Die Superfantastischen
Franz Ferdinand sind nicht irr genug. Nick McCarthy gibt deshalb jetzt mit Box Codax dem Affen ein paar Schnäpse aus.
Hätte man sich ja denken können, dass da irgendwas im Busch war. Als man Nick McCarthy in der Bonus-Sektion der Franz Ferdinand-DVD auf dem Keyboard orgeln sah. Oder als auf der Homepage der Band ein Video zu sehen war. das den Gitarristen dabei zeigte, wie er während der Auf nahmen zum Album „You Could Have It So Much Better“ im Waldgebüsch herumkroch, um das Gurgeln eines Bächleins zu samplen. Weil davon auf dem Album am Ende nichts zu hören war. konnte man nur spekulieren, wo diese Schrulligkeiten abgeblieben waren.
Nun hat man den Salat: Box Codax, das Nebenprojekt von Nick McCarthy, das er neben den Franz Ferdinand-Pflichten zusammen mit Alexander Ragnew betreibt, einem Freund aus seiner Münchner Jugendzeit (wem dieser Name erstaunlich unteutonisch vorkommt, kann sich an langen Winterabenden damit beschäftigen, die Buchstaben des Nachnamens neu zusammenzusetzen). „Only An Orchard Away“ ist eine Knalltüte. Nicht so ganz die Musik, die Mädchen zum Tanzen bringt, die sie dafür aber viel lustigere Dinge tun lässt. Ein herrliches Kuriositätenkabinett, aus dessen Schubladen alles quillt, was man sich im Cola-Zuckerschock ausmalen könnte: die melodramatische Moritat über einen Badeausflug mit einem possierlichen Otter. Lo-Fi-Rap-Versuche, Lagerfeuerschnurren zur Schmalz-Country-Gitarre und Gesang, der wie Sesamstraßentiere bei der Moldy Peaches-Karaoke klingt. Wer gerne Details zur Freundschafts- und Bandgründungshistorie hätte, denkt sie sich am besten selbst aus – anders als bei Franz Ferdinand, die ja über einen elaborierten und längst mürbezitierten Gründungsmythos (Handgemenge, Schnaps und Sonnenbänke) verfügen, gibt man sich bei Box Codax extraspröde. Man wolle den Informationslevel niedrig halten, steht auf der Webseite zu lesen – schließlich gebe es ja schon genug Quatsch zu lesen, und so bleibe auch viel mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben.
Jaja. das sei tatsächlich seine Frau Manuela, die da mitunter im Hintergrund singt, lässt sich Nick McCarthy abringen. Von Alexander Ragnew ist nur zu erfahren, dass er als Poet in Toulouse lebt – ,“unpublished writer‘ höre ich gerne als Berufsbezeichnung“, sagt er. Irgendwo in einem Club in oder um München jedenfalls lernten sich die Herren kennen, und daher rührt auch die Verbundenheit mit dem Münchner Gomma-Label, bei dem das Album erscheint – eine bewusste Entscheidung zum Kleinen, Krediblen. „Die Leute kenne ich schon ewig“, sagt McCarthy, „von früher, aus der Clubszene. Sie haben auch Sachen meiner früheren Band Kamerakino raus gebracht, und als ich jetzt mit Franz Ferdinand um die Welt gefahren bin, habe ich gemerkt, dass die überall einen sehr guten Ruf haben. Neulich habe ich LCD Soundsystem getroffen, und die meinten dann auch gleich: ,Bist du der, der da bei Gomma was macht?“‚ Was sie da genau machen, lassen Box Codax gerne Undefiniert – „kitchen sink recordings“ nennen sie ihre Musik, auf den englischen Kitchen-sink-Realismus der 50er und 60er Jahre anspielend, der Alltagsbanalitäten zu Kunstobjekten erhob. „Wörtlich kann man das natürlich nicht nehmen“, sagt Ragnew, „denn die ersten vier Songs haben wir ja in einem begehbaren Wandschrank aufgenommen.“ – „Üblicherweise nehmen wir einen Song pro Tag auf, kaspert McCarthy, „allerdings fangen wir erst um halb elf Uhr abends an und nehmen nur an Weihnachten auf, nach der Bescherung, zwischen Weihnachten und Neujahr. Wie heißt das so schön? Zwischen den Jahren.“
Auch über ihren angeblich einzigen Auftritt zimmern sie rasch ein Legendchen zusammen: „Das war eine Party in München, hinter dem Zirkus Krone, da feierten so Jesus-Freaks“, sagt Ragnew. „Wir haben einfach ihre Instrumente genommen und ihnen was vorgespielt. Kam gut an, aber um zwölf hatten die wieder einen Gebetszirkel und meinten, es wäre besser, wenn wir kurz aufhören.“ Wie schrieb McCarthy mal so schön im Franz Ferdinand-Tourblog? Wo soll man nur all die Enkelkinder hernehmen, denen man diese Geschichten dereinst erzählen kann!
Kommende Auftritte könnten also interessant werden: Werden Box Codax, die auf ihren PR-Fotos stets mit dem Rücken zur Kamera stehen, das Gesichtslosigkeits-Konzept auch live umsetzen? „Vielleicht spielen wir ja mit dem Rücken zum Publikum, wie Miles Davis„, sagt Ragnew. „Vermutlich wird das Ganze so eine Art Ringo-Starr-Revue, mit großem Orchester, vielleicht mit irgendwelchen Tieren“, sagt Nick McCarthy gedankenverloren. „Dazwischen wieder einfach nur akustische Gitarre mit Spotlight, und wir führen das Publikum durch den Abend. Zwischen den Jahren.“