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Arne Willander schaut fernKolumne

Die Küchenbullen: Wie TV-Köche zu Gutmenschen wurden

Seit der Küchenphilosoph Christian Rach die Welt verbessert, tut sein Kollege Frank Rosin so, als wollte er Restaurants retten

Christian Rach hätte weiterhin ein Restaurant führen können oder malade Lokale retten oder schwer erziehbare Schüler ausbilden. Bei RTL hatte er ein klassisches Schadenfreude-Format aus der Taufe gehoben: „Der Restauranttester“ musste nie lange probieren, dann war der Test schon verloren, und Rach machte sich an die Umgestaltung des Ladens, die Remedur der Speisekarte, die Motivation der Betreiber, die Schulung des Personals. Er hatte immer sehr spezifische und anspruchsvolle Vorschläge, die oft nicht recht funktionierten. Eine Weile schien der Koch aggressiver zu werden und auch gemeiner, er sang Spottlieder oder parodierte phlegmatische Wirte.

Dann aber bemächtigte sich die Melancholie seines Gemüts, er wurde immer hagerer, das Gesicht fahler. In Hamburg eröffnete er mit Auszubildenden, die nirgendwo eine Chance bekamen, ein Restaurant, das er „Slowman“ nannte. Der Laden brummte, aber bald war von der ursprünglichen Belegschaft nur noch eine Person übrig. In Berlin bildete er Problemjugendliche aus, musste Halbstarken hinterherlaufen und Tränen trocknen. Rach war ein Sozialarbeiter geworden, es ging nun um den Respekt vor der Kreatur, um Würde und Selbstverantwortlichkeit.

In „Rach deckt auf“ schaut der Gastro-Ethiker nach, woher die billigen Garnelen tatsächlich kommen, und fragt sich bis zu einem Krabben-Gulag in Thailand durch, wo die schreckliche Wahrheit wartet. An einer Schule führt er gesunde Pausenbrote ein und organisiert die Küche neu, er spricht bei Elternabenden und überzeugt Apparatschiks. Christian Rachs Geschichte ähnelt dem Schicksal von Figuren in Romanen von Christian Kracht. Hoffentlich ist er vorsichtig, wenn er die Walfang-Lobby aushebt.

Rachs Nachfolger ist der grobschlächtige Frank Rosin. Der Zwei-Sterne-Koch prüft im ZDF die Gerichte bei den „Topfgeldjägern“ des Hamburger Dauerschnackers Steffen Henssler. Dessen Nachmittagssendung verbindet den Wettbewerb von Amateuren mit Zoten, Dampfplauderei und dem Auftritt von Rosin, den Henssler penetrant „Digger“ nennt. Aus seinen Expertisen machte Rosin ein Spin-off bei Kabel eins, „Rosins Restaurants“: Wie einst Christian Rach bietet sich der Koch maroden Restaurants als Retter an.

Der Befund ist immer derselbe: Essen wie anno Asbach, Küche eine Katastrophe, Management Fehlanzeige, Kalkulation abenteuerlich – alles falsch! Die Besitzer sind pleite oder krank, haben die Läden geerbt oder zu teuer gekauft, sie liegen neben einer Tankstelle oder fernab jeder Straße, es sind Imbisse, Familienbetriebe, Trinker-Asyle, in denen die Zeit still steht. Die Ausflüchte der Protagonisten müssen oft untertitelt werden, obwohl sie Deutsch sprechen. Rosin wendet eine Brachialmethode an: Er führt den Delinquenten ihre Nichtswürdigkeit vor. Zu einem Test-Essen kommen 25 hungrige Mäuler, um dem Wirt den Garaus zu machen – und sie liefern.

Sodann übernimmt Rosin das Kommando, räumt den alten Plunder heraus und neuen Plunder herein, lässt die marode Küche reinigen und implementiert Speisen, die frisch gemacht werden sollen. Wenn es sein muss, wird ein Kindergarten mit dem neuen Konzept beglückt. Die Verzweifelten glauben ihm alles, sie fassen Mut, alte Tresenkräfte blühen für drei Tage wieder auf. Ein zweites Test-Essen ergibt natürlich Spitzenwerte. Danke, Digger!

Christian Rach hat die vermeintlich Geretteten später noch einmal besucht. Frank Rosin ist bisher noch nicht zurückgekommen.

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