Drucksachen
Gut dreißig Jahre nach der zweibändigen Originalausgabe und vom Buchhandel clever neben der Fabs-Anthologie feilgeboten: „THE BEATLES – DAS ILLUSTRIERTE SONGBOOK“ (Goldmann, 36 Mark), herausgegeben von Alan Aldridge. Die Lyrik der Liverpooler, visualisiert von bildenden Künstlern ihrer Zeit. Aldridge, Designer und Freund der Band, hat sich gleich ein Dutzend Mal verewigt. Ronald Searle ist vertreten, Ethan Russell und Tomi Ungerer. Ein wirklich schönes, extrem buntes Bilderbuch, das freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und somit nicht als Nachschlagewerk taugt. Vor allem aus der Frühzeit der Fab Four fehlen etliche Texte. Das liege daran, so Aldridge im Vorwort von 1969, dass Lennons und McCartneys Songpoesie anfangs „thematisch nicht sehr abwechslungsreich“ war. In der Natur der Sache liegt wohl, dass die Grafiken von höchst unterschiedlichem Niveau sind, was im übrigen trefflich mit der immens fluktuierenden Qualität der Song-Vorlagen korrespondiert. So viele tolle Einfälle, so viel Einfalt. Hübsch: David Hockneys lakonische Illustration zu Lennons „l’m So Tired“. Ein Bett. 4,0 Abteilung Biografien: „RAY CHARLES: MAN AND MUSIC“(MojoBooks,ca.40 Mark) von Michael Lydon erweist sich als sinnvolle Ergänzung zur Autobio „Brother Ray“, insbesondere im Hinblick auf die Schattenseiten einer Karriere, die mehr Tiefs als Hochs durchmaß. Heroin und zwischenmenschliche Abgründe. Doch auch die Meriten des Rhythm & Blues-Pioniers werden ins rechte Licht gerückt. 4,0 Lesenswert auch die Lebensgeschichte des Bonvivants Ronnie Wood: „ROCK ON WOOD“ (Boxtree, ca. 50 Mark) von Terry Rawlings „has been written with the füll cooperation of the artist“ und bietet schon deshalb Nahaufnahmen, gestochen scharf, wo man bislang auf grobe Skizzen angewiesen war. „The Origin Of A Rock & Roll Face“, so der Untertitel, wird in zahlreichen Gespräche mit der Mutter, Brüdern, Freunden und Kollegen eingekreist. Komisch, wiewohl nicht für Rons Mom, die Frage der Schwester unmittelbar nach der Geburt: „Mrs. Wood, have you had something to do with a Jew?“ Woodys Zinken, Ursache unzähliger Hänseleien und dergestalt hilfreich bei der Entwicklung eines besonders bissigen Humors. Lange schon bekannt, wenngleich nicht in dieser Ausführlichkeit, ist Woods „first encounter“ mit den Stones. Er ist 16 Jahre alt, erlebt sie live, 1964 beim Richmond Jazz Festival, ist hin und weg. „And yes, I knew then that I belonged in that band.4,0
„THE BEE GEES: TALES OF THE BROTHERS GIBB“ (Omnibus, ca. 65 Mark) von Hector Cook, Melinda Bilyeu & Andrew Mon Hughes ist erst der zweite ernsthafte Versuch, die Vita des notorisch erfolgreichen Kastraten-Terzetts auszuleuchten. Böse Zungen behaupten ja bis heute, dass die Gibbs nie über ihren persönlichen und musikalischen Hintergrund sprachen, weil es einen solchen nicht gab. An den Brüdern klebte das Image humorloser Langweiler. Barry, der eitle Geck. Maurice, der laue Mucker. Robin, der zahnige Ziegenbock. Das Buch bestätigt diese Unwertschätzung so unfreiwillig wie eindrucksvoll. Nur Robin gewinnt Kontur. Als zwanghafter Schwadroneur, der im Alter von 19 Jahren erstaunten Journalisten mitteilte, er habe bereits mehrere Bücher geschrieben, unter anderem über Hitler und die Frühgeschichte Englands. Hochstapelei, aber ultimativ harmlos. Wie die Musik halt.2,5
„CLOSE UP“(Omnibus,68Mark)von Lucy Eilis und Bryony Sutherland ist, so der Klappentext, „die definitive Tom Jones-Biografie“ und hat es ähnlich schwer, dem Objekt des 400-Seiten-Wälzers die Aura von Kunst und Bedeutung anzudichten, überhaupt eine Aura, die über Brustbehaarung, Goldkettchen, Las-Vegas-Lametta und Matronen-Mania hinausgeht. Am interessantesten noch gerät die detailliert geschilderte, beinahe lebenslange Rivalität des Schmalziers mit Engelbert Humperdinck. Und des walisischen Knödel-Tigers Talent, sich alle paar Jahre erfolgreich in einen trendigen Sound einzuklinken und ordentlich Kasse zu machen. Remake, Remodel, Reload. 2,0 Und, nicht eine Sekunde zu früh, das Buch zum butt:“JENNIFER LOPEZ“(Heyne, 18 Mark) von Valeska Engel und Frank Strebet. Letzterer hatte seine Prosa bereits den Lebenswerken von Celine Dion und Will Smith angedeihen lassen. Nun also die schöne Arschbacke, der neueste in einer langen Kette von Beweisen für die alte Macho-Weisheit „Little girls should be seen and not heard“. Oliver Stone lobt: „Sie ist stets biegsam und trotzdem unglaublich stark.“ Kein Wunder, denn „vormittags isst sie ausschließlich Eiweiß“, wie wir dem Bändchen entnehmen. Wir loben: 88-65-96 (geschätzt). 1,5
Zum Schluss ein Schuss Belletristik-A-Go-Go. Ein veritabler Roman: „ELVIS OVER ENGLAND“ (Michael Joseph, ca. 45 Mark) von Barry Hines ist eine vergnügliche, bewegende Geschichte über die Weigerung, älter zu werden. Nach dem Tod seiner Mutter, am Grab seines Kumpels Jet, beschließt Eddie, im fortgeschrittenen Alter und arbeitslos, den Rest seiner bürgerlichen Existenz in den Wind zu schießen und endlich jenen Traum wahrzumachen, den er einst mit Jet geträumt hatte: Rock’n’Roll zu leben. Als Teddy Boy. Wie Elvis, bevor er zur Army desertierte. Tobe Ted or not to be, thatis the question. Ein Abenteuer, an dessen Ende die Wallfahrt nach Graceland steht. Wehmut mit Witz. Müsste verfilmt werden. 4,0