Die letzte Gang
Wenn die Prophezeihungen eintreffen, werden die Dunkelrocker Interpol bald gewaltig groß sein
Es hat ja beileibe nicht nur gute Kritiken zum zweiten Album von Interpol gegeben, die ihre schwarze Flut auf „Antics“in zu viele mittelmäßige Lieder kleideten und so das Epigonenhafte unfreiwillig in den Vordergrund rückten. Aber soll eine so potente Band ihren Sound wegwerfen, nur weil die Reminiszenzen überdeutlich sind?
Keyboarder/Bassist Carlos Dengler beschreibt auch das neue Album als „eine Kreuzung aus einem Film noir und David Lynchs ,Blue Velvet'“, und demnach geht es weiter um die dunkle Seite der Macht, Sex, Tod und das große Unbewusste. Doch „Our Love To Admire“ ist wesentlich besser als „Antics“, weil die Musik vielschichtiger ist und die New Yorker – da stimmt der Lynch-Verweis – unter ihren Schraffuren etwas erkennbar werden lassen, was sich dem direkten Blick verschließt.
Mindestens drei Lieder werden bleiben: das fantastische erste Stück „Pioneer To The Falls'“, ein düster romantisches Epos und sicher der beste Song dieser Karriere; das schleppende „The Scale“, bei dem Interpol die Gitarrenwände Zugunsteneiner größeren Tiefe beiseite schieben; schließlich das kompakte, programmgemäß Joy Division-artige „No 1 In Threesome“, ein bleiches Werk über Einsamkeit, Erlösung und Gruppensex. „Das Album ist ein gutes Zeichen dafür, dass unsere kreativen Mittel noch nicht erschöpft sind“, erklärt Gitarrist Daniel Kessler. Bei Dengler klingt das alles noch pointierter. „Wir sind an einem Punkt, den – soweit ich sehen kann – kaum eine andere Band erreicht hat. Wir nehmen unser Leben und unsere Musik ernster als andere. Wir nähern uns einem Lied eher wie klassische Komponisten, es ist eine enorme Ernsthaftigkeit im Rau m, unsere ganze Welt ist Teil des Prozesses. Mit einer normalen Rock’n’Roll-Attitüde hat das nichts mehr zu tun.“
Die Zuspitzung ist natürlich zum Teil Koketterie und der Versuch, der eigenen Platte eine zusätzliche Bedeutsamkeit zuzuschustern. Wohl hört man Interpol anno 2007 eine große Souveränität an, die sie weiterhin zu einer der besten Bands ihres Genres macht, doch ist „Our Love To Admire“ (wen eigentlich?) kein alles überstrahlendes Werk von Auserwählten.
Aber Carlos Dengler ist nicht aufzuhalten. „Wir sind eine totale Demokratie, was emotional erschöpfend sein kann“, sagt er. „Es ist extrem deprimierend, mit welcher Macht das Ego dein Handeln zu kontrollieren versucht. Wir haben diesen Kampf immer vor Augen, das unterscheidet uns doch sehr von der Bewusstseinsebene einer herkömmlichen Band.“ Auch die folgende Aussage ist bemerkenswert: „Wir haben dieses großartige Ding zwischen uns, dass wir echte Freunde sind. Männer, die nicht in tounng bands spielen, erleben das nicht. Die Ehe, der tägliche Job, die Kinder – all das isoliert Männer von anderen Männern. Bang in the gang, we still have that.“
Übrigens ist die Geschichte von Interpol womöglich ohnehin die von Berufenen, weiß Carlos Dengler. „Wir haben nach dem ersten Album mit den Doors in Japan gespielt, wo Ian Astbury Daniel in eine Ecke zog und ihm sagte, dass wir mit dem dritten Album riesig werden würden. Das war sehr seltsam: Er sprach fast wie ein Prophet. Ich dachte damals, was für ein Vollidiot, ich weiß ja nicht mal, was ich nächste Woche mache. Jetzt sehe ich das anders: Dieses Album ist schon erstaunlich, denn es erzählt große Dinge über unsere Zukunft. Weiß Gott, was noch alles passieren kann.“ Jetzt aber Schluss!