Drama, Baby! 10 Serien, die für immer in unseren Herzen bleiben
Es gibt nur wenige Serien, deren Figuren uns ein Leben lang begleiten und deren Geschichten unsere (Alb-)Träume bebildern. Wir haben einige der größten Dramen und Komödien des Serienfernsehens gelistet. Von Mariam Sattorov und Marc Vetter
Six Feet Under
Eine makabere Seifenoper, die sich um eine Bestatterfamilie dreht? Als Oscar-Gewinner Alan Ball („American Beauty“) HBO seine Idee für „Six Feet Under“ vorstellte, war man zunächst skeptisch. Gut, dass die Verantwortlichen alle Zweifel über Bord warfen. Ein fantastischer Cast (u.a. Michael C. Hall, noch wesentlich besser als später in „Dexter“), melancholische Pointen und absurde Todesszenarien zum Start jeder Folge entwickelten bei den Zuschauern zurecht schnell einen ungeheuren Sog.
Auch deshalb, weil sich „Six Feet Under“ als ironische Meditation über das Leben versteht und eine Emanzipationsgeschichte an die nächste reiht. Die ehrlichen und zugleich überlebensgroßen love stories suchen ihresgleichen im TV. Jeder mag seine eigenen Favoriten haben. Der Autor dieser Zeilen bleibt auf ewig fasziniert von der bittersüßen Bande zwischen Nate (Peter Krause) und Brenda (Rachel Griffith).
Natürlich bleibt die gleichsam irrwitzige wie stets hochdramatische Serie – allein die Folge „That’s My Dog“ ist jede atemlose Minute vor dem Fernseher wert – vor allem wegen des vielleicht besten Schlusspunkts in Erinnerung, der je einer Dramaserie im Fernsehen geglückt ist. (MV)
Big Little Lies
Die Bewohner des atmosphärische Städtchens Monterey werden Zeuge eines Todesfalls. Um wen es sich bei dem Opfer handelt, bleibt verdeckt, was sich genau abgespielt hat – ein Rätsel. Doch dem Zuschauer wird gleich zu Beginn klar: Während einer großen Kostümfeier ist etwas Furchtbares geschehen und die wohlhabenden Bewohner der Küstenstadt sind zweifelsohne involviert . Die 2017 erschienene erste Staffel der mit Preisen überschütteten Serie beginnt mit Szenen vom Tatort und blickt dann aus der Retrospektive auf die Ereignisse, die zu den verhängnisvollen Geschehnissen führten.
Im Fokus stehen drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Madeline Mackenzie (Reese Whiterspoon), Celeste Wright (Nicole Kidman) und Jane Chapman (Shailene Woodley). Alle erfolgreich, doch es verbergen sich hinter jeder Fassade, hinter jeder düstere biographische Abzweige, Geheimnisse, die in der snobistischen Kleinstadt früher oder später ans Licht kommen müssen.
Die Serie zeichnet sich durch beeindruckende Bilder und subtile Spannung aus, die sich bis zum Ende hin wie ein roter Faden durch die Handlung zieht und dann im Finale in einer überraschenden Klimax endet. „Big Little Lies“ überzeugt mit schwarzem Humor, erfrischend fehlerhaften Charakteren und einem eklektischen Soundtrack mit Interpreten von Fleetwood Mac bis Leon Bridges. (MS)
In Treatment
Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Stoffe, die aufgrund ihrer Form und Inszenierung so nur im Serienformat denkbar wären. Das anspruchsvolle Therapeuten-Drama „In Treatment“ gehört dazu. Basierend auf einer israelischen Reihe erzählt die hochklassig besetzte HBO-Serie (in Deutschland bei 3sat – und selbst dort untergegangen) von Dr. Paul Weston (Gabriel Byrne), der in jeder Episode einen anderen Klienten in seiner Praxis empfängt und nicht zuletzt vor allem mit sich selbst zu kämpfen hat. Mit seinen (verbotenen) Gelüsten, mit seinen falschen Einschätzungen.
Das Konzept: Jede 20-minütige Folge ist eine Sitzung, nach Wochentagen benannt. Ein zuweilen bedrückendes, aber eben auch intellektuell herausforderndes Kammerspiel, bei dem man wunderbaren Schauspielerinnen wie Dianne Wiest, Melissa George, Mia Wasikowska und Debra Winger, aber auch alten Haudegen wie John Mahoney und Blair Underwood dabei zuschauen kann, wie sie ihre Figuren mit nur wenigen Gesten und manchen erschreckenden Gefühlsausbrüchen zum Leben erwecken. Jede Episode ein Erkenntnisgewinn. (MV)
Gilmore Girls
Wer sie kennt, der liebt sie. Das Mutter-Tochter-Duo bestehend aus Lorelai Gilmore (Lauren Graham) und, ja, Lorelai „Rory“ Gilmore (Alexis Bledel). Mit ihrem Witz und energischem Charme wirbeln die beiden die fiktive Vorstadt „Stars Hollow“ in Connecticut auf. Der Zuschauer darf das unzertrennliche Paar bei allem begleiten, was das Leben ihnen so vor die Füße wirft. Ironisch und teilweise völlig überzogen verarbeitet Macherin Amy Sherman-Palladino das ein oder andere Vorstadt-Klischee in schrägen Charakteren und skurrilen Konflikten.
