Drafi Deutscher – Marmor, Stein und Eisen bricht
Schon das gehackte E-Dur-Stakkato auf der elektrischen Gitarre gleich zu Beginn signalisierte: Hier kommt richtige Beatmusik. Und ein junger Wilder. Als der seine erste Zeile ins Mikro singt „weine nicht, wenn der Regen fällt“, deutsch! schwingt denn auch jede Menge von dem mit, was zeitgenössische Mitbewerber hierzulande eher nicht aufweisen konnten: Sex. Nicht von der unschuldigen Sorte, wie ihn die fröhlichen Jungs von den Rattles oder Lords ausstrahlten, nein, das hier war irgendwie abgründig, in der Stimme des Berliners schwang auch so etwas wie Arroganz, ja, Aufmüpfigkeit mit. Dazu noch das amerikanisch breit gedehnte R – todschick! Ausgedacht hatten sich den simplen Song mit dem grammatikalisch nicht ganz korrekten Refrain der Verleger Peter Meisel, der Komponist Christian Bruhn und der Texter Rudolf-Günter Loose, allesamt erst um die 30, was zu diesem Zeitpunkt im bundesdeutschen Musikbetrieb als sensationell jung gilt. Als „Marmor, Stein und Eisen bricht“ 1965 über die Republik kommt, hat die sich gerade erst zu Tode erschrocken über die Rotzlöffeligkeit von „Satisfaction“. Tatsächlich löst Deutscher die Rolling Stones am 4. Dezember ’65 auf Platz eins der Hitparade ab und bleibt dort vier Wochen lang. Die Teens sind entzückt und hieven ihren neuen Helden gleich auf den Bravo-Thron. Auch Drafi ist entzückt und gibt fortan den neureichen Pophelden. 1967 dann der Absturz, Kinder beobachten den Sänger, wie er nach einer Party betrunken vom Balkon eines Berliner Hauses uriniert. Die Boulevardpresse stürzt sich auf den Skandal, und der Richter spricht von Erregung öffentlichen Ärgernisses. Drafi jedenfalls ist erst mal weg vom Fenster.
Nicht so sein Song. Auch wenn der am Ende ’nur‘ ein relativ handelsüblicher Schlager war, im Laufe der Jahre entwickelte er größtmögliche Breitenwirkung und verwandelte sich vom gewöhnlichen Oldie in unkaputtbares Deutschkulturerbe. Ob Fußballstadion, Bierzelt oder Musikkneipe, „Marmor“ geht immer. Von dieser Sorte bietet das deutsche Liederbuch nicht viele.