Die seelische Auskehr
Als Thea Gilmore vor einigen Monaten daheim im County of ehester mit dem Aufnehmen neuer Lieder begann, ging es nicht um die Karriere. Gilmore hatte eine persönlich schwere Zeit hinter sich, hatte einmal mehr mit der Depression gekämpft, die schon lange einen Schatten auf ihr Leben wirft. Doch diesmal stellte ein Arzt endlich die eigentlich längst klare Diagnose: klinische Depression. „Man ist ja erleichtert, wenn jemand dem Kind einen Namen gibt“, sagt sie, „wenn man dann noch hört, dass auch viele andere Menschen mit der Krankheit leben, geht’s einem noch besser. Man denkt jedenfalls nicht mehr die ganze Zeit, dass man verrückt wird.“ Gilmore redet bewusst offen. Sie will das Tabu brechen. Ja, sie nehme Pillen, „so wie andere etwas gegen Bluthochdruck nehmen. Ich bin froh, dass ich sie habe.“
Zur Diagnose kam dann ein gutes Stück seelischer Auskehr, der erstgeborene Sohn tat sein Übriges. All das wurde direkt zu Liedern – kathartischen, persönlichen Stücken, die zunächst nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Doch selbst in sehr verletzlichen Momenten bleibt sie lyrisch auf höchstem Niveau.
Diese – schließlich doch zu einem Album verbundenen – Lieder sind die besten ihrer Laufbahn. Auf „Liejacker“ ist Gilmore so clever wie früher, aber dazu wahrhaftiger, unversteckter, bewusst simpel. Dazu kommt eine sehr reduzierte Produktion, die die Heimdemos nur mit dem Notwendigsten unterstützt. Sie lässt viel Raum für Gilmores unerhört nahbare Stimme, die reifer und raumfüllender klingt als noch auf dem letzten Album, „Harpo’s Ghost„. „Man sagt ja, dass eine Frauenstimme sich erst so um die 30 herum öffnet“, lächelt Gilmore, die 1979 geboren wurde, „das scheint zu stimmen.“
Neben der eigenen hat sie noch ein paar andere Stimmen dazugebeten. Dave McCabe von den Zutons übernimmt eine Strophe bei „Old Soul“, einem Gedicht von einem Lied. Erin McKeown singt beim hoffnungsvollen, freiheitstrunkenen „Dance In New York“ mit. Und Joan Baez, mit der Gilmore auf Tournee war, übernimmt die Hälfte von „Lower Road“. einer fast epischen Lebensinventur in fünf Minuten. Baez war so ergriffen, dass sie das Lied für ihr eigenes Album gleich nochmal aufnahm. „Joan Baez hat vor 40 Jahren quasi meinen Beruf erfunden. Ich kann mir niemanden vorstellen, der dieses Lied besser hätte singen können.“