Die kleinen Dinge mit Megaphon anpreisen: Here We Go Magic im Interview

Am 16. Oktober erscheint "Be Small", das neue Album von Here We Go Magic. In unserem Interview sprachen Luke Temple und Mike Bloch über Globalisierung, Progressive Rock, die Schönheit im Detail - und über New York.

Um auf die Globalisierung zurückzukommen: worum geht es denn in „Tokyo London US Korea“?

TEMPLE: Es geht um Imperialismus. Vielleicht… (lacht)

Vielleicht?

TEMPLE: Um ehrlich zu sein, ist es sehr abstrakt. Dieser Song entstand ganz plötzlich, alles auf einmal. Ich habe einen Groove programmiert, mit dem Schlagzeug begonnen … eigentlich habe ich mit der Hi-Hat angefangen, mit den wilden Schlägen, worüber ich dann Gitarre spielte. Es entstand also alles auf einen Schlag und ich improvisierte darüber einfach den Gesang, mit dem Vorhaben, später dann einen richtigen Text zu schreiben.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich allerdings bereits den Refrain im Kopf und wollte eigentlich eine kleine Geschichte über all diese Orte schreiben, aber dann fragte ich mich, wie man das zusammenfasst, weil das vermutlich jeden Rahmen gesprennt hätte. Also ließ ich den ersten Text einfach drin. Im Prinzip ist es also ein Stream of Consciousness, obwohl es da schon ein Thema gibt. In meinem Kopf erzeugt der Text jedenfalls schon gewisse Bilder, die aber schwierig zu erklären sind…

BLOCH: Vielleicht geht es weniger um Imperialismus, als vielmehr die Bezeichnungen dieser Orte.

TEMPLE: Weil das ja auch die „wichtigen“ Orte sind, über die sich jeder in der Welt unterhält.

BLOCH: Und die ganzen unterschiedlichen Zeitzonen…

TEMPLE: Ja, und wir hetzen stets nur von einem Ort zum anderen, ohne sie wirklich ernst zu nehmen. Diese ganzen Geschäftsleute, die von einem Meeting zum anderen laufen, von Tokyo nach London, das ist eigentlich ziemlich lächerlich.

„Global ist die Welt durch die Tumblr-Kultur zu solch einem Mischmasch geworden“

Die zweite Stadt, die auf dem Album Erwähnung findet, ist New York in „Candy Apple“. Wolltet ihr damit eine Hymne auf eure Heimat schreiben?

TEMPLE: Noch nicht mal, es geht eher darum, dass durch das Internet die Regionalität aufgehoben wird. Und ein großer Teil von dem, was New York so besonders macht, verschwindet deswegen. Mittlerweile wirkt dort dank einer aufgewerteten Hipster-Kultur alles sehr eintönig, was sich durch verschiedene amerikanische Städte zieht. Es wirkt dort alles sehr kurzlebig und darüber beklage ich mich ein wenig in dem Song.
Ich bin mittlerweile weggezogen, genau so wie viele Leute es derzeit tun, weil die Mietpreise in astronomische Höhen steigen.

BLOCH: Aber es gibt auch schon so viele hymnische Songs über New York City, die „brave lights“ und das alles.

Versteht ihr den Song also als eine Art Anti-Hymne?

"New York City is just like everywhere" singen Here We Go Magic auf dem Song "Candy Apple" - eigentlich sei der Song gar nicht so negativ, nur zynisch
„New York City is just like everywhere“ singen Here We Go Magic auf dem Song „Candy Apple“ – eigentlich sei der Song gar nicht so negativ, nur zynisch

BLOCH: Ein wenig schon, obwohl ich das nicht ganz so negativ sehe. Er ist dennoch sehr zynisch.

TEMPLE: Eigentlich ist der Song schon sehr negativ, aber ich liebe New York trotzdem immer noch. Es hat sich nur sehr verändert. Selbst wenn man die Stadt historisch betrachtet, die ganzen Bands des New York Movement – The Velvet Underground, The Ramones, all diese Bands stammten direkt aus der Stadt, in den Clubs tummelten sich gebürtige New Yorker. Es war eben ein Ort mit einer eigenen Identität. Jetzt ist es bloß ein Reiseziel für Menschen von überallher, die ihre eigenen künstlerischen Ideen mitbringen. Dadurch wirkt die Stadt eher wie ein Sammelsurium, schätze ich. Aber auch global ist die Welt durch die Tumblr-Kultur zu solch einem Mischmasch geworden. Die Leute bekommen vom Internet ja ganz viele Eindrücke und Stichworte, nicht nur aus dem Ort, wo sie leben, sondern aus der ganzen Welt.
Und die Sprache stirbt auch aus. Gerade in New York. Dadurch, dass die Mietpreise steigen, sehen sich viele ursprünglich aus der Stadt stammende Leute dazu gezwungen, wegzuziehen.

BLOCH: New York war schon immer ein Treffpunkt für unterschiedliche Leute, Kulturen und Ideen. Aber früher kamen die Leute her, einfach um dort sein zu können, um den Ort geografisch wertzuschätzen, aber auch, weil sie es genossen, von Leuten umgeben zu sein, die auf eine bestimmte Art dachten und kreativ waren. Es gibt immer noch eine große Gemeinschaft in New York, aber langsam fühlt es sich einfach etwas beliebig an. Und da man heutzutage für einen kreativen Prozess nicht einmal in derselben Stadt sein muss, ist es schwierig zu beurteilen, wie viel Einfluss die Stadt und die Umgebung wirklich auf die örtliche Kunst hat. Das bleibt also alles ein ungelöstes Rätsel.

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