Die wichtigsten Punk-Platten: 1970 bis 1981
Weiter geht es mit unserer chronologischen Liste der besten Alben des Punks. Für den dritten Teil unserer Serie begeben wir uns in die Jahre 1979 bis 1981.
In der Juli-Ausgabe des Rolling Stone hat sich die Redaktion dem Punk gewidmet. Neben Artikeln über die Helden und das Erbe des Punks, sowie der neuen Blondie-Platte als exklusive Beilage, gibt es auch eine chronologische Liste der wichtigsten Platten des Punk. In den letzten zwei Wochen gab es an dieser Stelle bereits die Plätze 31 bis 50, diese Woche fahren wir mit den Plätzen 21 bis 30 fort, die den Zeitraum von 1979 bis 1981 umfassen. Seit dem Erscheinen des Hefts ist eine rege Diskussion über die Liste der Punk-Platten entbrannt. Wenn Sie wollen, können Sie im Forum mitdiskutieren.
Platz 21: Buzzcocks – Singles Going Steady (UA, 1979)
Eine Compilation von Singles (zunächst für die USA) dieser typischen 45er-Band, die 1976 als Reaktion auf ein Konzert der Sex Pistols von Pete Shelley und Howard Devoto gegründet wurde. Die Buzzcocks brachten Ironie und Pop-Verständnis in den Punk: „Orgasm Addict“, „Everybody’s Happy Nowadays“ und „Ever Fallen In Love?“ haben Schmiss und Melodie und ebneten den rotzigen Songs von Joe Jackson den Weg. 1981 arbeitete die Gruppe an ihrem dritten Album, als die Plattenfirma „Singles Going Steady“ wiederveröffentlichen wollte und sich weigerte, einen Vorschuss für die nächste Platte zu zahlen. Pete Shelley löste die Band auf und begann eine wenig beachtete Solokarriere; 1989 fanden die Musiker wieder zusammen.
Platz 22: Gang Of Four – Entertainment! (EMI, 1979)
Die Band um den Gitarristen Andy Gill bekam nach ein paar verheißungsvollen Singles einen Vertrag bei EMI. 1979 erschien dieses höhnische, antikapitalistische Pamphlet mit den typischen eckigen Rhythmen und dem skandierten Sprechgesang, die sich den Talking Heads verdankten. Von der Gang lernten wiederum die Fehlfarben. „Damaged Goods“, „Guns Before Butter“ und „At Home He’s A Tourist“ sind sardonische Bestandsaufnahmen einer verkommenen Gesellschaft, mit trockenem Minimalismus gespielt und um Funk und Afro-Beats erweitert. 1983 ging die Gruppe auseinander; als sie 20 Jahre danach immer häufiger vom Indierock-Nachwuchs als Referenz erwähnt wurde, kam sie 2005 wieder zusammen.
Platz 23: The Slits – Cut (ISLAND, 1979)
Eigentlich ist „Cut“ vielmehr ein Dub- als ein Punk-Album. Der von Siouxsie & The Banshees geborgte Schlagzeuger Budgie und der Reggae-Produzent Dennis Bowell bauten ein raffiniertes rhythmisches Gerüst, in dem sich die drei Musikerinnen frei und selbstbewusst bewegten. „Newtown“ besteht überwiegend aus kleinen Geräuschen – aufflammende Streichhölzer, raschelnde Schachteln, klimpernde Münzen. Ari Up, Tessa Pollitt und Viv Albertine spielen die Instrumente minimalistisch, eher mit Spaß als Ambition, aber immer funky – weshalb „Cut“ noch heute so unverbraucht klingt. Die Slits haben vermutlich einen wichtigeren Beitrag zum Feminismus im Pop geleistet als die im gleichen Jahr gegründete Kampfschrift „Emma“.
Platz 24: The Clash – London Calling (CBS, 1979)
1979 hatte die Apokalypse England erreicht: Die Arbeitslosigkeit stieg, Armut und Rassismus waren die Folge, Kokain kam in Mode, und die eiserne Lady Margaret Thatcher trat ihren Dienst an. Niemand fand dafür bessere Bilder als Clash-Sänger Joe Strummer. Der BBC World Service meldet sich wieder wie in dunklen Tagen des Zweiten Weltkriegs: „This is London calling …“ Doch während in den Texten die Welt untergeht, findet sich in der Musik, im Nebeneinander von Ska, Funk, Pop, 60s-Soul und Rockabilly, eine echte Utopie. Das Cover, das Paul Simonon bei der Zerstörung seines Basses zeigt, ist eine Umkehrung des Motivs vom ersten Elvis-Presley-Album: Die Leidenschaft ist in Frustration umgeschlagen, die Party ist vorbei.
Platz 25: X – Los Angeles (SLASH, 1980)
„Yes L.A.“ nannte das Mini-Label Dangerhouse 1979 seine Compilation, „Not Produced By Brian Eno“, als Tritt gegen den vom Ambientmeister produzierten „No New York“-Sampler: Die Köter von der Westküste zeigten den kunstverliebten Avantgardisten aus NY die Zähne, und hier war auch „Los Angeles“ von X zum ersten Mal zu hören. Ein Song, der allerdings von der Flucht aus der Stadt erzählt, im Duett gesungen vom Punkrock- und Poetenpaar Exene Cervenka und John Doe, das ganz sicher keine englischen Vorbilder hatte, sondern neben dem CBGB-Stoff vor allem Rockabilly und alten Rock’n’Roll gehört hatte. Der Zusammenhang zwischen Pogo und Chuck Berry, ausgerechnet von Doors-Orgler Ray Manzarek produziert.
