DJ SHADOW macht es sich schwer, damit die Musik leicht klingt – ein Sampler mit felsenfester Ethik

Als sich Josh Davis alias DJ Shadow fertigmachte für die Arbeit an der neuen Sample-Collage „The Private Press“, standen rund 1000 unberührte Platten bereit. Jeden Tag hörte er zwischen 50 und 100 durch, auf die Geeigneten klebte er Post-It-Zettel, zum Beispiel „Gute Bass-Linie auf Song 3“, die Ungeeigneten stapelte er fürs Lager. Bei durchschnittlich sieben Alben pro Arbeitsstunde kam es so selten vor, dass er ein Stück für den Eigenbedarf behalten wollte, dass ein kleines Spezialregal genügte. Wenn dort 25 Platten standen, brannte er sich eine Mix-CD.

Es gibt unter den DJs und Sample-Artisten ja unterschiedliche Berufsauffassungen: Die einen sehen sich vor allem als Unterhalter, die anderen als menschliche Filter, die das Privileg halten, die schlechten Platten auszusortieren und die guten zu featuren – im Reggae-Sound-System heißt der Mann sinnfällig selector. Und wer einmal ausprobiert hat, wie man zwischen Frühstück und Pausenbrot mit Plattenspieler und Computer einen swingenden Club-Track dröseln kann (der auch noch dankbar heruntergeladen wird, sobald man ihn auf eine Bootlegger-Website stellt), der versteht, warum der penible, überkritische DJ Shadow die herausragenden Stücke macht. Einen Monat hat er bei „The Private Press“ für jede der 14 Slow-Beat-Collagen gebraucht, „der größte Teil ist immer umsonst, weil ich später von Zuhause in ein richtiges Studio umziehe und alles nochmal durchgehe: Welche Bemente machen mehr kaputt als sie beitragen? In der Regel lösche ich aus jedem Track 15 Samples und Scratches wieder heraus.“ Der Künstler zermeißelt die Blöcke, die er sich aus Kieseln zusammengeklebt hat.

Und während der Entertainer-DJ-Typ daraufbaut, dass die Leute seine Samples und so ihre eigenen Musikgeschmäcker wiedererkennen, lässt DJ Shadow ihnen nur den kleinen Triumph „El Condor Pasa“ (ausgewertet für den Track „You Can’t Go Home Again“), denn die Ur-Motivation ist die Lust am Geheimwissen: „Wenn ich hörte, wie ein HipHop-DJ mit einer komischen Platte scratchte, die ich auch hatte, war das wie eine stille Übereinkunft. Dann habe ich zu Hause versucht, das noch besser zu machen.“ Mit neun Jahren sah er daheim in Davis/Kalifornien staunend die Fernsehsendung, in der die Geräuschemacher von „Das Imperium schlägt zurück“ ihre Geheimnisse vorführten. Das Cover seines ersten Albums „Endtroducing“ (1996 auf Mo‘ Wax) zeigte Vinyl-Jäger, die wie geisterhafte Ninjas wirkten. Shadow-DJs.

„Ich hatte immer den eisernen Vorsatz, mich nie zu Formspielchen ohne Substanz hinreißen zu lassen“, sagt Josh Davis. Er hat ihn gebrochen. „Monosylabik“, fast sieben Minuten lang, wurde mit Gewalt aus einem einzigen dreisekündigen Beat-Sample konstruiert, mit allen Effekten. Er schaffte nur zehn Sekunden am Tag und fühlte sich wie ein Trickfilmer. Spätestens hier hört der Spaß garantiert auf.

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