RS Interview

Don Cheadle: „Wir mussten aus Miles Davis einen Gangster machen!“

Der Regisseur und Hauptdarsteller des neuen Miles-Davis-Biopics „Miles Ahead“ spricht über seinen ungewöhnlichen Ansatz und darüber, wie der Film ohne weißen Co-Star nicht hätte gedreht werden können.

Es gibt einen Grund, warum es so lange dauerte, bis Miles Davis endlich ein eigenes Biopic gewidmet wurde. Die Lebensgeschichte des Komponisten und Jazz-Trompeters scheint einfach zu facettenreich, um sie angemessen zu verfilmen. Als Davis einmal gefragt wurde, was er in seiner Karriere erreicht habe, sagte er: „Naja, ich denke, ich habe die Musik fünf oder sechs Mal neu erfunden“, und es war nicht mal gelogen.

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Lange sah es auch so aus, als würde sich niemand trauen, den im Jahr 1991 verstorbenen Giganten des Jazz zu spielen. Bis Don Cheadle sich des Stoffes annahm; ein Filmstar mit musikalischem Hintergrund und genug Respekt für Davis Werk, um sich nicht mit simpler Lobhudelei zu begnügen. Und so entschied sich der 51-jährige Regisseur und Schauspieler ein frei improvisiertes Porträt von Miles Davis anzufertigen, das unter dem Namen „Miles Ahead“ am 1. April in den amerikanischen Kinos anläuft (ein deutscher Termin steht noch aus). ROLLING STONE traf Don Cheadle im Rahmen des Sundance Film Festivals zum Interview.

Sie haben mit der Familie von Miles Davis an Ideen für den Film gearbeitet. Welchen Ansatz hatte diese vor Augen?

Ein Konzept war, sich auf die fünf Frauen von Miles Davis zu konzentrieren, die er im Lauf seines Lebens wirklich liebte. Ich sagte: „Ich kann damit nicht so wirklich etwas anfangen.“ Im Gegenzug schlug ich vor: „Lasst uns einen Film machen, in dem wir diesen Typen als einen Gangster porträtieren.“ Denn so fühle ich bei Miles: Er war ein Gangsta. Ich dachte an all diese apokryphen Geschichten über ihn, wie draufgängerisch er war und was er für Gangster-Shit abgezogen hat. Ich wollte einen Film machen, in dem der echte Miles Davis gerne mitgespielt hätte.

Wie reagierte die Familie auf ihren Vorschlag?

Sie wurden auf einmal ganz still. Und dann plötzlich (Cheadle fängt an zu klatschen). „Das klingt cool. Das ist es!“

Wieso konzentriert sich der Film auf die Periode zwischen 1975 und 1980, einer Zeit, in der Miles Davis kaum spielte?

Im Laufe unserer Recherche stellten wir fest, dass die aufregendste Zeit seines Lebens nicht unbedingt die war, in der er die Musik neu erfand, sondern jene, in der er nichts tat, zuhause saß, seine Hüftverletzung kurierte und sich ganz allgemein einer selbstzerstörerischen Tendenz hingab. Was passierte da in seinem Kopf? Was hat dazu geführt, dass er wieder aus diesem Loch rauskam und anfing zu spielen? Und was war in diesen fünf Jahren wirklich los? Man findet darüber sehr wenig. Wir wollten erzählen, wie Miles den Groove wieder fand.

Und zu diesem Zweck haben Sie diesen fiktionalen, gutaussehenden ROLLING STONE-Journalisten namens Dave erfunden (Ewan McGregor), richtig? Danke übrigens.

Gern geschehen (lacht). Es gab zu der Zeit einige Journalisten, die versuchten an ihn ranzukommen. Davon abgesehen gab es noch andere, weltlichere Gründe, warum wir einen Charakter wie ihn einführen mussten.

Zum Beispiel?

Um den Film finanziert zu bekommen, mussten wir einen weißen Co-Star einführen. Bis wir mit Ewan den passenden gefunden hatten, stand der Film auf der Kippe. Davis Familie hatte schon einige Jahre lang versucht, diesen Film zum Laufen zu bringen. Und wir mussten ihnen ganz direkt sagen: „Wir brauchen einen weißen Co-Star. Wir müssen diese Geschichte so erzählen, um das Geld zu bekommen, mit einem weißen männlichen Darsteller.“ Dass hatte schon Gewicht.

War es für Sie schwerer, Miles Davis als Musiker oder als Mensch gerecht zu werden?

Ich habe mir viele alte Aufnahmen angesehen um mir die Basics draufzuschaffen. Aber vor allem habe ich versucht, mich mit ihm gedanklich zu verbinden. Ich bin ein Musiker, der 20 Jahre Musik studierte. Ich bin ein Player. Ein kreativer Mensch. Ein Maler. Ein Vater. All diese Dinge, die Miles eben auch war. Jeder kann seine krächzende Stimme nachahmen. Die Stimme dahinter zu finden, das ist tough.

Glauben Sie, die Zuschauer werden sich daran stören, dass so viele Aspekte seines Lebens außen vor gelassen werden?

Vermutlich. Als sich das erste Mal anderen Leuten erzählte, dass ich an einem Miles-Davis-Biopic arbeite, fragten sie: „Wie wirst du seine Heroin-Sucht darstellen?“ Ich sagte: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt auf die Heroin-Sucht eingehen werde.“ Ich hoffe, der Film stößt eine ausführlichere Diskussion über Miles Davis an. Ich meine, I Get it. Jeder hat Scheiße durchgemacht. Aber man muss natürlich über die Musik sprechen. Weil sie einen großen Teil davon ausmachte, wer er war. Diese Missachtung von Regeln, diese Rastlosigkeit: „Ok, ich habe den Cool Jazz erfunden – was kommt jetzt? Modaler Jazz? Fusion? Lasst uns mal sehen, wo das hinführt!“ Das machte ihn zu so einem großen Künstler. Das kann man nicht einfach weglassen.

Im neuen ROLLING STONE (04/16): „Miles Deep“ – die exklusive CD mit legendären Liveaufnahmen und raren Studiotracks von Miles Davis. 


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