Drogen, Sex und Tanzmusik – Neues über ein langweiliges Thema

Am Montag las Eric Pfeil unsere Meldung: „Steve Aoki musste von der Bühne eskortiert werden, weil er sexuelle Handlungen an einem Mischpult vollzogen habe. Zuvor habe Aoki anstelle von Ecstasy aus Versehen Viagra zu sich genommen“. Pfeil wiederum stellen sich nun zwei Fragen …


Eric Pfeils Pop-Tagebuch, neue Folge 5

Warum nicht mal ein ausgesprochen fades Thema anschneiden? Mein Vorschlag für heute: Popmusiker und Rauschgift. Es ist noch gar nicht so lange her, da haftete in Drogen-Angelegenheiten aufgeschlossenen Musikanten durchaus etwas Glamouröses an: Ein in Vergessenheit geratener Herr namens Pete Doherty galt als genialischer Selbstverschwender, und sittlich ungefestigte Menschen lasen sich zum Einschlafen die schönsten Drogen-Momente aus der Mötley-Crüe-Biografie vor. Doch auf solchem Treiben konnte freilich kein Segen liegen. Mehr noch: Musiker für ihr Betankungsvermögen in narkotischen Belangen zu verehren ist eigentlich noch doofer als Fußballer für törichtes Dampfgeplauder zu verballhornen. Manchmal allerdings muss man eine Ausnahme machen. Zumindest, was die Musiker angeht. Bei den Fußballern weiß ich nicht so recht.

Wenn es um die Rauschgift-Exzesse meiner Lieblingsmusiker geht, ist www.rollingstone stets eine verlässliche Adresse. Erst vor zwei Tagen  – und nun komme ich endlich zum Eigentlichen – musste ich auf diesen Seiten mit großer Faszination die folgende Meldung lesen: „Angeblich musste Steve Aoki in Torino von der Bühne eskortiert werden, weil er während seines DJ-Sets sexuelle Handlungen an einem Mischpult vollzogen habe. Zuvor habe Aoki anstelle von Ecstasy aus Versehen Viagra zu sich genommen“. Zwei Fragen drängten sich mir nach kurzer Ordnung des soeben Gelesenen auf. Erstens: Was hätte der Künstler wohl mit dem Mischpult angestellt, wenn er nicht aus Versehen zur Potenzdroge, sondern tatsächlich zu Ecstasy gegriffen hätte? Und zweitens: Wer ist Steve Aoki?

Der zweiten Frage nachzustellen dünkt mir langweilig, daher rasch etwas zu Ecstasy: eine dumme Droge. Man streichelt die ganze Zeit nur äußerst unstreichelnswerte Dinge und der Geschmacksbildung tut es auch nicht gut. In meinem Bekanntenkreis finden sich tatsächlich Frühzwanziger, die – statt zu distinguiert gewählter Musik auf der Straße Barrikaden gegen was auch immer zu errichten – freiwillig Goa-Musik hören. IM JAHR 2013!!!  Und warum? Weil sie ständig auf Ecstasy sind. Das reicht Ihnen noch nicht als Argument gegen Phenylethylamine? Nehmen Sie dies: Kürzlich saß ich in meiner Lieblingskneipe, als eine Truppe berauschter junger Leute hereingetorkelt kam. „So, jetzt können wir alle mal in Ruhe studieren, was Ecstasy-Konsum auslöst“, raunte ich meinen Beisitzern zu. Zunächst ging die Sache auch noch gut: Die jungen Menschen tanzten ausgelassen, wild den Partner wechselnd. Ab und zu warf man sich kurz erschöpft in ein Sitzmöbel, vermaß in aller Gründlichkeit den Tisch, studierte seine Textur, sprang aber rasch wieder auf und zappelte weiter herum. Soweit, so glimpflich. Dann aber geschah es: Eine junge Frau aus der Runde der MDMA-Aktivisten entdeckte, dass die Sitzgruppe, in der sie kurz Luft schöpfte, mit zur Decke führenden Stangen ausgestattet war. Stangen, die an jene denken ließen, die von karg beschürzten Damen in Nachtclubs gerne umschlungen werden. Nach eben diesem Stangenumschlingen stand der euphorisierten jungen Dame auch der Sinn: Sie stand auf, umgriff die Stange, nahm Schwung – und knallte bei ihrer Drehung mit großem Jucheisassa gegen einen tief hängenden Scheinwerfer. Meine Beisitzer und ich waren begeistert: Sollte man uns je wieder den Ecstasy-Napf herüberschieben, wir schöben ihn mit noch größerer Entschiedenheit zurück als bisher!

Über Viagra weiß ich nicht viel. Ich bin noch nie Menschen begegnet, die Viagra genommen haben. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste … Ich glaube, ich möchte, nachdem ich von Steve Aokis unglücklichem Mischpult-Zwischenfall gehört habe, auch niemals Popstars erleben, die Viagra genommen haben. Andererseits: Vielleicht gibt es ja ganze Alben, die auf Viagra aufgenommen wurden? Womöglich gilt es ja, das Spätwerk von Prince ganz neu zu deuten? Auch eine Studie zum Thema „Lover’s Rock und Viagra“ kann wohl kaum länger aufgeschoben werden. Der Pop-Journalismus ist noch lange nicht am Ende. Es gibt viel zu tun.

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