Dschungelcamp, Tag acht: Walter träumt vom König, Patricia wird gegangen
Die Identifikation der Zuschauer mit der mittelalten, mittelhübschen und mittelgescheiten Berufstochter Patricia Blanco ist vermutlich sehr schütter. Und Walter bleibt Favorit.
Die Existenzphilosophin Sara, schon vorher als Skeptikerin der menschlichen Natur aufgefallen, sitzt mit Patricia am Lagerfeuer. Patricia fragt: „Hast Du eine beste Freundin?“ – „Ja. Aber ganz ehrlich: Jedesmal, wenn ich einen Freund oder einen Freund gebraucht habe, dann …“ – „War sie da.“ – „Nö.“ – „Ach so.“ Am Dschungeltelefon ergänzt Sara kategorisch: „Wenn die sehen, dass es dir gutgeht, dann sitzen sie wie wie Scheißhausfliegen auf dir drauf – aber wenn‘s dir schlecht geht, dann ist die Kacke alle. Das is‘ so.“ Ihre resignativen Einsichten unterscheiden Sara grundlegend von der Traumtänzerin Larissa, deren Wiedergängerin sie sein sollte: Sie ist eine fatalistische Trümmerfrau – allerdings ohne Tatkraft. Und während Larissa immer die Ahnung einer Utopie von Glück vermittelte, ahnt man bei Sara nur die Mühen des Durchwurschtelns. Ihr Markenkern ist Pessimismus, ihr Lebensmittel ist der schwere Mut, wie Heinz Rudolf Kunze sagen würde.
„Ich hab‘ scheiße geschlafen, ich hab‘ scheiße geträumt, alles Scheiße“, klagt Tanja – und singt und tanzt ausgelassen „Gib mir Sonne“, sehr zum Missvergnügen Saras, die noch geschlummert hatte. „Du stehst neben meinem Bett und singst – das ist ist respektlos“, findet Sara, doch Tanja weiß aus Erfahrung: „Mir kann man nicht lange böse sein.“ Und sie so: „Von Jörn war ich am Anfang voll geflasht – ich dachte, der ist so‘n eingebildeter Schnösel, aber er war total nett.“ Während Sara das Prinzip der Vergeblichkeit verkörpert, ist Tanja der fleischgewordene Optimismus: Nach einer Woche im Camp sieht sie noch strahlender aus und verströmt pralles Leben, keines Zweifels Blässe kränkelt sie an, ja: Erst in der Krise bewährt sich ihr stählerner Frohsinn, mit dem sie sich lange zurückgehalten hat. Niemand fühlt sich so wohl im eigenen Körper und unter Menschen wie Tanja Tischewitsch.
Das Publikum lebt entschieden in der Welt der Gegenwart
Während die larmoyante Angelina nach einer weiteren Prüfung ihren angekündigten Abschied bekannt gibt: „Ich bin körperlich und psychisch am Ende.“ Dazu barmt Damien Rice aus dem Off: „It takes a lot to know a woman …“ Die 22-Jährige (Walter: „Schönes Alter!“) beklagte sich über Benjamin, der „zum Beispiel einer Frau nicht die Tür aufhalten würde“ – was natürlich heißt: Er würde FÜR SIE nicht die Tür aufhalten. Von den Zuschauern wurde Patricia Blanco heimgeschickt, die ebenso vorlaut wie einfältig ihre späte Karriere als Phoenix P. beginnen wollte. Die Identifikation der Zuschauer(innen) mit der mittelalten, mittelhübschen und mittelgescheiten Berufstochter ist vermutlich sehr schütter, und ihr bramsig-vorlautes Bayrisch hat etwas Enervierendes. Mit der Unkenntnis des Begriffs „Hashtag“ zeigte sie sich als antiquierte, ahnungslose Ignorantin – die sie ist. Das Publikum lebt dagegen entschieden in der Welt der Gegenwart.
Dass Benjamin, Aurelio und Jörn noch viel langweiliger sind als Patricia, wurde bisher nicht sanktioniert – bei den Männern wird gewürdigt, dass sie so viril wie stabil auftreten; Jörn und Benjamin zweifeln sympathisch realistisch an ihrem langen Verweilen im Camp, und Aurelio spricht von den zur Neige gehenden Kraftreserven, obwohl seine Kräfte noch lange reichen. Aurelios Kontrolle steht gegen den entfesselten Irrsinn Walters, dessen komplette Entäußerung seine Arschgeigenhaftigkeit aufwiegt – der aber zu sehr Dschungelkönig werden will (und es immerzu sagt).
Und ich so: Walter bleibt bis zum Finale – und Tanja gewinnt.