Do you know what I mean?
„Soloalbum“ heißt ebe Platte dann, wenn sie auf eine Trennung folgt Sonst müßte man das „Solo“ ja nicht so pathetisch betonen, sondern könnte sie nur „Album“ nennen. Gerade erste Soloalben sind oft Retourkutschen oder Salons für schmutzige Wäsche. Siehe Björk, die ihres „Debüt“ nannte und so die Sugarcubes einfach wegwischte. Siehe Lennon und McCartney, die sich auf ihren ersten Nach-Beades-Alben zäh bekriegten.
Und damit ist auch schon erklärt, warum Benjamin v. Stuckrad-Barre seinen ersten Roman „Soloalbum“ nannte: weil er eine Trennung verschmerzen mußte, und weil’s im Buch um diese Trennung geht Der Autor wurde von der Liebsten verlassen: Nach vier Jahren hat ihm Katharina die Liebe aufgekündigt – per Fax und mit der wenig originellen Begründung, man habe sich „auseinandergelebt“. Nun ist sie weg. Und er ist wieder allein.
Ursprünglich sollte Stuckrad-Barre eine Biographie der Fanta 4 schreiben. Daraus wurde nichts. Einmal mit dem Verlag in Kontakt, begann er, Bruchstücke für einen Roman zu sammeln.
Aber wer ist Benjamin v. Stuckrad-Barre überhaupt? Für Leser dieser Zeitschrift jedenfalls kein Unbekannter: Ob seiner Schmähartikel über Lindenberg und Westernhagen wurde schon das eine oder andere Abo gekündigt – freundliche Kommentare zu Grönemeyer beruhigten die Gemüter. Laut Mentor Harald Schmidt steht Stuckrad-Barre „in seiner Jugend Maienblüte“. Für einen 23jährigen hat er einen ansehnlichen Lebenslauf: Neben dem ROLLING STONE stehen Motor Music und Friedrich Küppersbusch auf der Liste seiner ehemaligen Arbeitgeber. Zur Zeit produziert er berufsmäßig Gags für die Harald-Schmidt-Show und findet es „faszinierend, was Schmidt aus Witzen macht, die auf dem Papier oft blöd und langweilig wirken“.
Die Assoziationskette „Papier – blöd – langweilig“ gilt laut Stuckrad-Barre nicht für Bücher. Er hat einen fast kindlichen Respekt vor dem Kulturgut Buch – „das hat etwas Heiliges“. Einen andächtigen Ton stimmt er deswegen nicht gleich an: Man merkt dem Roman an, daß er binnen acht Wochen sozusagen direkt im Studio eingespielt wurde. „Kann gut sein, daß mir das Buch irgendwann peinlich ist – anderen ist es jetzt schon peinlich. Aber das hat im Moment der Niederschrift, der Ballabgabe nun mal keine Bedeutung.“
Es geht schnell, hechelnd, flüchtig zu: Von Liebeskummer und Selbstmitleid gepeinigt, rechnet der Erzähler mit allem und jedem ab – egal ob das nun der unsägliche Ulrich Meyer im Fernsehen ist, ein penetranter Kollege auf einer Party oder die kreuzdumme Nadja im Bett.
Daß diese Liebeskummerprosa mit ihren zuweilen beliebigen Beschimpfungen nicht so recht vom Fleck kommt – der Autor hat es nicht anders gewollt „Wie Roger Willemsen sagen würde: Die Welt ist kein Mariah-Carey-Video. Der Erzähler hat seine Liebe verloren. Da bleibt nichts übrig.“ Außer der Musik, und das ist nicht viel. Oasis und die Pet Shop Boys sind die Schutzheiligen der Hauptfigur: In ihren Maxi-Singles und Videos allein findet sie Trost Das Ende des Romans kann gleichwohl nur von bedingungslosen Oasis-Enthusiasten als Happy-End empfunden werden.
Daß „Soloalbum“ überdeutlich autobiographische Züge trägt, hat für den Autor gewisse Folgen. „Mensch, warum hast Du nicht gesagt, daß es Dir so schlecht ging?“ – solche Fragen kommen in letzter Zeit häufiger. Außerdem kann es schon etwas heikel werden, wenn sich die eine oder andere Person im Buch wiedererkennt Ansonsten wird „Soloalbum“ alle vorbereiten, die die Trennung von der ersten großen Liebe noch vor sich haben. Schön, wenn man noch woanders Halt findet als in Pop-Singles und Weltschmerz – einstweilen jedenfalls spendet Stuckrad-Barres Buch dem jungen Herzen Trost – und dem nicht mehr ganz so jungen Wilden einige Erinnerungen. Nachdem die Medienresonanz auf das Debüt über Erwarten groß ist, ist inzwischen schon ein „Live-Album“ geplant das Tagebuch der anberaumten Lese-Reise. Das Leben hat ihn wieder. (Benjamin r. Stuckrad-Barre: Soloalbum. Kiepenheuer & Witsch, 246 Seiten, 16,90 Mark)