Die Schubladen bleiben zu
Die schottische Band Belle & Sebastian lässt sich nicht einordnen
Man hat sich längst daran gewöhnt. Denn ein Interviewtermin mit Belle and Sebastian heißt: Keine Isobel Campbell weit und breit. Schon gar kein Stuart Murdoch. Doch die restlichen Mitglieder des Glasgower Kollektivs (das nach der freundschaftlichen Trennung von Bassist Stuart David immer noch aus sieben Personen besteht) zu bloßen Statisten zu degradieren, hieße einen gravierenden Fehler zu begehen.
Von Trompeter Mick Cooke ist z. B. nicht ein einziges Mal der so beliebte Verweis auf Songwriter Murdoch zu vernehmen, wenn’s um Texte oder Hintergründe der Titel geht. Denn schließlich war Cooke bereits an den beiden ersten Belle & Sebastian-LPs „Tigermilk“ und „If You’re Feeling Sinister“ als Gastmusiker beteiligt. Doch erst bei Aufnahmen zu „The Boy With The Arab Strap“ stieß er endgültig zur Band. Begründung: Man sei es leid geworden, Mick dauernd auf dem Backcover der Platten danken zu müssen. Nun gut, jetzt gibt wenigstens jemand Kompetentes die Interviews.
„Manche von uns, nur eben nicht alle, sprechen gerne mit den Journalisten und geben vor allem gern Konzerte. Gerade bei letzterem sind wir allerdings auf die Mitwirkung aller Bandmitglieder angewiesen, was die Sache erschwert. Aber so sind wir halt“
Trotz allem werden Belle & Sebastian im Sommer die USA und Europa mit Touren beglücken, wobei man in Sachen Songauswahl (die bei Konzerten selten so ist, wie man sie insgeheim erhofft hatte) nun auf das neue Werk „Fold Your Hands Child You Walk Like A Peasant“, zurückgreifen kann – oder auch darauf verzichtet. Der kryptische Albumtitel ist „ein Graffiti-Spruch, den Stuart auf der Toilette des Leseraums der Glasgower Universität“ gefunden hatte, und das Cover zieren wie so oft „Freunde der Band, zwei Mädchen, Zwillinge, wie man sieht“. Was auch als Symbol dafür herhalten könnte, dass der Anteil der von Frauen gesungenen Stücke (Sarah Martin auf „Waiting For The Moon“ und mehrfach Isobel Campbell) bei Belle & Sebastian noch nie so hoch war. Eine von mehreren Neuerungen, denn obendrein begibt man sich nun mit „The Wrong Girl“ erstmals in wahrlich countryeske Gefilde, und auch einen Song wie „Don’t Leave The Light On Baby“ sucht man auf den bisherigen Veröffentlichungen der Band eher vergeblich.
Angesprochen auf ihre ehemalige deutsche Plattenfirma, zeigt sich Mick Cooke im Nachhinein wenig begeistert: „Wir kamen mit vielen dieser Leute einfach persönlich nicht zurecht, einige von ihnen waren leider ziemlich arrogant und hochnäsig, so dass wir uns manchmal wie der letzte Dreck vorkamen.“
Nachdem nun auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist und Belle & Sebastian 1999 gar den begehrten Brit Award als „Best Newcomer“ erhielten („Wir wussten echt nicht, dass wir gewinnen würden. Eigentlich sind die, die von der Band dort waren, nur zum Saufen gekommen, doch als dann die Scheinwerfer plötzlich auf uns gerichtet wurden, da ahnten wir, was die Stunde geschlagen hat“), dürften die Schotten eigentlich kaum noch aufzuhalten sein. Wenn, ja wenn wir es hier mit einer ganz gewöhnlichen Band zu tun hätten.
Dass Stuart Murdoch irgendwo in Glasgow sitzt, J. D. Salinger liest und seine voluminöse Plattensammlung hütet, hätte man sich beinahe denken können. Auch, dass er sowohl mit Isobel Campbell ab auch mit der Dame auf dem „Tigermilk“-Cover eine Liaison hatte. Doch dann wiederum ist die Chelsea, die im liebreizenden „Tigermilk“-Song „She’s Losing If“ missbraucht wird, gar kein Mädchen (wie man anfangs fälschlicherweise mutmaßte), sondern ein stinknormaler Köter. Fürwahr: Gäbe es diese Band nicht, man müsste sie glatt erfinden.
Der letzte Song auf „Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant“
heißt „There’s Too Much Love“. – Und höchstens das könnte für Belle & Sebastian irgendwann einmal zu einem wirklichen Problem werden.