Liste

Die zehn besten Soloalben der Beatles-Musiker

ROLLING STONE präsentiert: Die zehn besten Soloplatten von Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr.

George Harrison – „All Things Must Pass“

Was für ein Triumph! Harrison macht aus den Liedern, die Lennon, McCartney und George Martin nicht wollten – „Isn’t It A Pity“ stammt noch aus „Revolver“-Zeiten –, ein von Phil Spector pompös überproduziertes Doppelalbum, hängt noch eine zusätzliche Platte mit einer super besetzten Jam-Session hintendran und verkauft davon weitaus mehr als seine Ex-Kollegen mit ihren ersten Soloalben. Tatsächlich hat er, wie auf dem Cover angedeutet, seine ehemaligen Mitstreiter rein kommerziell gesehen zu Gartenzwergen degradiert. Und den Gitarrensound, den man bis heute mit ihm verbindet, bringt Harrison eigentlich erst hier, nach Ende der Beatles, zur Perfektion. „My Sweet Lord“ ist die erste Single eines Ex-Beatle, die es in England und den USA an die Charts-Spitze schafft (und die Harrison eine Copyright-Klage einbringt, weil sein Welthit zu sehr wie der Chiffons-Hit „He’s So Fine“ klingt). In Zeiten, da die Jugend auf allerlei spirituellen Pfaden unterwegs ist, hat Harrison einen Nerv getroffen.

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John Lennon – „Plastic Ono Band“

Auf seinem ersten Soloalbum verarbeitet Lennon die Erfahrungen, die er machte, als er sich Arthur Janovs Primärtherapie unterzog und sich seinen Kindheitstraumata stellte. Der Unfalltod seiner Mutter, seine Herkunft, der Preis des Ruhms, der Heroin-Entzug und der Hass, der seiner Frau Yoko Ono entgegenschlug, stehen im Mittelpunkt dieser Lieder. Begleitet wird er von Ringo Starr am Schlagzeug und Klaus Voormann, den er einst in Hamburg kennenlernte, am Bass. Doch es ist seine Gitarre, die klingt, als würde er auf seinen Nervenenden spielen, die den Sound dieser Platte bestimmt. Am Ende sind alle Mythen geplatzt und alle Geheimnisse gelüftet, und Lennon steht – wenn man von dem Hall absieht, den Produzent Phil Spector um seine Stimme legt – nackt da.

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Paul & Linda McCartney – „Ram“

Sein Debüt, „McCartney“ von 1970, stellte die Post-Beatles-Depression aus, „Ram“ ist ein Jahr später sein geradezu manischer Neuanfang. „Piss off“, singt er zu Beginn (bzw. „piss-off cake“ wie in „piece of cake“), so als wollte er sagen: „Geht ruhig alle weg, ich kann das auch allein“, um dann die ganze Palette seines Könnens, vom hingeworfenen Akustikstückchen bis zur Pop-Sinfonie, vom räudigen Rocker bis zur zarten Ballade, zu zeigen. Und mit Linda singt er Harmonien, wie sie nur Verliebte singen können. 1971 fiel das Album bei der Kritik und den Ex-Kollegen durch. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde es von neuen Generationen wiederentdeckt. Wenn das Wort Power-Pop jemals eine Berechtigung hatte, dann zur Beschreibung dieses Albums.

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John Lennon – „Imagine“

Nach dem nackten „Plastic Ono Band“ greift Lennon zum Zuckerguss und singt gleich mehrere große, nicht ganz pathosfreie Klavierballaden, wie sie bei den Beatles gegen Ende McCartney lieferte. Das Titelstück entstand nach einer Idee von Yoko Ono (die dafür seit 2017 in der Autorenzeile geführt wird), „Jealous Guy“ ist eine textlich überlegene Neufassung des Beatles-Outtakes „Child Of Nature“, „Oh My Love“ und „How“ bedecken die Nacktheit, die Lennon auf „Plastic Ono Band“ ausstellte, mit Watte. Den Sprachwitz und die Schärfe, die ihn ausmachen, liefert er nicht nur im McCartney-Diss-Track „How Do You Sleep?“, sondern auch im besten Song des Albums, dem ebenfalls schon Beatles-erprobten „Gimme Some Truth“.

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Ringo Starr – „Ringo“

Alle drei Beatles helfen Ringo Starr nach den Coveralben „A Sentimental Journey“und „Beaucoups Of Blues“ bei seinem ersten Soloalbum mit neuen Songs. George Harrison schreibt mit ihm den Top-Ten-Single-Hit „Photograph“ und gemeinsam mit dem ehemaligen Beatles-Assistenten Mal Evans „You And Me (Babe)“, die McCartneys verschenken das hübsche „Six O’Clock“, und Lennon schreibt ihm „I’m The Greatest“ auf den Leib (auch wenn er damit vielleicht eigentlich sich selbst meinte). Die zweite Single, Starrs Version von Johnny Burnettes „You’re Sixteen“, wird ebenfalls ein Hit, und „Ringo“ ist bis heute sein überzeugendstes und erfolgreichstes Soloalbum.

