Post ID: 635281
ASMB No Ads Value:
Home › Musik › News
Die zehn besten Alben 2014 – die Top Ten von Arne Willander
Die ROLLING-STONE-Autoren haben gewählt: die zehn besten Alben des Jahres.
10. Robert Ellis: 'The Lights From The Chemical Plant'.
Nach seinem Debüt zog Robert Ellis 2012 von Houston nach Nashville, geschadet hat es dem 25-Jährigen nicht. Seine schwelgerischen Country-Folk-Songs klingen immer noch wie aus der Zeit gefallen und erzählen - mit kräftiger, aber nie übertriebener Gitarren- und Piano-Begleitung - doch so viel vom Leben im Jahr 2014: Wie einen der Fernseher über die Einsamkeit hinwegtröstet, wie einem falscher Stolz im Weg steht, wie man sich nach gestern sehnt, obwohl damals auch nichts besser war. Neben Ryan Adams und Dawes kann sich Ellis inzwischen problemlos behaupten, er hat seine eigene Stimme gefunden. Weshalb er es sich sogar leisten kann, Paul Simons 'Still Crazy After All These Years' zu covern.
Bester Song: 'TV Song'
10. Robert Ellis: ‚The Lights From The Chemical Plant‘.
Nach seinem Debüt zog Robert Ellis 2012 von Houston nach Nashville, geschadet hat es dem 25-Jährigen nicht. Seine schwelgerischen Country-Folk-Songs klingen immer noch wie aus der Zeit gefallen und erzählen – mit kräftiger, aber nie übertriebener Gitarren- und Piano-Begleitung – doch so viel vom Leben im Jahr 2014: Wie einen der Fernseher über die Einsamkeit hinwegtröstet, wie einem falscher Stolz im Weg steht, wie man sich nach gestern sehnt, obwohl damals auch nichts besser war. Neben Ryan Adams und Dawes kann sich Ellis inzwischen problemlos behaupten, er hat seine eigene Stimme gefunden. Weshalb er es sich sogar leisten kann, Paul Simons ‚Still Crazy After All These Years‘ zu covern.
Bester Song: ‚TV Song‘
9. John Fullbright – ‚Songs‘
Wie oft liest man etwas über ‚klassisches Songwriting‘ und ist dann doch enttäuscht, weil man wieder nur den üblichen Retro- oder wahlweise auch Indie-Kram zu hören bekommt. Der aus Bearden/Oklahoma stammende John Fullbright zelebriert diese Kunst jedoch wie eine Zunft, die außer ihm vielleicht noch ein paar uralte Meister beherrschen. Zu akustischer Gitarre, Klavier und Wurlitzer singt Fullbright mit unnachahmlich sonorem Raspeln Balladen wie ‚When You’re Here‘ und ‚She Knows‘, die so klingen, als hätte sie jemand zu mitternächtlicher Stunde in einer herrlich verqualmten Bar zwischen vollen Aschenbechern und leeren Whiskygläsern geschrieben. Man möchte ewig dort sitzen.
Bester Song: ‚Write A Song‘
5. Damien Rice: My Favourite Faded Fantasy‘.
Ein Album wie ein Offenbarungseid: Nach der Trennung von Lisa Hannigan brauchte Damien Rice acht Jahre, um diese acht Stücke fertigzustellen – er hatte keine Eile, denn seine Songs wurden derweil in jeder zweiten amerikanischen Fernsehserie (und in Mike Nichols‘ Film ‚Closer‘) als stimmungsvolle Klangkulissse verwendet. Der irische Barde ist ein wahrer Übertreibungskünstlker und Emotionsvirtuose – und ein Liebling der Frauen mehr als der Kritik.
Bester Song: ‚I Don’t Want To Change You‘
4. Ben Watt – ‚Hendra‘.
Ein einziges Soloalbum hatte der Everything-But-The-Girl-Mann 1983 veröfentlicht. Vielleicht braucht es ja ein halbes Leben, um eine Platte wie ‚Hendra‘ zu machen. Um so tief in sich hineinzuhorchen und zu solcher Ehrlichkeit zu gelangen. Um jede Form von Eitelkeit und Prätention hinter sich zu lassen. Mit Bernard Butler an der Gitarre verwandelt Watt Alltagsbetrachtungen und Liebeslyrik in mal bitter-melancholischen, mal glühenden Folk-Pop. Wie großartig, klug und mitunter schmerzlich diese Lieder sind, begreift man mit jedem Hören mehr. Aber sind es nicht gerade die schmerzlichen Einsichten, die man später nicht missen möchte? Who am I foolin‘ when I say I have no regrets?
Bester Song: ‚Forget‘
3. Spoon. They Want My Soul‘.
Die immer schon erstaunliche Rockband aus Texas hat ihr eingängigstes Album aufgenommen – und immerhin Platz zwei der amerikanischen Charts erreicht. Besonders die von Dave Fridmann produzierten Stücke halten raffiniert die Balance zwischen Pop-Melodik und Rock-Rabulismus; ‚Outlier‘ schrieb Sänger Britt Daniels mit Brian Eno. Die früher manchmal vertrackten Songs sind einem konzisen Band-Klang gewichen, der Keyboards und Effekte integriert. ‚Rent I Pay‘, ‚Rainy Taxi‘ und ‚Do You‘ haben dennoch eine knochentrockene Dringlichkeit und werden von Daniels zeternd-sehnsuchtsvoll und höhnisch gesungen wie Stücke von Nirvana – allerdings ohne ein Jota Larmoyanz.
