Drollige Pilzköpfe mit Mutterwitz: „Help!“ von den Beatles feiert 50. Jubiläum

Ein letztes Mal noch Teenie-Idole, ein letztes Mal noch mitspielen – aber zu den eigenen Regeln.

Bereits auf dem Cover von „Beatles For Sale“ sahen die vier Musiker im Dezember 1964 ziemlich geschafft aus – die Eroberung Amerikas hatte sie müde gemacht. Im Trubel der Beatlemania war nicht einmal genügend Zeit geblieben, Lieder für das Album zu schreiben und so mussten sie teilweise auf das Repertoire ihrer Hamburger Tage zurückgreifen. Ein Rückschritt nach dem komplett selbst komponierten „A Hard Day’s Night“ aus demselben Jahr.

Die neuen Songs wie „No Reply“, „I’m A Loser“ und „Babies In Black“ deuteten allerdings schon an, dass die Beatles dem Image der köpfchenschüttelnden Teeniebopper allmählich entwuchsen. Vor allem Lennon hatte das Treffen mit Bob Dylan anscheinend tief beeindruckt. Auch das Marihuana, das ihnen der amerikanische Freund vorstellte, schien seine Wirkung zu tun. Hatte Lennon seine eigenen Ängste und Traumata zuvor noch durch Konsum von Amphetaminen und Alkohol zu verdrängen versucht, schien die neue Droge ihn zu öffnen.

Melancholische, introspektive  Songs

Innenschau, Selbstzweifel und Melancholie dominierten auch die Lieder, die er für den 1965 geplanten zweiten Beatles-Film schrieb: „You’ve Got To Hide Your Love Away“, „You’re Going To Lose That Girl“, „Ticket To Ride“ und – nach Ende der Dreharbeiten – den Titelsong „Help!“. Seinem Co-Autor McCartney überließ er bei zwei eher marginalen Songs den Lead-Gesang: „The Night Before“ und „Another Girl“. George Harrison überraschte mit seinem ersten guten Lied, „I Need You“.

Während der Soundtrack die Beatles zum Teil bereits als gereifte Künstler zeigte, „Ticket To Ride“ zudem eine neue Härte im Sound erkennen ließ, sollten John, Paul, George und Ringo sich vor der Kamera noch einmal als drollige Pilzköpfe mit Mutterwitz inszeniert werden. Regisseur Richard Lester bekam nach dem Erfolg von „A Hard Day’s Night“ immerhin ein größeres Budget, konnte in Farbe drehen und seine filmischen Ambitionen umsetzen. Die Story – Ringo trägt einen Opferring und wird daher von einer indischen Sekte verfolgt – war allerdings einigermaßen hanebüchen und seine Hauptdarsteller, die vor allem an exotischen Orten Urlaub machen und die Bahamas und die österreichischen Alpen als Handlungsorte vertraglich festschreiben ließen, waren die ganze Zeit bekifft.

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Was den Film trotz aller Albernheiten und dem zusammengeflickten Drehbuch – nicht umsonst wird „Help!“ im Abspann dem Erfinder der Nähmaschine gewidmet – auch heute noch sehenswert macht, sind einige surreale, geradezu Proto-Monty-Python-esque Einfälle (das einen Kunstrasen-Bettvorleger mähende Gebiss, Lennons absurder Weckruf seiner Mitbewohner, die militärüberwachten Bandproben, ein geschrumpfter McCartney, der im Aschenbecher ein Limonadenbad nimmt), die wunderbar Slapstick-haften Abfahrtsversuche der vier Protagonisten auf Skiern und Schlitten zu „Ticket To Ride“, die selbstironischen Anspielungen aufs Beatle-Image und nicht zuletzt die Ästhetik: Lesters Spiel mit Farbfiltern lässt „Help!“ wie einen schrillen Zwilling von Jean-Luc Godards im selben Jahr erschienen „Pierrot Le Fou“ erscheinen, das loftartige Apartment, zu dem jeder Beatle seinen eigenen Eingang besitzt, ist der feuchte Traum jedes Innenarchitekten mit Retrotick.

Hi-Hi-Hilfe!

Deutsche Fans schwören zudem nicht selten auf die schnoddrige Synchronisation von „Hi-Hi-Hilfe!“, die Rainer Brandt zu verantworten hatte, der sich später auch als deutscher Dialogautor für die Kultserie „Die Zwei“ mit Roger Moore und Tony Curtis einen Namen machte.
Viel entscheidender für den Lauf des Pop in den mittleren Sechzigern war allerdings eine Begegnung der Beatles mit Swami Vishnu-devananda an einem Bahamas-Strand. Der Yogameister in der orangefarbenen Robe überreichte ihnen jeweils ein Exemplar seines Buches „The Illustrated Book of Yoga“. Zumindest George Harrison scheint sein Exemplar in den Koffer gepackt und zu Hause auch wieder herausgenommen zu haben. Als er kurz darauf beim Dreh in den Twickenham Film Studios einen indischen Sitar-Spieler sah, muss irgendwas „klick“ gemacht haben und die Erleuchtung konnte beginnen.

Nach den Dreharbeiten im April 1965 gingen die Beatles direkt wieder ins Tonstudio: neben dem Titelsong musste auch die gesamte zweite, nicht im Soundtrack zu hörende Seite der geplanten LP aufgenommen werden. Ringo Starr ist für von Johnny Russell und Voni Morrison ursprünglich für Buck Owens komponierte Hollywood-Parodie „Act Naturally“ die Idealbesetzung, Harrison steuerte mit „You Like Me Too Much“ einen zweiten gelungenen Song bei, vor allem aber schlug die große Stunde von Paul McCartney.

Während Lennon die erste Seite des Albums dominierte, riss er mit gleich drei Kompositionen die zweite an sich. „Tell Me What You See“ ist nicht viel mehr als eine Fingerübung, „I’ve Just Seen A Face“ ein herrlicher countryfizierter Folksong und der Klassiker zu Lebzeiten, „Yesterday“ sein erster Auftritt als Solokünstler, dessen Sentiment Lennon natürlich mit einem toughen, wenn auch auf diesem Album etwas deplatzierten Rock’n’Roll-Stück, Larry Williams’ „Dizzy Miss Lizzy“, kontern musste.

Musik und Film arbeiten gegeneinander

Solche stilistischen Aussetzer sollten sich die Beatles in Zukunft nicht mehr erlauben. Auf dem im Dezember 1965 erschienenen „Rubber Soul“ nutzen sie erstmals das Albumformat, um ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk zu entwerfen. „Help!“ und „A Hard Day’s Night“ waren bereits wichtige Schritte auf dem Weg dorthin, denn für die Soundtracks ihrer Kinofilme waren die Beatles erstmals gezwungen, zumindest eine Plattenseite ohne Füller und Verschnaufpausen zu kreieren. Das war mehr als eine gute Übung.

„A Hard Day’s Night“-Album ist in sich stringenter und gemeinsam mit dem Film ein multimediales Meisterwerk – Pop-Art im besten Sinn. In „Help!“ scheinen Musik und Film eher gegeneinander zu arbeiten, zeigen die Beatles im Widerspruch zwischen Kommerz und künstlerischer Ambition. Doch sie spielen dieses Spiel willentlich und nach ihren eigenen Regeln.

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PA dpa / empics
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