Drachentöter

Die Bilder und Analogien sind griffig, und sie kommen dem schlanken Mann im rosa Polo-Shirt schnell über die Lippen. Von „Dieben in meinem Tempel“ ist die Rede, von einer „Riesenkrake, deren Arme sich um meine Kehle gelegt hatten“. Später spricht er von einem zerbrochenen Ei und dem Gefühl, plötzlich festzustellen, „dass du ein ganz anderes Huhn bist, als man dich immer glauben machen wollte“.

Von der Figur, die mitten im Film aufwacht und merkt, „dass ich nicht die Figur bin, die ich spiele, wie ich geglaubt hatte, sondern der Schauspieler, der diese Figur spielt“. Und auch noch von dem Schreiber, „der immer denselben Füller benutzte, plötzlich ohne Tinte dastand und einen neuen Füller brauchte“. So lässt Terence Trent D’Arby die letzten sechs Jahre Revue passieren, da er vom Regen in die Traufe kam – und sich eine neue Identität schmerzhaft Bahn brach, fast wie ein Alien aus dem Leib eines unglücklichen Wirtes. Am vorläufigen Ende steht nicht nur das neue Album „Wildcard“ mit mal vertrauten, mal moderat angehippten R&B-Klängen, sondern auch gleich ein neuer Name: Nur Sananda Maitreya sollte eigentlich auch auf dem Cover stehen. Dann aber habe man ihn doch davon überzeugt, dass es besser sei, „den Leuten Gelegenheit zu geben, an alte Erfahrungen mit mir anzuknüpfen“.

Nebulös dankt der Rundumerneuerte im Booklet einer „divine mother for her guidance and grace“. Irdisch profan und womöglich auch ziemlich würdelos waren hingegen die Scharmützel, die der 39-jährige New Yorker mit gleich zwei Plattenfirmen durchzustehen hatte. Der Regen, das war seine alte Firma Sony, die ihn 1987 gleich mit dem Debüt „Introducing The Hardline“ in die Multi-Platin-Liga katapultiert hatte und später mit wachsender Verzweiflung zusehen musste, wie ihr Schützling auf Alben wie „Symphony Or Datnn“ und „Vibrator“ künstlerischen Ambitionen nachhing, statt dem großen Marketing-Masterplan zu folgen. Und die Traufe, dass war dann die neue Firma, die ihre Chefetage so lange permanent wechselte, bis bei D’Arby der Eindruck entstand, dass „meine Platte in dieser Umgebung nur untergegangen wäre“.

Er kaufte das bereits fertiggestellte Material zurück, das sich jetzt auszugsweise auf „Wildernd“ wiederfindet. ,Jch war auch an einem Punkt angelangt, wo ich mir selbst nicht länger vormachen konnte, dass es doch am besten für mich wäre, wenn ich mich nur um die Musik kümmere. Die Industrie fördert dieses eindimensionale Bild des Künstlers, weil sie von den Aspekten profitiert, die er neben seiner Musik vernachlässigt. Ich musste das alles beiseite räumen und eine neue Perspektive für mich schaffen.“

Die gedeiht nun auf seinem eigenen Label, das natürlich nur Sananda Records heißen konnte. Das ist zwar vorläufig nur für ihn und „Wildcard“ reserviert – schließlich gilt es, „noch ein paar Drachen auf dem Weg zum Markt“ zu bekämpfen. Doch beim Blick in die Zukunft sieht der umfassend Geläuterte schnell Neil bung und Lou Reed vor sich. „Wenn die keinen Vertrag mehr haben und zusammen Songs schreiben wollen, können sie so ein Projekt gerne bei mir durchziehen. Aber vielleicht könnte es auch eine Plattform werden für Künstler, die bisher unterrepräsentiert sind. Der Erwachsenen-Markt wird ja sonst kaum noch bedient. Es gibt genug Künstler da draußen, die mit den Jahren immer besser geworden sind, aber keinen Vertrag mehr bekommen, weil sie älter als 25 sind.“

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