Douglas Gordon – Spieglein, Spieglein an der Wand
Im Frankfurter Museum für Moderne Kunst ist bis zum 25. März eine labyrinthisch angelegte Retrospektive der Arbeiten des schottischen Starkünstlers Douglas Gordon zu sehen.
Mit einem Film hat Douglas Gordon 2006 auch Fußball- und Indie-Rock-Fans erreicht. Bei einem Spiel von Real Madrid filmten 17 Kameras 90 Minuten lang ausschließlich Zinedine Zidane, nicht den Spielverlauf. Die Filmmusik kommt von Mogwai, Glaswegians wie Gordon. In der Frankfurter Ausstellung wird der Film in seine Einzelteile zerlegt. Auf dem Boden stehen 17 Fernsehgeräte, ein 18. zeigt die TV-Version. Als Betrachter versucht man unwillkürlich, einen fußballerischen Zusammenhang herzustellen. Keine Chance, Zidanes sportliche Qualität in diesem Match kann man nicht beurteilen, man ist fasziniert von seiner Autorität und Grazie. „Ja ich erkenne mich, aber es fühlt sich nicht an wie ich“, hat Zidane gesagt. „Es fühlt sich an, als würde ich meinen Bruder spät nachts mit meiner Mutter reden sehen.“ Dieser Eindruck sagt viel über die rätselhafte Verführungskunst des Douglas Gordon und bestätigt seinen Ruf als bedeutender Videokünstler.
In Frankfurt wird man zur Begrüßung mit „Henry Rebel“ konfrontiert. Normalerweise ist der erste Raum des Museums für Moderne Kunst ein lichtes Atrium, eine offene Entré-Zone. Für Gordon hat man die weißen Wände schwarz übermalt, zwei riesige Leinwände hängen bzw. stehen übereinander im Black Cube. Dunkel ist es. Man sollte die Ausstellung unbedingt nach Einbruch der Dunkelheit besuchen, dann spielen die Lichter der Großstadt mit im spukigen Spiegelkabinett des Douglas Gordon.
Gordons Henry Rebel ist ein hagerer Jüngling mit rotblondem Haar, eine gequälte, quälende Kreatur, die sich ihrer Kleider entledigt, als seien es Fesseln, ohne dass diese Befreiung das namenlose Leid lindern würde. Henrys Schmerzensschreie gellen in regelmäßigen Abständen durchs ganze Haus, was gleichermaßen gespenstisch wie komisch wirkt. „Henry Rebel“ spielt – angeblich, sollen wir das glauben? – zwei Szenen aus dem Drehbuch von „Rebel Without A Cause“ nach, die es nicht in den Film geschafft haben. Gordons Rebel wird von Henry Hopper gespielt, dessen Vater Dennis in Nicholas Rays Klassiker neben James Dean auftritt. Dean trifft man in einem benachbarten Raum. Sein Porträt auf Spiegel montiert, das Gesicht teilweise weggebrannt. Der Betrachter sieht sich selbst, neben ihm. Das Spiegelkabinett ist Teil einer Serie: „Self-Portrait of You + Me +…“ Das Prinzip ist immer gleich: Gordon, Elvis und ich im Spiegel, Gordon, Marilyn und ich im Spiegel, Gordon, Jackie O. und ich im Spiegel … Dazu bearbeitet, verfremdet und fragmentiert Gordon die Warhol’schen Versionen von Elvis, Marilyn und Jackie. Und Warhols Selbstporträts. So spiegelt er sich im Bild der Pop-Art-Ikone. Im Parterre hängen Gordons „4 Jackies“ à la Warhol, im 2. Stock grüßen „35 Jackies“ vom Meister selbst. Mit solchen Querverweisen, Spiegelkonstruktionen und raffinierten Blickachsen gelingt es den Kuratoren, Gordons mäanderndes wie raumgreifendes Werk in die labyrinthische Architektur des MMK zu integrieren. Entdeckungsreise in nächtlichem Irrgarten.
Verführungskunst
Werke des Pop-Künstlers Gordon (u.): Installation „Straight To Hell“ (o.), Bild aus dem Film „Zidane“ (o.r.) und das Spiegelkabinett „Self-Portrait Of You + Me …“ (r.)