„„Drogen und Geilheit“
Kaum hat die Welt sein erstes Buch „Strobo" registriert, veröffentlicht der Blogger Airen jetzt den Roman „"I Am Airen Man". Ein Gespräch über die Lust am Rausch, Sex mit Transen und seine Auswanderungspläne. Von Alexander Schimmelbusch
Berlin an einem Samstag, nicht im Berghain, sondern im Loft des Blumenbar-Verlages hinter dem Alexanderplatz. Airen, König der Blogger und Club-Kids, kommt zu spät, er musste sein Söhnchen hüten. Kaffee will er keinen, „lieber was Alkoholisches“. Er ist schmal und blass und wirkt schüchtern, aber nachdem er ein Glas Riesling geext hat, beginnt das Gespräch zu fließen.
Schreibst Du nüchtern – oder eher leicht angeheitert?
Mindestens. Auf Alkohol und Gras, oder nur Alkohol, oder nur Gras. Das löst die Gedanken. Das Schreiben ist dann nochmal so ein zweites Erlebnis, eine zweite Rauscherfahrung, mit der man die erste simulieren kann. Saufen und Kiffen waren für mich immer Katalysatoren zum Schreiben. Man muss darauf achten, dass man die Balance hält, dass man noch einigermaßen schreiben kann und dass trotzdem weiter der Schub kommt, von innen.
Ist als Blogger das Wissen, dass Du darüber schreiben wirst,för Dich ein Ansporn, immer einen Schritt weiter zu gehen?
Bewusst nicht, aber unterbewusst schon. Ich habe mich identifiziert mit Airen, und man kriegt ja auch Anerkennung – wenn man ein normales Leben führt, kriegt man keine Anerkennung für extremes Feiern, im Gegenteil, wenn man darüber schreibt, schon. Unterbewusst hat das sicher dazu beigetragen, eine Schippe draufzulegen. Aber es war nicht so, dass ich mir gesagt habe, hey, ich habe nichts zum Schreiben, jetzt nehme ich mal wieder Heroin oder so.
Als Airen bistDuDeine eigene Hauptfigur. Hast Du Dich als Person der Figur Airen angeglichen?
Ja, auf jeden Fall. Airen ist ein Teil meiner Persönlichkeit, der durch das Schreiben, durch dieses Doppelleben, immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Diese Suche nach der Rauscherfahrung – das war mein Leben.
Machst Du so weiter?
Nein, ich habe jetzt eine Frau, mit der ich ein Kind habe. Ich habe das mit dem Schreiben gelassen, seitdem. Sie spricht Spanisch und wir haben jetzt den Plan, nach Mexiko zu gehen, um da ein ganz langweiliges, ruhiges Leben zu führen, am Strand, in einer Hütte. Ich will gar nicht die Erlebnisse suchen diesmal, ich will einfach konstant das gleiche Setting haben und versuchen, da produktiv zu werden. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass mir in Mexiko nach drei Monaten wieder langweilig wird, dass ich wieder gute Musik hören und gute Clubs sehen und unabhängige Zeitungen lesen und gute Würste essen will. Es kann schnell passieren, dass ich einen Koller kriege.
„I Am Airen Man“ spielt in Mexiko, Du hast es geschrieben, alsDufüreine Unternehmensberatung dort warst. Wie kamst Du in diese Branche?
Ich hatte einen Karriereplan damals, ich habe mir gesagt: Ich will unbedingt reich werden. Aber ich habe das nicht so durchgezogen.
In Mexiko ging esfür Dich erst mal weiter wie in Berlin, Du hast die Clubs gesucht.
Genau. Aber es war schon anders als in Berlin, ein paar Jahre zurück, weniger professionell. Eher wie in München. Die Leute sind nicht so krass, die Musik nicht so toll. Alle sitzen rum und trinken Chivas. In Mexiko gibt es auch nur Koks, nichts anderes.
Aus Deinem Buch bekommt man den Eindruck, dass es in Mexiko vor Transen nur so wimmelt.
Da waren schon mehr Transen als hier, aber das kann auch daran gelegen haben, dass ich dort gezielt die Schwulenclubs aufgesucht habe, weil nur da die fette Partv abging.
In „Strobo“ erzählst Du viel von Sex mitMännern, obwohl DuDich nicht als schwul bezeichnest. War das eine bewusste Grenzüberschreitung?
Eher unreflektierte Geilheit, würde ich sagen. Und Drogen eben. Drogen und Geilheit, die sich ja auch gegenseitig bedingen.
Im Gegensatzzum ersten Buch hat Airen in „IAm Airen Man“ nichts mehr mit Jungs, sondernnur noch was mit Transen back to the roots?
Das ist mir erst im Nachhinein aufgefallen, dass „Strobo“ vielleicht der Weg von der Hetero- zur Homoszene war und „I Am Airen Man“ der Weg zurück.
Ja, das kann schon sein.
Als Du in Mexiko warst, hast Du das Berghain vermisst. Was ist das Besondere am Berghain? Hat das auch mit dem Darkroom zu tun?
Das sind ganz viele Sachen, die aufeinandertreffen, Du kommst rein und merkst sofort: Hier ist alles möglich. Die meisten Leute, die ins Berghain gehen, sehen den Darkroom gar nicht von innen. Es sind hauptsächlich Schwule, die in den Darkroom gehen, oder versuchen, jemanden da hinein zu schleppen. Auch die Unisex-Toiletten sind ganz lustig. Die Heten ficken eher auf den Toiletten.
Was ist die ideale Drogenkombination fürs Berghain?
Die klassische: Speed und Ecstasy, würde ich sagen. Speed für Energie, Ecstasy für den emotionalen Part. Und zum Tanzen natürlich: Ecstasy ist ja auch immer eine Musikerfahrung. Wenn man Ecstasy genommen hat, hört man die Musik ganz anders. Ich habe Techno ja verachtet früher, ich stand auf Gitarrenmusik, Deep Purple waren meine totalen Heroes. Techno ist die Musik, die aus irgendwelchen tiefergelegten verdunkelten Golfs heraus scheppert, habe ich mir gedacht. Ich war fest davon überzeugt, dass ich nie Techno hören würde. Bis ich die erste Pille meines Lebens genommen habe, in einem Club in München damals, und es gecheckt habe. Auf einmal hat diese Musik so eine Gewalt, so einen extremen Impact auf einen. Und ich wusste: Das ist es, was ich immer gesucht habe.