Die Serie lebt von den schnellen, intelligenten Dialogen und der sympathischen Ausstrahlung der jungen Mutter und ihrer cleveren Tochter. Seit sie 2000 Premiere feierte, bezaubert die Serie in sieben Staffeln ihre generationsübergreifenden Zuschauer. Und wer genau hinsieht (oder hinhört) kann viele hochkarätige Referenzen zu Musik und Literatur in der „Dramedy“ finden. Das von Netflix produzierte Sequel „Gilmore Girls: Ein neues Jahr“ zeigt in einer Miniserie von 4 Folgen, wie es den Publikumslieblingen 10 Jahre nach der letzten Folge ergeht. (MS)
https://www.youtube.com/watch?v=gj1noHH_z5M
AmazonTwin Peaks
Ohne „Twin Peaks“ kein goldenes Zeitalter des Fernsehens! Die Raffinesse dieser einzigartigen postmodernen Genremixtur ist es, den Zuschauer gleichzeitig mit allen Mitteln der cineastischen Kunst an sich zu binden (Bob! Kirschkuchen! Laura!) und ihn dennoch so sehr wegzustoßen, dass manche Szenen sogar bis in Albträume nachfolgen. Schließlich handelt es sich unter der Oberfläche um eine düstere Erzählung, die jede Form des menschlichen Missbrauchs in einen zittrig beleuchteten Schaukasten stellt. Nicht zuletzt dafür steht die Passionsgeschichte Laura Palmers.
Für viele Schauspieler, natürlich auch für Kyle MacLachlan, hielt die Mystery-Soap mit dem wohl wirkungsvollsten Soundtrack der Seriengeschichte die Rolle ihres Lebens bereit. David Lynch tobte sich nur in der ersten Staffel aus, rettete die zweite Season mit einem irritierenden Finale vor dem Auseinanderbrechen, drehte einen drastischen Horror-Prolog für die große Leinwand und holte die Welt aus „Twin Peaks“ für eine bahnbrechende Limited Event Series zurück, deren visionäre Inszenierung wohl erst in ein paar Jahren, wenn die Netflix-Blase geplatzt ist, richtig gewürdigt werden wird. (MV)
The Handmaid’s Tale: Der Report der Magd
Eine düstere Dystopie: Amerika in der nahen Zukunft. Der Lebensstil vergangener Generationen, Umweltkatastrophen, Krieg und Geschlechtskrankheiten, haben zur Unfruchtbarkeit fast aller Frauen geführt. Die politische Macht liegt in den Händen einer christlich-fundamentalistischen Elite, die die Bevölkerung mit eisernem, brutalem Griff unter Kontrolle hält. Amerika ist nicht mehr Amerika – es heißt jetzt „Gilead“ und ist deutlich, scheinbar unüberbrückbar, in gesellschaftliche Klassen unterteilt. Für den Erhalt der Menschheit sorgen Mägde, eine verschwindend geringere Anzahl an Frauen, die noch Kinder gebären können. Die Frauen werden als Sklavinnen gehalten, misshandelt und von den herrschenden Familien wie Ware umhergereicht.
Die Handlung basiert auf dem gleichnamigen Buch von Margaret Atwood und begleitet June Osborne (Elisabeth Moss), eine Magd, die im Zuge des politischen Umsturzes von ihrer Familie getrennt wurde und mit schier unermüdlicher Kraft versucht, aus den grausamen Fängen des Systems zu entfliehen.
„The Handmaid’s Tale“ liegt schwer im Magen, doch zeigt beispiellos, wie wichtig es ist, gegen Ungerechtigkeiten und politische Missstände die Stimme zu erheben. Elisabeth Moss in der Hauptrolle glänzt mit einer Stärke und Entschlossenheit, die es schafft, den Bildschirm zu durchdringen. Die Serie wurde in mehreren Kategorien mit dem Emmy und zwei Golden Globes ausgezeichnet. (MS)
Mad Men
Manche meinen ja, dass „Mad Men“ in den letzten Staffeln an Schwung verloren habe, dass sich die allegorischen Handlungsbögen genauso in Wiederholungsschleifen verhedderten wie Don Draper (Jon Hamm) in Affären und betörende Werbeideen. Doch Autor und Showrunner Matthew Weiner ging es nie um Plot Points, auch wenn sein in jeder Hinsicht gewaltiges US-Panorama der 50er- bis 70er-Jahre wohl dosierte Spannungsmomente bereit hält. Vielmehr erzählt die Serie von der education sentimentale seines modernen Stiller, dessen kreatives Geheimkonzept die Identitätslosigkeit ist. Das braucht Zeit und Muße – und die wird auch vom Zuschauer verlangt.
