine Ex-Frau (Meryl Streep), die wiederum mit einem schwärmerischen Architekten (Steve Martin) flirtet. Nancy Meyer („Was Frauen wollen“) variiert noch einmal erschütternd simpel ihr Kitsch-Thema aus „Was das Herz begehrt“ und beweist, dass man erfolgreich aus Teenie-Klamauk auch eine überkandidelte Senioren-Klamotte machen kann. Extras: Audiokommentar, Making- of. (UIP)
Special Edition
Invictus HHH Regie: Clint Eastwood
Clint Eastwood wird 80, und er ist zweifellos eine der markantesten Gestalten, die Hollywood, den amerikanischen Film und das Kino an sich geprägt haben. Geradlinig und schnörkellos wie der maulfaule „Dirty Harry“ ist der fünffache Oscar-Gewinner seinen Weg gegangen. Zudem hält der Mann offenbar Wort: Seit 35 Jahren ist er bei der Filmfirma Warner unter Vertrag. Anlässlich dieser beiden Jubiläen veröffentlicht das Studio 35 seiner Filme, die es vorerst als US-Import auch in einer opulenten Box mit einer Dokumentation des renommierten Filmkritikers Richard Schickel vom „Time Magazine“ gibt.
Die Spätphase seines Schaffens als Regisseur zeichnet sich vor allem durch eine unbeirrbare Suche nach Menschlichkeit aus. Exemplarisch dafür steht das bewegende Sportdrama „Invictus“. Nelson Mandela (Morgan Freeman) ist 1994 zum Präsidenten gewählt geworden, die Apartheid abgeschafft. Die Nation aber bleibt gespalten.
Weil 1995 in Südafrika die Rugby-WM ausgetragen wird, will er ausgerechnet mit dem bei den Schwarzen verhassten weißen Elitekader ein Nationalgefühl stiften. Mandela trifft sich mit Francois Pienaar (Matt Damon), dem Kapitän der Springboks, die zuletzt alle Spiele verloren haben, schüttelt weißen Fans die Hände und impft den Spielern mit seinen weisen Gedanken jenen Willen ein, der ihn einst während seiner Haft überleben ließ.
Wie Regisseur Eastwood hier die großen Momente mit kleinen Gesten verdeutlicht, das macht ihn – auch wenn „Invictus“ sicher nicht zu seinen stärksten Werken zählt – zum großen Erzähler. (WARNER)