Du sollst dir kein Bildnis machen: Wie der Deutsche Journalistenverband endlich einen Skandal anprngert
Es ist ja nicht so, dass die vermuffte, eingefallene Visage, zuletzt mit Menjoubärtchen und Hut, nicht zu Tode fotografiert worden wäre. In seiner jüngsten Version von Bob Dylan trägt der Mann wieder Lederjacke und die Haare so offen-zerzaust wie bei „We Are The World“, wo er als Einziger mit unerschütterlich schlechter Laune keinen Zweifel am Unsinn der Aktion ließ. Sein Gesangsbeitrag klang müder und desillusionierter als bei „Knockin‘ On Heaven’s Door“. Die Leichenbittermiene sagte: Ich stehe hier, weil ich nicht anders kann. Was bedeutet mir die Welt? Jeder Mensch ist eine Insel, ich aber bin ein Ozean, und wo zum Teufel liegt überhaupt Afrika?
Kürzlich trat der Mann, der sich Bob Dylan nennt, mal wieder zu Bruce Springsteen auf die Bühne, als der in New York spielte. Es gibt auch ein Foto davon. Bald danach führte die endlose Tounee den Mann nach Deutschland, und hier hat er mächtige Feinde. Der Mann, den beinahe ein Pilz am Herzbeutel getötet hätte, bekam es mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) zu tun, einem Verein, der sonst Anwälte von der Leine lässt, wenn einem Mitglied das Honorar vorenthalten wird. Nun aber ging es ums Prinzip: „Der deutsche Journalisten-Verband ruft alle Journalistinnen und Journalisten zum Boykott der Konzert-Tournee von Bob Dylan auf. Grund ist das strikte Verbot jeglicher Foto- und Filmberichterstattung durch die Tournee-Agentur Peter Rieger in Köln, Wie die Agentur erklärte, wünscht der Künstler keine Fotografen in seinen Konzerten. ‚Die freie Berufsausübung der Bildjournalisten ist wichtiger als die persönliche Befindlichkeit von Bob Dylan'“, sagte ein Hendrik Zörner, Pressesprecher des Clubs.
Da sagte er was! Jene Horde von trübsinnigen, bepackten Gestalten, die zu Beginn eines Konzerts für zwei, drei Songs vor die Bühne latschen, hat also ein Recht auf freie Berufsausübung bei einer geschlossenen Veranstaltung des angeblichen Bob Dylan, der ja längst daheim am Kamin sitzen könnte, wenn er ein j Heim hätte! Sonst werden es morgen wieder die Juden sein! Den Abertausenden von immergleichen, schlechten Bildnissen sollen nun bei jedem Konzert in Deutschland ein paar üble Schnappschüsse hinzugefügt werden, damit die ja leider noch zugelassenen Berichterstatter der Lokalzeitungen und „Tagesthemen“ den nie endenden Salm von der „Legende“, dem „Protestsänger“, der „Ikone der 60er Jahre“, dem „amerikanischen Rockstar“, dem „Vorbild für Generationen“, dem „nasalen Gesang“, dem „Robert Zimmerman“ und dem „alternden Idol“ stammeln können. Dabei ist es immer eine Freude, wie solche Konzertberichte mit wahllos aus dem Archiv gezerrten Fotos aus den mittleren 80er Jahren oder gleich von 1966 illustriert werden. Neben dem unvermeidlichen Hinweis „The times, they are a-changin'“, meistens falsch zitiert, heißt es stets, „Blowin‘ In The Wind“ wurde gespielt oder nicht gespielt, „Highway 61 Revisited“ sei das beste Dylan-Album, „Time Out Of Mind“ oder wahlweise „Love And Theft“ sei das Comeback-Album gewesen, Dylan sei vor dem Papst aufgetreten, Dylan habe einen Motorradunfall gehabt, Dylan sei von Woody Guthrie geprägt worden, Dylan sei oft uninteressiert an den eigenen Auftritten, Dylan zerstöre seine eigenen Songs, Dylan sei in unterschiedlichen Stimmungen, Dylan stamme aus Duluth, Dylan spiele wieder konzentrierter, Dylan sei der beste Dylan seit Jahren, Dylan sei überhaupt der beste Dylan. Ganz Ausgekochte fügen noch die drei, vier Stücke hinzu, die sie erkannt hatten, bevor sie feststellten, dass Dylan-Konzerte auch zu Ende gehen, oft sogar recht bald.
Gegen diese Berufsausübung schreitet der Deutsche Journalisten-Verband leider nicht ein, obwohl so viele unschuldige Leser mit dem scheußlichen Unfug gestraft werden. In den hinteren Reihen labern jene so genannten Dylanologen, die während des Dylan-Vortrags andere so genannte Dylanologen begrüßen, alle rätseln, was die Sphinx wohl wieder spielen wird und vielleicht sogar am Klavier, ob sie das Publikum begrüßt oder nur den Hut lupft, ob sie zwei Schritte zurück geht und zwei nach vorn und ob mal wieder „Desolation Row“ gespielt wird.
Das sind Probleme, Herr Zörner.