Die neue Mildheit
IE FIRMA WIDMER lässt Zapfhähne für ihr Hefeweizen herstellen, die die Form eines gefüllten Weizenbierglases haben, mit Schaum oben und einer Scheibe Zitrone am Rand. Einige Zapfer meinen, die Zitrone würde die Halbwertszeit des Schaums erhöhen. Andere wiederum schwören auf den säuerlichen Geschmack als perfekten Kontrast zum brotigen Hefe. In der Paschall-Bar in Denton, Texas zapfen sie jedenfalls Citra Blonde, Alchemy Ale, Hopside Down IPL und eben Widmer aus besagtem Zapfhahn. Drei Dollar pro Pint. Sonntags gibt es Brunch, und manchmal spielt die Band Midlake dort. Weil Midlake die Bar vor zwei Jahren eröffnet haben.
„Wir lieben Denton. Und wir lieben Alkohol!“, erklärt Gitarrist Eric Pulido das genauere Konzept hinter der Bar. Das klingt zugegebenermaßen sehr schlüssig. Die Bar befindet sich im gleichen Häuserblock wie der Proberaum von Midlake, und Drummer McKenzie Smith ergänzt:“Good days or bad days, let’s go to the bar!“
Einer der schlechten Tage war zum Beispiel im November 2012. Sie trafen sich im Proberaum. „Es war kein großes Geheimnis: Tim mochte das Touren nicht. Für ihn war das eine Notwendigkeit. Wir wussten, er war nicht glücklich. Seine Hoffnungen waren weg, seine Energie. Er hat einfach die Stadt verlassen“, erinnert sich Pulido. Eigentlich hätte man das kommen hören müssen. Tim Smith sang ja so wundervoll unglücklich. Noch auf „The Courage Of Others“, der letzten Midlake-Platte, die 2010 erschien. Seine Stimme klang so nach Blutfäden im warmen Badewannenwasser, immer todtraurig, aber irgendwie auch zauberhaft und warm und weich auf der Haut.
Auf „Antiphon“ singt jetzt Eric Pulido. Der sang zuvor sowieso schon die Zweitstimmen. Es sei wie nach einer langen Beziehung, meint McKenzie, da war ein Stich, als Tim ging. Aber die Veränderung war gut. Sie wollen weitermachen. „Wir sind immer noch Midlake. Wir sind immer noch eine Band“, haben sie gesagt. Tim war zwar der Hauptsongwriter und eben der Sänger, aber so rückte der Rest der Band halt dichter zusammen.
„Antiphon“ ist eine Ölfarbenplatte geworden. Pulidos Stimme tupft die Töne. Manchmal muss man an Radiohead denken, weil sie so ausufernde Instrumentalparts mit Rhythmuswechseln haben, nur ohne das Gejaule von Thom Yorke natürlich. Midlake haben gar einen Instrumental-Track eingespielt. „Vale“ heißt der, also Tal. Und natürlich ist das so eine Art Landschaftsmusik wie Smetanas „Moldau“, nur eben kontemporär. Geigen sind dort zu hören, Flöten, Oboen, ach und die Glöckchen erst. Ein Shuffle-Beat und ein New-York-bei-Nacht-Bass, der dann und wann auf einem Ton stehen bleibt. Es scheint, als hätte der Weggang Smiths der Band Raum für eine musikalische Öffnung gegeben, als sei dabei ein Wurmloch entstanden, das nun zwei Universen miteinander verbindet. „Science our daughter/Religion our father/Who is mother“, singt Pulido in dem Song „Corruption“. Wissenschaft und Religion – zwei Fixpunkte, die notwendig sind, um die Orientierung nicht zu verlieren.
Und Midlake haben die Orientierung nicht verloren. „Antiphon“ ist das bemerkenswerte Debüt einer Band mit ihrer vierten Platte.
40% Progrock
25% Hefeweizen
25% Crosby, Stills &Nash
10% Impressionismus