Die lange Suche
Am 6. Februar starb Gary Moore. Von Kollegen geachtet, beim Publikum umstritten, bleibt das Bild eines Klassegitarristen.
In den Tagen danach schien die ganze Welt aus glühenden Gary-Moore-Fans zu bestehen. Was ein bisschen irritierend war, weil man in den Jahren zuvor nicht unbedingt das Gefühl hatte, als sei der Gitarrist vom Publikum übermäßig geliebt worden. Moore galt vielen als biederer Handwerker, dem man Respekt für sein Können zollte, nicht jedoch für sein musikalisches Werk.
Es ist von daher nicht weiter verwunderlich, dass die mehrmalige Mitgliedschaft Gary Moores bei der irischen Rockband Thin Lizzy in den ersten Nachrufen über Gebühr strapaziert wurde. Tatsächlich waren die Lizzy-Jahre und insbesondere die konfliktreiche, aber enge Freundschaft zwischen Moore und dem Thin-Lizzy-Songschreiber, Bassisten und Sänger Phil Lynott eine überaus prägende Phase für Gary Moore. Auch wenn er nur auf einem Lizzy-Album durchgehend gespielt hat, dem 1979 erschienenen „Black Rose“. Eine Platte, der Moore seinen Stempel aufdrückte und der man noch heute anhört, dass die Zusammenarbeit mit Lynott in eine der großen kreativen Partnerschaften der Rockmusik hätte münden können, wäre sie beständiger gewesen.
„Gary war immer der Erste, den wir gefragt haben, wenn mal wieder jemand ausgestiegen war“, sagt der Thin-Lizzy-Schlagzeuger Brian Downey. Downey kannte Moore, seit er 1967 gemeinsam mit dem damals erst 14-Jährigen und dessen Band Platform Three ein Konzert in Belfast gegeben hatte. „Er war ein toller Gitarrist, hatte aber auch eine unbeständige Seite. Zudem war die Beziehung zwischen ihm und Phil alles andere als einfach. Beide waren extrem ehrgeizig. Wenn Gary dabei war, lag immer eine gewisse Grundspannung in der Luft.“ 1980 verließ der Gitarrist Thin Lizzy im Streit. Nichtraucher Moore nahm keine Drogen und verabscheute den exzessiven Lebenswandel der Band. Voneinander lassen konnten er und Lynott indes nie. Bereits Ende der 60er-Jahre lernten die Musiker einander kennen. Der damals 16-jährige Moore hatte Belfast verlassen und sich in Dublin der Bluesband Skid Row angeschlossen, der Lynott vorstand. Bis zum tragischem Tod des Bassisten im Januar 1986 spielten die Freunde immer wieder zusammen, zuletzt auf Moores 1985er Durchbruchsalbum „Run For Cover“.
In der Riege der Hochleistungsgitarristen, die die harte Rockmusik jener Jahre prägten, nahm Moore eine Ausnahmestellung ein. Im Gegensatz zu Steve Vai oder Joe Satriani war der Nordire als Songschreiber überaus ambitioiniert, formell wie inhaltlich. Immer wieder thematisierte er etwa den Konflikt seiner nordirischen Heimat. Eine Art Lebensthema, denn die Zerrissenheit des irischen Volkes spiegelte sich auch auch in der Person des Gitarristen. Stets schien Gary Moore musikalisch auf der Suche zu sein. Ein Getriebener, der scheinbar wahllos zwischen Genres und Besetzungen wechselte und seine Erfüllung erst gefunden zu haben schien, als ihm 1990 der ganz große Durchbruch gelang – mit einem Blues-Album. „Ich war immer der Meinung, dass es vor allem an Garys großer Liebe für den Blues lag, dass er es nie lange irgendwo ausgehalten hat“, sagt Downey. „Natürlich mochte er Rock- und Pop-Musik, er liebte die Beatles. Aber seine erste und größte Leidenschaft war der Blues.“ Downey spielte Schlagzeug auf Moores bis heute erfolgreichstem Album, „Still Got The Blues“. Hat es Moore gewurmt, dass er ausgerechnet von der Krautrockband Jud’s Gallery des geistigen Diebstahle bezichtig wurde? „Er hat kein großes Gerede darum gemacht“, sagt Downey. „Ich glaube, er fand es albern. Diese Harmonien gibt es schließlich in tausenden von Songs.“ Der Prozess um die Urheberschaft von „Still Got The Blues“ dauert bis zum heutigen Tage an.
Es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass Moore ausgerechnet für die Phase, die ihm am meisten bedeutete, die geringste Würdigung erfuhr. Sein Blues-Entwurf gilt vielen als klinische Designer-Musik für die Fahrstühle dieser Welt. Weitaus besser war Moores Ruf bei Kollegen: Peter Green (Fleetwood Mac) überließ Moore seine geliebte Les Paul Standard. Die Blues-Granden B.B. King und Albert King lobten den Stil des Gitarristen, so unterschiedliche Musiker wie die Beach Boys, George Harrison, Ginger Baker, Ozzy Osbourne und Andrew Lloyd Webber schätzten Moore als universell einsetzbaren Klassemann, der von keltischer Folklore über Rock, Blues und Jazz alle Stile mühelos beherrschte.
„Er war ein feiner Kerl, ein fantastischer Freund und Musiker“, sagt Brian Downey. Am 6. Februar starb Gary Moore, einer der prägendsten und einflussreichsten Rock-Gitarristen seiner Generation, im spanischen Estepona an einem Herzinfarkt. Er wurde nur 58 Jahre alt.