Platz 26: Dead Kennedys – Fresh Fruit For Rotting Vegetables (ALTERNATIVE TENTACLES, 1980)
Die Erfindung des US-Agitpunk: Da ist Jello Biafras zynische Welt-Enträumungshymne „Kill The Poor“, die die Neutronenbombe als Lösung vorschlägt, um Arme zu entsorgen. „Holiday In Cambodia“, das zu bedrohlicher Gitarrendramaturgie vom Pol-Pot-Regime in Kambodscha und vom Westen, dem das egal ist, erzählt. Die Hardcore-Version eines Flamencos namens „California Über Alles“, in der Biafra aus der Sicht des damaligen (und wieder aktuellen!) kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown eine hippie-faschistische Zukunft vorhersieht. Das Kennedys-Debüt haut 14 Songs in 33 Minuten raus – und findet noch Zeit, um mit dem Vermieter abzurechnen („Let’s Lynch The Landlord“).
Platz 27: Der KFC – … letzte Hoffnung (SCHALLMAUER, 1981)
Ins Publikum pinkeln oder Zuschauern auf die Fresse hauen: Als das erste Studioalbum der Düsseldorfer um Sänger Tommi Stumpf erschien, galt der KFC („Kriminalitätsförderungsclub“) schon als proletarische Outlaw-Bande. Auf dem Cover ein NSDAP-Plakat, drinnen wurde die Bundeswehr mit der Wehrmacht gleichgesetzt („Bremen 1980“) – es ging um maximale Verachtung („Alle Vollidioten tagein tagaus, sie wissen, für sie ist es längst aus …“) und Aggression, es war eine Kampfansage an den einfühlsamen oder polit-didaktischen Schunkelpogo-Konsens der Zeit: „Diese Welt ist scheiße, das ist nun mal so … Wir schlagen zurück, und alles geht kaputt.“ Das ist ein Wort.
Platz 28: The Exploited – Punk’s Not Dead (SECRET, 1981)
Niemand hatte einen schärfer geschnittenen Iro oder eine schöner ramponierte Stimme als Exploited-Sänger Wattie Buchan, niemand prügelte erbarmungsloser auf die Instrumente ein als die drei Mitstreiter des Schotten. Ihr Debütalbum war ein Starkstrom-Aufschrei der zweiten Generation gegen die vermeintlichen Auflösungserscheinungen der Punk-Szene, Songs wie „I Believe In Anarchy“ oder „Exploited Barmy Army“ wurden zu Hymnen der Wut und Verzweiflung in den Thatcher-Jahren. Die Band schrie gegen Krieg und Armut an, gegen Dekadenz und die herrschende Ordnung. Dass sich Jahre später National-Front-Anhänger als Fans outeten, war damals nicht absehbar – und schmälert nicht die Bedeutung dieses großen Wurfs.
Platz 29: Slime – Slime 1 (RAUBBAU, 1981)
Das Debüt der Hamburger bleibt die wichtigste deutsche Punk-LP – eine Standortbestimmung der neuen linken militanten Szene. Songtexte wie „Deutschland muss sterben“ oder „Wir wollen keine Bullenschweine“ klangen wie Demo-Slogans und wurden zu beliebten Szene-Gassenhauern. Die – zeitweise – spätere Strafverfolgung mehrte Ruhm und Bedeutung von Slime, Konzerte endeten oft in Schlachten mit der Polizei, später auch in Prügeleien mit Fans, die ihnen aufgrund des Erfolgs den Ausverkauf vorwarfen. Politischer, radikaler und rotziger als die bekennenden St.-Pauli-Fans war hierzulande niemand. Und mit „Karlsquell“ schufen sie eine der schönsten Biersauf-Hymnen überhaupt. So viel Fun braucht auch der Polit-Punk.
Platz 30: Black Flag – Damaged (SST, 1981)
Ein Frontalangriff auf den Billboard-Rock, den Mythos Kalifornien und den American dream unter Reagan. Black Flag, durch ihr ikonografisches Logo längst zur Marke geworden, sägen an den sozial-moralischen Grundfesten der Gesellschaft: Nie zuvor war Punkrock antiautoritärer als in „Rise Above“ gewesen, vulgärer als in „Six Pack“ und „T.V. Party“ und von einem derartigen Egozentrismus durchsetzt wie in „Gimmie Gimmie Gimmie“: “ I need some more/ Gimme gimme gimme/ Don’t ask what for„, keift Henry Rollins. Vom Fan aus dem Moshpit hatte er es bis zum Sänger gebracht, den Spirit der Szene verkörperte er wie kein Zweiter. Drogen, Teenage-Angst, Delinquenz – laut „Damaged“ ist die amerikanische Jugend äußerst schadhaft.