Dusty Springfield: Deluxe-Box „Goin‘ Back“ ehrt die große Stimme der 60er
Sie war die Blaupause für Künstlerinnen wie Duffy und Adele: Nun wird Dusty Springfield mit einer großen Deluxe-Box geehrt. Aber "Goin' Back" verschweigt die Niederlagen und Tragödien - findet Rezensent Franz Schöler.
Wenn alles so verlaufen wäre, wie man sich das im Camp von Dusty Springfield und vor allem bei ihrer amerikanischen Plattenfirma Atlantic vorgestellt hatte, wäre 1969 das Jahr von „Dusty In Memphis“ geworden. Bis dahin hatte die Musikpresse in England sie nun schon so oft zur Sängerin des Jahres erklärt, dass die neue LP die erste große Krönung ihres so erfolgreichen Schaffens werden sollte. Das waren elf Hits in Amerika und schlappe 15 daheim, seit sie nach den Folkie-Anfängen mit den Springfields ihre Solo-Karriere begonnen hatte.
Von demselben Team produziert, das Aretha Franklins Aufstieg zur Queen of Soul in die Gänge gebracht hatte, sollten die Aufnahmen mit den Session-Cracks von Chips Momans Studio ein für allemal ihren Ausnahmerang als Sängerin dokumentieren. Aber die Diva vor Ort in Panik, nicht an die dort übliche Live-im-Studio-Praxis gewohnt, streikte. Egal, wie Jerry Wexler argumentierte und die Kollegen auf sie einredeten: Erst als die Backing-Tracks fertig aufgenommen waren, erklärte sie sich bereit, die Gesangsspuren aufzunehmen – im fernen New York! Auch diesen Playback-Job erledigten Wexler, Arif Mardin und Tom Dowd mit souverän professionellem Mixdown. Obwohl auch dann unzufrieden mit den meisten Aufnahmen, weil angeblich nicht absolut perfekt, gab sie die schließlich doch zur Veröffentlichung frei.
Die vier CDs, drei DVDs und die beiden Bücher des „Definitive“-Box Sets dokumentieren vornehmlich die großen Erfolge. Über die Niederlagen und die Tragödie der Sängerin mögen sich weder die Liner Notes noch die zitierten Bekannten und Kollegen – Martha Reeves, Carole King, Burt Bacharach, Annie Lennox und Neil Tennant – näher äußern. Alle Tonaufnahmen und Bilder präsentieren die „öffentliche“, nicht die von Selbstzweifeln und Drogenproblemen gepeinigte „private“ Dusty Springfield. Hits, rare Aufnahmen, BBC-Mitschnitte und Bühnen- und Leinwandauftritte sind über die vier CDs verteilt.
Das absolute Sahneteil aber ist die CD mit den Raritäten. Auf der gibt es zwei faszinierende Remixes von „Going Back“ und „The Look Of Love“, bei denen der Bombast der Originalproduktionen entfernt wurde, um die schiere sängerische Klasse zu Gehör zu bringen. Da man bei diesem ambitionierten Projekt Zugriff auf die Original-Multitracks hatte, versteht sich, dass man größte tonmeisterliche Sorgfalt walten ließ.
Benotung: *****