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George Harrison – „Living In The Material World“

Zweieinhalb Jahre vergehen, bis Harrison einen Nachfolger seines Triple-Albums „All Things Must Pass“ veröffentlicht. Nicht, weil ihm die Songideen ausgegangen sind, sondern weil er mit dem „Concert For Bangla-Desh“ beschäftigt war. Auf „Living In The Material World“ führt Harrison seine spirituelle Suche fort, ohne die weltlichen Probleme der Post-Beatles-Streitereien auszublenden. Zugleich versucht er aber, seiner alten Identität in Songs wie „Be Here Now“, „The Light That Has Lighted The World“ und „Who Can See It“ zu entkommen. Wenn „All Things Must Pass“ eine Art Greatest-Hits der von den Beatles verschmähten Songs war, ist „Living In The Material World“ ein geschlossenes Album, das Harrison selbst produziert hat, nachdem Spectors Verhalten zunehmend erratisch wurde.

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Paul McCartney & Wings – „Band On The Run“

Die Post-Beatles-Depression scheint endgültig überwunden, McCartney ist aus der Einsiedelei zurückgekehrt, hat wieder Ohren für das, was in der Popwelt vor sich geht (Glam- und Prog-Rock etwa), und baut sich aus den angesagten Klängen einen Sound zusammen, der für seine neue Band charakteristisch werden sollte und wenig mit den Beatles gemein hat. Dabei scheinen die Wings vor den Aufnahmen zu ihrem dritten Album bereits am Ende, verließen Schlagzeuger Denny Seiwell und Gitarrist Henry McCullough doch am Vorabend das Abflugs nach Lagos, wo große Teile von „Band On The Run“ entstehen sollen, die Band. Unter widrigsten Umständen nehmen die McCartneys mit Denny Laine als Trio einen Klassiker aus epischen Rocksongs und betörenden Melodien auf. Während die ehemaligen Kollegen ihr Pulver verschossen zu haben scheinen, startet McCartney durch, und die Wings werden eine der größten Rockbands der Siebziger.

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George Harrison – „George Harrison“

Die eher schwachen Alben „Dark Horse“ und „Extra Texture“, eine durch zu viel Kokain zerschossene Stimme und eine desaströse US-Tour, bei der er sich auch noch mit John Lennon überwarf, führten dazu, dass George Harrisons Solokarriere Mitte der Siebziger die Luft ausging. Das wieder ganz gute „Thirty Three & ⅓“ von 1976 schaffte es weder in den USA noch in England in die Top Ten, Harrison widmete sich lieber der Filmproduktion und Autorennen. Nach drei Jahren Pause erscheint dann ebenfalls relativ unbemerkt sein wohl schönstes Pop-Album, das nicht nur im nächtlichen „Here Comes The Sun“-Sequel „Here Comes The Moon“ und dem „White Album“-Outtake „Not Guilty“ durchaus beatleske Anklänge hören lässt und durch Russ Titelmans slicke Yacht-Rock-Produktion und Steve Winwoods Keyboards zugleich zeitgemäß klingt. Das Eröffnungsstück, „Love Comes To Everyone“ (mit Clapton-Solo), und der kleine Single-Hit „Blow Away“ gehören zu Harrisons schönsten Liedern.

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John Lennon & Yoko Ono – „Double Fantasy“

Das Comeback nach fünf Jahren Pause soll eigentlich aus zwei Alben bestehen, auf denen Yoko Ono und John Lennon sich mit Songs abwechseln. Fertig wird nur das erste, auf dem Lennon zum Ärger der damaligen Kritik nicht mehr wie das zerrissene Genie oder der schnoddrige Rebell klingt, sondern wie ein bei sich angekommener Ehemann und Vater. Songs über das Glück wie „Watching The Wheels“, „Beautiful Boy“ und das beatleske „Woman“, die nach seinem Tod eine tragische Dimension bekommen, sind frühe Beispiele für das, was man später Adult Contemporary Pop nennen wird, und auf ihre Art so ehrlich und schonungslos wie die Lieder auf „Plastic Ono Band“. Ono gibt derweil in „Kiss Kiss Kiss“ und „Give Me Something“ die New-Wave-Eiskönigin.

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Paul McCartney – „Chaos And Creation In The Backyard“

John Lennons Tod stürzt McCartney in eine große kreative Krise. Er löst die Wings auf, nimmt mit „Tug Of War“ noch ein klassisches Album auf und sucht in Kooperationen mit Stevie Wonder, Michael Jackson, 10ccs Eric Stewart und Elvis Costello nach einem neuen Songwriting-Partner und Lennon-Ersatz. Doch es braucht einen Produzenten, der ihm die Stirn bietet. Den findet er schließlich in dem durch seine Arbeiten mit Radiohead und Beck zu Ansehen gekommenen Briten Nigel Godrich. Der zwingt McCartney, seine Songs auszuformulieren, seine rockistische Tourband zu Hause zu lassen und – wie auf seinen Soloalben „McCartney“(1970) und „McCartney II“(1980) – so gut wie alle Instrumente selbst zu spielen. „Chaos And Creation In The Backyard“ ist ein Album, auf Backyard“ ist ein Album, auf dem McCartney die Maske des ewigen Jungen abnimmt, sich verletzlich und introspektiv gibt und meisterliche Songs wie „Jenny Wren“, „Friends To Go“ und „Too Much Rain“ mit viel Liebe zum Detail arrangiert. Godrich und McCartney gehen nicht im Guten auseinander, aber das Ergebnis gibt dem Produzenten recht.

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