Dosierung ohne Dogma
Bei ihrem ungestümen Punk-Rockabilly-Mix geht es THE LIVING END aus Melbourne vor allem um eins: großes Entertainment statt Nischenkultur
Living End erklären ihren ungestümen Musikmix aus Punk, Hardrock und Rockabilly mit den Gepflogenheiten ihrer Heimat Green Day, The Ofispring, Pennywise, Blink-182 – die Liste der Bands, denen die Australier schon das forprogramm besorgten, ist lang und illuster. Das aus gutem Grunde: Zu Hause schaffte das Trio aus Melbourne schon Platin und Chart-Hits, und nun soll ihr recht rumpeliger „Punk’n’Roll“ auch dem Rest der Welt nahegebracht werden – gut platziert im Fahrwasser der genannten Kollegen.
Aber das wird schwer, denkt Sänger und Gitarrist Chris Cheney. Mit Selbstzweifeln hat das weniger zu tun als mit einer realistischen Einschätzung des Musikmarktes: „Wir haben bei unseren Tourneen durch die USA schnell gemerkt, dass die verschiedenen Szenen dort sehr dogmatisch voneinander getrennt sind. Bei uns daheim ist das anders. In Australien leben gar nicht genug Menschen; da kann man sich halt keine übertrieben kleinen Nischen leisten. Alle rücken näher aneinander, und so ist australische Musik für Leute von außen manchmal etwas schwer einzuordnen.“ Tatsächlich hört man Living Ends zweitem Album Jloll On“ den ungezwungenen Umgang mit Genres an: Rockabilly-Schnoddrigkeit mixt sich ganz ungeniert mit Neo-Punk-Alarm und ganz alten AC/DC-Riffs und heraus kommt Musik, die ebenso geräusch- wie lustvoll zwischen allerlei Stühlen Platz nimmt.
„Wir haben schon versucht, auf dem neuen Album ein bisschen mehr zu experimentieren“, behauptet Chris Cheney, „obwohl das bei uns für eine Band gar nicht ungefährlich ist“. Der Australier an sich, erklärt er, möge es nämlich gern laut und schnörkellos, wahrscheinlich der rauen Härte des Landes wegen. Und so müsse man jede stilistische Verbreiterung mit viel Bedacht dosieren. „Eigentlich kann man sich über so etwas aber keine Gedanken machen“, findet Cheney bei aller Fürsorge fürs Publikum. „Schließlich will ich mich mit meiner Musik in erster Linie selbst unterhalten.“
Unterhaltung, auch da sind The Living End keine Punk-Dogmaten, ist ohnehin ein wichtiger Aspekt im Selbstverständnis der Australier. „Natürlich geht es in erster Linie um Entertainment“, gibt Cheney zu und nennt Chuck Berry und die Stray Cats in diesem Zusammenhang als große Vorbilder – „Leute, die auf der Bühne bloß ihre Schuhe anstarren, kann ich nicht leiden.“ Das wiederum wird dem gemeinen Australier wahrscheinlich gut gefallen.