Die neue Leichtigkeit
Nach einem Nervenzusammenbruch von Dolores O'Riordan mussten die CRANBERRIES eine Pause einlegen - und sind jetzt erstaunlich entspannt
Kulturzeit: Dolores O’Riordan nutzt die Lunch-Pause ihres Promo-Tages in Köln, um dem nahe gelegenen Dom einen Besuch abzustatten. Kirchen seien auf Reisen eine Leidenschaft, erklärt sie – allerdings eine, der man im Tourleben nur schwerlich nachkommen könne. „Als Frau unter so vielen Männern hat man immer das Gefühl, mit denen mithalten zu müssen“, schmunzelt sie, „und so landet man halt eher in Bars als in Kirchen. Das ist ein Problem!“
Eines, das sie nebst vielen anderen schon früh in der nun eine Dekade währenden Karriere der Cranberries kennenlernte: Die ersten Jahre verbrachten die vier damals gerade mal volljährigen Iren wegen der millionenfachen Verkäufe von „Everybody Else Is Doing It So Why Can’t We“und“No Need To Argue“ praktisch ausschließlich im Tourbus, und am Ende waren die Cranberries internationale Popstars – und Dolores depressiv, ausgebrannt und ganz und gar unlustig.
„Ich hatte kein Leben!“, singt sie das alte Lied vom viel zu schnellen Ruhm, „ich brauchte dringend ein bisschen Realität unter den Füßen und musste diesen irrealen Druck loswerden. Aber im Biz rät dir natürlich keiner, auf dem Höhepunkt deiner Karriere eine Pause zu machen.“ Nach den Arbeiten zu „To The Faithful Departed“, die Dolores im Rückblick als schwierig und verkrampft beschreibt, brauchte es dann keine Ratschläge mehr. Nervenzusammenbruch, Unglück, Perspektivlosigkeit – die Cranberries gingen auf Tauchstation. „Eigentlich muss es ja so sein“, sinniert O’Riordan. „Wenn du nichts mehr zu sagen hast, wenn dein Herz nicht mehr dabei ist, dann geh nach Hause! Mach einen Blumenladen auf! Und wenn du wieder Lust hast, dann komm zurück.“ So in etwa hat Dolores es getan: Selbst zum Beziehungszombie geworden, entwickelte sie mit dem Gatten und mittlerweile zwei Kindern ein kleines, überschaubares Familienrefugium und bereiste die Welt nach einer langen Pause nur noch im Zwei-Wochen-Takt.
„Ganz mit der Band aufhören kam nie in Frage. Ich bin eine Karrierefrau, und es musste darum gehen, begehbare Mittelwege zu finden, mit denen ich meiner Familie, aber auch meinem Job gerecht werden kann.“ Dass die Dinge sich entspannt haben, kann man ihr ansehen: Da sitzt eine hübsche junge Frau, deren feine Gesichtszüge und entspannte Mimik kaum noch eine Erinnerung zulassen an die harte, strenge und immer irgendwie eckige Dolores O’Riordan, die sich mit „Zombie“ der Welt als Sonderling empfahl. „Ich bin in meinem Eiternhaus zum Einzelkämpfer und Lebenssöldner erzogen worden – das konnte man wohl spüren. Viele Dinge sind jetzt leichter.“
Eine Leichtigkeit, die sich auch im neuen Werk der Cranberries niederschlägt. Auf „Wake Up And Smell The Coffee“ verzichtet Dolores fast völlig auf Politikerschelte und Sozialwut und lobpreist stattdessen den Rückzug ins Private. „Man verliert nicht seine Leidensfähigkeit für das, was in der Welt geschieht“, sagt Dolores auch in Hinblick auf die Terroranschläge von New York, „aber meine Familie gewährt mir einen Schutzraum, in dem ich die Kraft sammele, um wieder nach draußen gehen zu können.“
Den Gesang auf „Wake Up…“ steuerte Dolores vor und nach der Geburt ihres zweiten Kindes bei – die leisen vor, die lauten nach Entbindung und Stillzeit, und so trugen wohl buchstäblich alle Umstände zum entspannten Fluss des fünften Cranberries-Werkes bei. „Noch auf dem letzten Album habe ich über viele der neuen Gefühle eher theoretisch gesungen“, erklärt sie, ,jetzt kommen die Dinge endlich zusammen.“