Natürlich spiegelt Drapers elysischer Fall auch Amerikas Eroberung der Welt durch leere Zeichen und schön aussehende Versprechungen. Das größte Drama unserer Zeit, mit einigem Abstand betrachtet vielleicht der Höhepunkt der Goldenen Serienwelle, zeigt uns aber auch, dass der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung, wenn auch mit Schmerzen verbunden, nicht umsonst ist. Joan (Christina Hendricks), Peggy (Elisabeth Moss) und Sally (Kiernan Shipka) sind die klugen Überlebenden in diesem Kampf um die Deutungshoheit von morgen/heute. (MV)
Fargo
Basierend auf dem gleichnamigen Film der Coen-Brüder, „Fargo -Blutiger Schnee“, war diese überaus originelle Kriminalserie zunächst nur als Solo-Projekt des Regisseurs Noah Hawley geplant. Dieser gewann schlussendlich doch Ethan und Joel Coen als ausführende Produzenten. Dies ist jetzt anders kaum denkbar, denn die Skurrilität der Handlungsstränge, der schwarze Humor und die kühle Ästhetik in „Fargo“ stammen unbestreitbar von Autoren, die stark von den berühmt-berüchtigten Regiebrüdern beeinflusst wurden.
Im Fokus stehen, einfach ausgedrückt, Schicksale von Helden und Antihelden, normalen Menschen wie du und ich, die durch die Aneinanderreihung unglücklicher Zufälle und schlechter Entscheidungen zu Tätern werden. Jede der insgesamt drei Staffeln spielt sich an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit ab und thematisiert einen neuen Kriminalfall, der von integren, gegen alle Umstände arbeitenden Polizisten, aufgeklärt werden will. Von Coen-Fans zunächst kritisch beäugt, bietet „Fargo“ einen lohnenswerten, fesselnden Blick in die Abgründe des Menschen und zeigt, dass vielleicht wirklich manchmal Gelegenheit Diebe Macht. (MS)
The Simpsons
Die „Simpsons“ haben ihre besten Tage hinter sich und die letzte große Leistung ihrer Autoren und Produzenten ist es, die Serie zum ewigen Rekordhalter der am längsten laufenden Prime-Time-Comedy zu machen. Doch ganz ehrlich: Das ist völlig egal! Selbst wenn man sich keine einzige Folge der letzten 15 Jahre angeschaut hat (und sich so manche Albernheiten, aber auch clevere Gastauftritte erspart hat), so bleiben doch die ersten acht, vielleicht zehn Staffeln wie ein unzerstörbarer Monolith bestehen.
Diedrich Diederichsen nannte die Serie einst das einzige postmoderne Kunstwerk – und das mag mit Blick auf die konkurrenzlose satirische Spiegelung und unermüdliche Rezitation des American Way Of Life auch stimmen. Aber was vor allem in Erinnerung bleibt, sind die zu Herzen gehenden pädagogischen Lebenslektionen („Die 24-Stunden-Frist“), die Persiflagen auf Kino („Kap der Angst“), TV („Die Akte Springfield“), Sport („Der Wunderschläger“), die spöttischen Angriffe auf Politik und Wirtschaft („Homer kommt in Fahrt“), vielleicht die vor allem in den 90ern virulente Kritik an der Coolness („Lisa als Vegetarierin“) und die letztlich doch „Waltons“-gesättigte Beschwörung der Familie als Kernzelle der Gesellschaft („Am Anfang war das Wort“).
Die „Simpsons“ sind ein generationsprägendes Kunstwerk eigenen Rangs, das keine Wiederholung in der Zukunft kennen wird. Nicht zuletzt dafür hat die Serie mit unerschöpflichem Ideenreichtum gesorgt. (MV)
Fleabag
Fleabag ist eine ungewöhnliche Serienheldin. Denn sie ist durch und durch nicht perfekt. Ihr Geschäft läuft mehr als schlecht, mit ihrer Familie kommt sie nicht klar, sie hat ein klares Alkoholproblem und flüchtet sich in zahlreiche Affären mit Männern, die vergeben sind. Mit Sicherheit ist es aber das, was sie so sympathisch macht, menschlich eben, mit viel Fläche zur Selbstidentifikation seitens der Zuschauer. Die gefeierte britische Dramedy, die seit 2017 auch in Deutschland zu sehen ist, begleitet die Londonerin Fleabag (gespielt von der großartigen Phoebe Waller-Bridge) während ihrer Höhen und Tiefen und beschönigt nicht, was in anderen Formaten vielleicht durch einen weichzeichnenden Fernsehtauglichkeits-Filter gezogen worden wäre.
Phoebe Waller-Bridge steht mit dem Konzept von „Fleabag“ als Ein-Personen-Show schon seit 2013 auf den Theaterbühnen von London und New York. Für die erstmals von der BBC ausgestrahlte Fernsehversion kam dann unter anderem Oscar-Preisträgerin Olivia Coleman hinzu, die in der Rolle als menschgewordene Kettensäge Zuschauern an den Nerven sägt. Besonders an „Fleabag“ ist, dass sie regelmäßig die Vierte Wand durchbricht und mit direktem Blick in die Kamera das Publikum anspricht- ein effektives Mittel, das Weller-Bridges Rolle als etwas durchgedrehte Mittdreißigerin nur noch verstärkt. (MS)