Django Django: Geboren, um zu grooven
Von der Art School in die Arena: Django Django streben jetzt den ganz großen Refrains entgegen.
Im Londoner Büro des französischen Labels Because Music stehen Tommy Grace und Dave Maclean vor einem Tisch und mustern das großformatige Bildnis einer Bronzestatue eines Jünglings, über dessen Geschlecht ein Bonbon in Form einer Orangenspalte. Es ist der fertige Cover-Entwurf für „Born Under Saturn“, Django Djangos zweites Album nach ihrem gefeierten Debüt. „Das war ein Instagram von einer Freundin von uns“, sagt Maclean. „Die wird sich wundern, dass wir das verwenden.“
Grace deutet auf einen gleich danebenliegenden semiabstrakten Druck: „Und das hier wird unser Plakat. John Mooney, mein Lehrer vom Art College in Edinburgh, hat das gemacht.“ Es gibt wohl kein charmanteres britisches Pop-Stereotyp als das der ästhetisch versierten Band, die eben nicht Musik, sondern Kunst studiert hat und im Dienste des Pop alles plündert, was ihr an Inspiration in die Finger kommt – ob Bild oder Ton.
Beats, Samples und Psychedelia
„Ich war in zwei Dingen ziemlich gut: Collagen machen und Tracks aus Samples basteln,“ erzählt Maclean, „Als ich mir dann zum ersten Mal einen Computer kaufte und die Darstellung der Musik auf dem Bildschirm vor mir sah, wurde mir klar, dass beides genau derselbe Prozess war. Von da an konzentrierte ich mich auf nichts anderes mehr.“
Das Rohmaterial für seine ersten Klangschnipseleien sammelte Maclean schon als Kind gemeinsam mit seinem Bruder John, später ein Gründungsmitglied der um die Jahrtausendwende erfolgreichen Beta Band, deren Mischung aus Beats, Samples und Psychedelia man durchaus als Prototypen des Django-Django-Sound bezeichnen könnte.
„Schon allein das Wort ‚Rock‘ ohne den ‚Roll‘ klingt für mich furchtbar statisch“
„John und ich stahlen unserem Vater Stück für Stück die besten Platten weg“, gesteht Maclean ohne jede Reue. „Er hatte eine tolle Sammlung. So entdeckte ich zum Beispiel die Beach Boys.“
Mit zwölf Jahren war Dave Maclean noch Sixties-Aficionado und Nirvana-Fan, aber dann kaufte er sich das erste Album von The Prodigy und alles wurde anders. Er begann eine frühe Karriere als DJ, die ihn von Breakbeats über Jungle und HipHop zu Disco und von dort wieder zurück zum Rock’n’Roll führte: „Wenn man einmal anfängt nachzuforschen, wo all die Samples herkommen, öffnet sich eine riesige Welt des Jazz und des Funk. Ich baute aber auch die frühen Rolling Stones und Bo Diddley in meine Sets ein, denn das war für mich immer noch Dance Music, im Unterschied zu diesem aufgeblasenen Sound der späteren Rockmusik. Schon allein das Wort ‚Rock‘ ohne den ‚Roll‘ klingt für mich furchtbar statisch. Den Groove kann man doch nicht einfach wegschneiden.“
Bombastischer sein
Vor neun Jahren zog Maclean von Edinburgh nach London und jobbte sich durch Pubs und Kinos, während er in der Freizeit an seiner musikalischen Vision bastelte. Unabhängig voneinander taten das auch seine Bekannten und Studienkollegen Tommy Grace, Jim Dixon und Vinnie Neff. Auf der Uni in Glasgow hatte Dixon miterlebt, wie sein Mitbewohner und Kommilitone, der in Deutschland aufgewachsene Nick McCarthy, sein gesammeltes Kunstschulwissen in alle Aspekte seiner Band Franz Ferdinand einbrachte. „Bei uns ist das genauso“, sagt Dixon. „Wir überlassen nichts von unserem Artwork oder Band-Image irgendjemand anderem. Alles ist Teil eines gemeinsamen Dings.“
Dessen Zusammensetzung begann in diesem Fall aber nicht wie sonst üblich mit der Formierung der Band, sondern mit Vinnie Neffs Idee, Dave Maclean als Produzent seiner Songs zu rekrutieren. Django Djangos 2012 erschienenes Debütalbum wurde demnach eigentlich von diesem Duo aufgenommen. Zur vierköpfigen Band entwickelte sich das Projekt erst, weil die Songs vor Publikum gespielt werden mussten und Maclean die weise Einsicht hatte, dass „gefinkelte Beats vom Laptop live nicht viel taugen. Da muss man schon ein bisschen bombastischer sein.“
Mit „Born Under Saturn“ dokumentiert sich diese Live-Variante von Django Django (Dixon am Bass, Grace am Keyboard, Neff an der Gitarre und Maclean als, wie er sagt, „Drummer wider Willen“) nun zum ersten Mal auf Tonträger. Aufgenommen und arrangiert wurde immer noch im Collageverfahren, allerdings mit hörbar mehr Raum für zusehends mächtige Gitarrenriffs und Vokalharmonien im Stile alter Heroen wie Gerry Rafferty oder der Zombies sowie für große Refrains als Zugeständnis an die wachsenden Publikumszahlen: „In einer Kunstgalerie vor zwanzig Leuten kannst du den Rhythmus auf einer Milchflasche klopfen“, sagt Maclean. „Aber versuch das mal vor 60.000 Menschen beim Fuji Rock Festival. Da denkst du dir dann: Okay, wir müssen unser Konzept ein bisschen verändern.“ Auf alles kann einen die Art School doch nicht vorbereiten.Robert Rotifer