Die neue irische Songschreiberhoffnurg GEMMA HAYES über ihr Debüt-Album „Night On My Side“ und ihren Traum von einer Rock’n’Roll-Band
OOh, nein! Nicht schon wieder eine Musikerin, die wir hier als neue Sheryl Crow (für die älteren Herren), Alanis Morrisette (für die jüngere Damen) oder Jewel (für die ganz Einsamen) ankündigen sollen. Gemma Hayes spielt akustische Gitarre, ist sehr hübsch und passt natürlich schon in diese Schublade, auf der seit Beginn der 90er Jahre „junge, selbstbewusste Songwriterinnen“ steht. Das weiß sie auch, wenngleich ihr Selbstverständnis ein anderes ist.
„Als ich zum ersten Mal ‚Loveless‘ von My Bloody Valentine hörte, wollte ich unbedingt in einer Band spielen, eigentlich will ich das immer noch. Am liebsten die Leadgitarre.“ Da muss die zierliche Gemma selbst lachen. Wer aber hinter ihrem Debüt „Night On My Side“ eine weitere Vertonung von Mädchentagebüchern vermutet, ist schief gewickelt. Angefangen hat Gemma nämlich nicht als Jungpoetin, sondern mit schrägen Instrumentalstücken auf dem elterlichen Klavier.
Schon seit damals steht die Musik im Vordergrund. „Als ich in Dublin mit meinem Studium begann, merkte ich schnell, dass ich viel lieber Musik machen wollte. Und zwar nicht nur für mich in meiner Studentenbude, sondern auch für andere Leute.“ Ihr erster Gig verlief allerdings katastrophal: „Ich war betrunken und fiel hin, als ich auf die Bühne kletterte. Es war ziemlich peinlich und ich hab dann schnell abgebrochen“, gluckst sie. Mittlerweile steht sie aber souverän mit einer Band im Rücken auf großen Festivalbühnen.
Da kam es ihr zugute, dass die Songs auf „Night On My Side“ schon auf eine gewisse rockisti^m sehe Breitenwirkung hin konzipiert waren. „Ich schreibe die Songs immer schon mit der Band im Hinterkopf und überlege, wie ich das arrangieren könnte, und welchen Sound das haben soll, am Ende denke ich mir dann einen Text aus, der irgendwie zum Sound passt.“
Die Band, zu der mittlerweile unter anderem auch Ex-Frames-Bassist David Odium und Ex-Therapy?-Schlagzeuger Fyve Ewing gehören, war und ist ein fester Bestandteil der Songs. „Viele Leute haben das nicht so ganz mitgekriegt, weil ich auf meiner ersten EP allein mit der akustischen Gitarre zu hören war. Als dann auf der zweiten plötzlich eine Band auftauchte, hieß es: ,Oh, sie probiert einen neuen Sound aus, um vom verhuschten Songwriter-Image wegzukommen.‘ So’n Quatsch! Ist es denn so schwer zu verstehen, dass das alles zusammengehört?“
Gearbeitet wurde meistens nachts. „Der Tag gehört dem öffentlichen Leben, die Nacht dem Privaten und den Gefühlen, die dann in meine Songs einfließen.“ Das erklärt den Titel „Night On My Side“. Man kann es hören, die Nacht war an ihrer Seite. Ganz nah. Die Texte sind Feiern der kleinen Augenblicke – eine Kunst, die irische Songschreiber wie etwa auch Van Morrison oder Paul Brady schon immer besonders beherrschten.
Für den vergleichsweise rohen Sound von „Night On My Side“ sorgte Mercury Revs David Fridmann, der auch schon mit Sparklehorse, Wheat und den Fläming Lips arbeitete. „Das ist total catchy, aber trotzdem ziemlich rau, das wollte ich auch.“ So entstand zwischen eingängigen Songs und unbehauenem Sound eine Spannung, die noch dadurch verstärkt wurde, dass Mark Stent, der auch schon die Spiee Girls und Massive Attack gemischt hat, einige Male an den Reglern saß. „Einige Songs hören sich an wie richtige Radiohits“, schildert Gemma begeistert und fügt dann noch verschmitzt lächelnd hinzu: „Ja. Ich weiß. Aber das muss wohl sein.“