Die Würde des Klapskallis
Der Hamburger Sänger Olli Schulz weiß aus Erfahrung, dass das Leben oft doof ist. Wie man es trotzdem bewältigt, ohne sich zum Affen zu machen, weiß er auch.
Innerhalb des meist als homogen wahrgenommenen, kuscheligen Hamburger Familienunternehmens Grand Hotel Van Cleef bestehen ja durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Protagonisten. Wo es bei Tomte im Subtext ums hedonistische Lebensgefühls a la Oasis geht und Kettears Marcus Wiebusch stets die Figur des Übervaters dieser virilen Szene einnahm, war Olli Schulz eben zwei Alben lang der lustige Mann mit der Gitarre. M it selbst zusammengebastelten Schrubber-Liedern und ganz viel Herz und Humor.
Das ist natürlich grundsympathisch, legt einen aber auch schneller auf die entsprechende Nische fest, als Funny van Dannen einen E-Dur-Akkord anschlagen kann. Deshalb, und weil er Frohsinn ohnehin nicht in jeder Lebenslage als adäquate Reaktion empfindet, hat der 32jährige Schulz beschlossen, den Kleinkunst-Olli nur noch in kleinen Dosen zu geben. Dass er dies auch gleich bei einer neuen Plattenfirma tut, ist da nur konsequent. „Warten auf den Bumerang“ ist nun des Neu-Berliners erstes „richtiges“ Musik-Album. „Den Traum von einer ernsthaften Platte hatte ich schon lange“, erklärt Schulz. „Privat sind ja öffentlich witzige Menschen häufig melancholisch und ruhig. Ist bei mir auch nicht viel anders. Und wenn Christina Stürmer singt ,Ich kriege nie genug von diesem Leben‘, sage ich jetzt eben, dass das Leben manchmal alles andere als geil ist.“ „Doch wenn du wüsstest, da ist jemand, der ist die ganze Zeit bei dir, würdest du nie wieder lügen und anfangen, dich selbst zu lieben“, singt Schulz nun in „Unsichtbarer Vogel“. Und das ist unbedingt vertonte Erfahrung – einige Katastrophen, denen Schulz schon in jungen Jahren die Stirn bieten musste, hätte er sich nämlich gerne „für später aufgespart“. Geboren im Herzen St. Paulis, die überforderte Mutter ist damals gerade 17, der Vater schnell weg, wächst Schulz zunächst bei den Urgroßeltern auf. Seinen Erzeuger hat er bis heute nicht kennengelernt.
Humor wurde in den frühen Jahren so auch zur Überlebens- und Aufmerksamkeits-Erlangungsstrategie. Teils mit Tendenz zum Hysterisch-Überbordenden: In der Schule war der nach Eigenauskunft hyperaktive Klein-Olli eine „Nervensäge mit anstrengendem Mitteilungsbedürfnis, der die anderen nicht hat zu Wort kommen lassen“. Auch im Interview muss man sich ein bisschen behaupten, um vom atemlosen Schulz nicht überrollt zu werden.
Ab dem zwölften Lebensjahr beginnt der „anstrengende Musikfan“, all sein Geld für Platten auszugeben. Zunächst Metal, später das komplette Indie-ABC von Mudhoney bis Pavement. Ein geübter Deo-Roller-Poseur und Aushilfs-Bruce-Dickinson vor dem heimischen Spiegel ist er schon damals, aber mit den paar Akkorden, die er sich bald auf der Gitarre beibringt, einmal Geld zu verdienen, liegt in weiter Ferne. Nach der Schule schreibt Schulz Drehbücher, die abgelehnt werden, Songs, die er nur privat singt, nimmt halbherzig ein Studium auf und wohnt in wechselnden WGs auf der Hamburger Schanze – ein Leben in der zweiten Reihe.
Mit 28 dann der große Bruch: Studiumsabbruch, die Freundin weg – plötzlich weiß der ohnehin Unentschlossene „gar nicht mehr, wohin mit mir“. Der Rest ist bekannt: Der alte Freund Wiebusch bietet an, eine Platte zu machen, die verkauft sich unerwartet gut und – zack! – war der feste Platz im Leben gefunden.
Man muss die Wechselhaftigkeit und Zufälligkeit dieses Lebensweges kennen, weil sich daraus sowohl Schulz‘ humoristische Begabung als auch sein ungebrochener Optimismus erklären. Die Kunst ist, dass er nicht absäuft in Wehmut, sondern Hoffnung auf kleine Siege vermittelt. Die Songs auf der neuen Platte werden bevölkert von tragisch-komischen kleinen Menschen mit gar nicht so komischen Problemen, die in ihrem trotzigen Stolz etwas anrührend Trostspendendes haben.
Aus der Summe der Erfahrungen ergibt sich eben kein gebrochener Charakter, sondern ein äußerst lebenstüchtiger Mann und Geschichtenerzähler, der um die Wichtigkeit des Feingefühls weiß. Schulz glaubt: „Im Angesicht des Todes wird sich zeigen, ob du dein Leben als Lernprozess begriffen oder herzlos die Welt beackert hast.“ Er wird auf jenen hoffentlich fernen Tage wohl mit einem Lächeln im Gesicht warten.