Die neuen Ska-Kids mögen sie vergöttern – doch auf Schützenhilfe können Madness verzichten
„Eibrötchen!“ Die Begeisterung in den Augen von Graham „Suggs“ McPherson lässt vermuten, er habe seit Wichen nichts mehr gegessen. Statt vom Comeback seiner Combo zu erzählen, stopft sich der gruppeneigene Sangesfurst erst mal ein halbes Brötchen auf einmal in den Mund. „In der Schule riefen sie ihn ‚Fatty'“, kommentiert Cathal Smythe, der sich früher Chas nannte und heute schlicht Carl. Und redet weiter. Was er eh mit Begabung und Begeisterung tut, und wenn Suggs nicht dann und wann zumindest ein „Halt’s Maul“-Grunzen einflechten würde, käme er gar nicht zu Wort.
Nach 14Jahren Studiopause haben Madness trotz solch sekundärer Kommunikationsprobleme ein neues Album auf die Beine gestellt Es heißt „Wonderful“ – und ist es sogar auch. Einhellige Meinung in der Band: Sitzt man erst mal zusammen, läuft alles wie von selbst.
So war es angeblich schon damals, 1978. Man traf sich in London, stellte ein gemeinsames Faible für Ska, Pop und Reggae fest und gründete eine Band. Und weil man nicht so recht wusste, wie man die Musik nennen sollte, prägte man einfach einen neuen Begriff: „Nutty Sound“. Das 2-Tone-Label nahm sich der Band an, bald kamen große Verträge und noch größere Hits: „Night Boat To Cairo“, „Michael Caine“, „Our House“ – und dann, 1985, das vorläufige Ende.
Trotz Ska-Revival-Hype und asthmatischer Bankkonten ließen sie sich in den vergangenen Jahren nicht zu Aufnahmen drängen, sondern warteten auf den richtigen Zeitpunkt „Als wir ’91 wieder zusammen kamen, wollten wir schon ein Album machen, aber die Songs waren einfach nicht da.“ Seit ’92 veranstalten sie jedes Jahr ihr „Madstock“-Festival, „und jedes Jahr macht’s Riesenspaß, aber wir wollten nicht immer nur alte Songs spielen.“
Suggs nickt Das dritte Brötchen ist verzehrt, aber die Sprecherrolle hat längst Carl in Anspruch genommen. Er berichtet von den logistischen Albträumen, alle Madness-Mitglieder zusammenzutreiben. „Suggs hat seinen Solo-Kram gemacht, Woody war anderweitig mit Trommeln beschäftigt. Mark hat eine Grafik-Design-Firma, Chris und Lee haben eine gemeinsame Band namens The Crunch, und wer noch? Mike lebt in Holland. Er war damit beschäftigt zu leben – was dort besonders zeitintensiv ist Ich arbeite bei einer Management-Firma.“
Nach kürzester Zeit hatte man im Studio wieder zum alten Klangkonsens gefunden („Wir sind wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft: sehr effizient beim Training“). Den privaten Kontakt hatten sie ohnehin nie verloren, ihr Gefühl für den Madness-Sound anscheinend auch nicht „Wir sind nicht modern, nicht zeitgenössisch. Wir haben keinen Techno-Remixer. Mit sieben Leuten in der Band ist es eh schon schwer genug, ein Album zustande zu bringen.“
Zwischen 79 und ’86 schüttelten Madness 21 britische Top-20-Singles aus dem Ärmel – und erwarten nun natürlich einen ähnlichen Erfolg: „Die Top Ten sollten’s schon sein. Selbst wenn uns die Bastarde bei Radio 1 boykottieren.“ Suggs nickt schüttelt dann den Kopf und einigt sich schließlich mit sich selbst auf die Aussage: „Es werden sowieso immer fast alle sagen, dass wir nicht mehr so gut sind wie gestern.
Man ist nie so gut wie gestern.“ Nach 22 Jahren regt man sich aber auch nicht mehr so schnell auf. Lieber lachen sie darüber, dass Bands wie No Doubt und Smash Mouth sie zu Ska-Helden gekürt haben. „Ska“, so Carl, „ist Teil unserer Kultur, aber unsere Musik war immer Pop. Und plötzlich sind wir die ‚Godfathers Of Ska‘. Nette Leute, diese Kalifornier, aber leicht auf dem Holzweg.“