Bester Song: ‚Rainy Taxi‘
2. Roddy Frame – ‚Sven Dials‘.
Der ewige 19-Jährige, der die Welt 1983 mit Blue-Eyed-
Soul-Legenden wie ‚Walk Out To Winter‘ beglückte, geht noch einmal in die Vol-
len. Ein Comeback in der Mitte des Lebens, das die filigranen Höhenflüge von einst fortsetzt. Der Geist von Aztec Camera schwebt über ‚Postcard‘ oder ‚Fourty Days of Rain‘. Und die herbe Romantik der Highlands wird wieder mit Motiven der amerikanischen Rock-/Folk-Musik verwoben. Frame gelingt es dabei, aus dem eigenen Ouevre zu schöpfen, ohne zum Rückspiegelfahrer zu werden. Ein Update der klassischen Soundschule Schottlands, die sich seit den Neunzigern verstärkt in die Elektronik verlagert hat. Frame lässt seine Gitarre sprechen – und landet damit mühelos in der Jetztzeit.
Bester Song: ‚Postcard‘
1. John Southworth – ‚Niagara‘
Er sagt, dass ihm das Konzept erst einfiel, als die Stücke schon geschrieben waren: ein Doppel-Album über die Niagarafälle – eine CD für die kanadische, eine für die amerikanische Seite. Zwei Songs wenigstens hatte John Southworth indes womöglich nicht geschrieben, bevor ihn die Wasserfälle fluteten: ‚Niagara Falls Is Not Niagara Falls‘ auf kanadischem und ‚She Is My Niagara Falls‘ auf amerikanischen Terrain. Traue keinem Dichter! Die Dichotomie ist so sinfällig, dass es nur ein Krampf werden konnte – aber ‚Niagara‘ wurde ein unwahrscheinliches Meisterwerk ohne Ansage, ohne Anzeichen, ohne Vorschusslorbeeren und prominenten Zuspruch.
Die früheren Alben von John Southworth sind gut, aber sie sind nicht außerordentlich. Zwar wurden sie vom ‚Canada Council For The Arts‘ gefördert, doch in Deutschland nicht vertrieben, was womöglich auch damit zu tun hat, dass sie ‚Yosemite‘, ‚Banff Springs Transylvania‘, ‚Sedona Arizona‘ und ‚Mars Pennsylvania‘ heißen- vermeintlich Musik zur amerikanischen Topografie. Man hört Southworths Gesang, der zwischen Kopfstimme und wohltönendem Bariton changiert, man hört ordentlich gesetzte Songs, die sich nicht entscheiden können zwischen Americana, Kammer- und Rockmusik, man hört Begabung. Noch ‚Mama Tevatron‘ (2009 ) ist eine Übung im Suchen, aufgenommen in Trio-Besetzung, Southworth an den Keyboards – die Gitarre hatte bei ihm nie nennenswerte Bedeutung….
Aber auf ‚Human Cry‘ (2012) passiert etwas Merkwürdiges: Nach vielen hübschen Songs kommt ‚So Glad It‘s Finally Spring‘, und plötzlich öffnet sich ein Fenster in die Vergangenheit, zum Vaudeville, zum Musical, zur amerikanischen Unterhaltungsmusik der 20er- und 30er-Jahre, die höchste Kunst ist. Auch das nächste Lied, ‚You Look So Good This Evening‘, hat diesen nostalgischen, erhebenden Ton, und ‚I‘m A Bell‘, das die Platte beschließt, ist ein gespenstisches, silbriges, sehnsüchtiges, schlafwandlerisches Liebeslied.
‚Niagara‘ nun ist voll solcher bittersüßen Balladen und Nachtgesänge: ‚I need someone who‘ll take shorthand rapidly/ For poetry is made at night‘, singt Southworth. In der Literatur würde man ihn einen ‚Erotiker‘ nennen. In seinen Songs treten verrückte Frauen auf und anmutige Engelsmädchen, natürlich kommt der ‚honeymoon with Marilyn Monroe‘ vor, Frauen verschwinden, Schmetterlinge werfen Schatten, Bäume werden umarmt. Auf Pressefotos liegt der Minnesänger angezogen auf einem Bett, daneben schläft eine Frau unter einer Decke.
Diese Lieder! Zwar heißt ein Song ‚Folk Art Cathedral‘, aber das Pastorale ist den Texten eingeschrieben, nicht der Musik. Man muss tatsächlich bis zu den schwärmerischen Songs von George Harrison, den kunstfertig gedrechselten Arien von Harry Nilsson und den feingliedrigen Kompositionen von Paul Simon zurückgehen, um solche Schönheit und Raffinesse zu finden. Das Krachlederne und Polternd- Nostalgietrunkene so vieler Neo-Folk-Adepten fehlt bei Southworth, der Piano, Wurlitzer-Orgel, Fender Rhodes und Vibrafon nicht als Zierrat einsetzt, sondern als sein Instrumentarium. Seine Band, The South Seas, wurde bei ‚Niagara‘ manchmal um einige Bläser erweitert. Die Songs gleiten dahin, sie ziehen in den Bann eines sensualistischen Gemüts: ‚Two beautiful somnambulists/ In The early morning autumn wind.‘
Und am Ende singt der Dichter: Sie ist es. Sie ist meine Niagarafälle.
Empfehlungen der Redaktion
Abonniere unseren NewsletterVerpasse keine Updates